Aktuelles Heft 4/2024

  • Kiran Klaus Patel, Transformation on the Rocks. Zur Geschichte europäischer Integration seit den 1980er Jahren (Aufsatz) - Ins Heft gezoomt
  • Kurt Bauer, Waren Österreicher unter nationalsozialistischen Tätern überrepräsentiert? Versuch einer Synthese (Aufsatz)
  • Robert Obermair, Zwischen Politik und Wissenschaft. Das zweite Leben des österreichischen National­sozialisten Oswald Menghin (Aufsatz)
  • Josefine Preißler, „Ein Stachel im Fleisch der Christdemokraten“. Hans Filbinger, Günter Rohrmoser und das Studienzentrum Weikersheim 1979 bis 1985 (Aufsatz) - Free Access bis zum Erscheinen des nächsten Hefts
  • Eva-Maria Roelevink, Wilhelm Treue und der Weg zur „Geschichtlichen Darstellung der gewerblichen Wirtschaft“ (Dokumentation)

 

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Abstracts

Kiran Klaus Patel, Transformation on the Rocks. Zur Geschichte europäischer Integration seit den 1980er Jahren

 

Der Kir Royal, ein Modegetränk der 1980er Jahre, dient hier als Aufhänger und Sonde, um zentrale Probleme der Geschichte der heutigen Europäischen Union aus den letzten vier Dekaden zu erörtern. Kiran Klaus Patel vertritt die These, dass bereits kurz vor Ende des Kalten Kriegs eine grundlegende Transformation des Einigungsprozesses einsetzte. Vor diesem Hintergrund entwickelt der Autor eine multiperspektivische Forschungsagenda, die besonders darauf zielt, die Integrationsgeschichte stärker mit allgemeinen Fragen der europäischen Zeitgeschichte zu verknüpfen. Jenseits teleologischer und triumphalistischer Entwürfe trägt der Aufsatz so auch zu einer Genealogie gegenwärtiger Problemlagen bei.

 

 


Kurt Bauer, Waren Österreicher unter nationalsozialistischen Tätern überrepräsentiert? Versuch einer Synthese

 

1966 richtete Simon Wiesenthal ein Memorandum an die österreichische Bundesregierung. In diesem Papier behauptete er – freilich ohne dies empirisch zu untermauern – eine starke Über­re­präsentation von Österreichern unter NS-Tätern. Es ging Wiesenthal darum, verstärkte Be­mü­hungen zur Strafverfolgung belasteter Personen in Österreich zu bewirken. Das gelang ihm nicht. Allerdings setzte sich Wiesenthals These von der österreichischen Überrepräsentation in der Wissenschaft und Publizistik durch und zog sich wie ein roter Faden durch die Fachliteratur und populärhistorische Darstellungen. In dem vorliegenden Beitrag überprüft und bewertet Kurt Bauer anhand der Analyse verschiedener Tätergruppen und Tatkomplexe die Validität dieser Aussage. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil an Österreichern unter NS-Tätern ungefähr dem Bevölkerungsanteil der sogenannten Ostmark am Deutschen Reich entsprach.

 


Robert Obermair, Zwischen Politik und Wissenschaft. Das zweite Leben des österreichischen National­sozialisten Oswald Menghin

 

Robert Obermair beleuchtet die Flucht des österreichischen Nationalsozialisten Oswald Menghin nach Südamerika sowie seine Integration in Argentinien. Er lenkt den Fokus dabei insbesondere auf Menghins zweite Karriere als Wissenschaftler in Buenos Aires. In diesem Zusammenhang nimmt der Autor die Entnazifizierung des Wissenschaftssektors in Österreich in den Blick und untersucht, wie sich der Umgang der Behörden mit dem zunächst polizeilich gesuchten Wissenschaftler, aber auch dessen Vernetzung im politischen und wissenschaftlichen Milieu in Europa auf seine zweite Karriere in Südamerika auswirkten. Am Beispiel Oswald Menghins werden so die transnationalen Verflechtungen zwischen Politik und Wissenschaft in der Nachkriegszeit sichtbar.

 


Josefine Preißler, "Ein Stachel im Fleisch der Christdemokraten." Hans Filbinger, Günther Rohrmoser und das Studienzentrum Weikersheim 1979 bis 1985

 

Das Studienzentrum Weikersheim (SZW) ist heute weitgehend vergessen, obwohl es ein wichtiger Stichwortgeber im politischen Diskurs um die sogenannte geistig-moralische Wende war. 1979 auf Initiative von Hans Filbinger und Günter Rohrmoser gegründet, verstand sich das SZW als „Stachel im Fleisch der Christdemokraten“, für die es konservative Denkimpulse liefern wollte. Auf der Basis weitgehend neu erschlossener Quellen zeichnet Josefine Preißler die Gründung und Entwicklung des Studienzentrums bis zum Jahr 1985 nach. Sie führt aus, wa­rum dessen Ideen kaum Eingang in die Politik der christlich-liberalen Regierung unter Helmut Kohl finden konnten, und zeigt auf, inwiefern dieses Enttäuschungsmoment zur Radikalisierung des SZW führte, das fortan einen zentralen Ort im „Brückenspektrum zwischen Kon­ser­vativismus und Rechtsextremismus“ (Armin Pfahl-Traughber) bildete.


Eva-Maria Roelevink, Wilhelm Treue und der Weg zur „Geschichtlichen Darstellung der gewerblichen Wirtschaft“

 

Der Historiker Wilhelm Treue (1909–1992) gilt als prägende Figur für die Konstituierung der Unternehmensgeschichte in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Eva-Maria Roelevink ­unternimmt den Versuch, den bisher rein auf Treues Veröffentlichungen begrenzten Wis­sensstand quellenfundiert und insbesondere für die Zeit vor 1945 zu erweitern. Auf diese Weise lässt sich zeigen, dass sein vermeintlich gebrochener Karriereverlauf ausschlaggebend für seine Konzeption einer modernen Unternehmensgeschichte war. Treue wechselte ge­zwun­ge­ner­maßen von der Universität in die amtliche Militärgeschichtsschreibung; hier ent­wickelte er seine spätere Konzeption und von hier aus knüpfte er die Netzwerke in die Wirtschaft, von denen er nach 1945 erheblich profitierte.




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