Thorsten Loch, Zwischen Erinnerungskultur und Geschichtspolitik. Kasernennamen in der Bundesrepublik Deutschland
Ausgehend von der Entwicklung im 19. Jahrhundert wendet sich der Autor dem Phänomen der Benennung von Kasernen zu. Erst im ideologischen Zeitalter des 20. Jahrhunderts erhielten sie die Namen von Personen, Orten oder Gemarkungen. In der Bundesrepublik Deutschland war die Benennung von Kasernen immer auch eine Auseinandersetzung um die Erinnerungskultur in der Bundeswehr. Kritiker störten sich vor allem an den nach Wehrmachtsoffizieren benannten Kasernen, schienen sie doch für innenpolitisch motivierte Kontinuität und vordemokratische Gesinnung zu stehen. Vor dem Hintergrund dieser in der Öffentlichkeit wie in der Zeitgeschichtsschreibung bis heute virulenten Debatte spannt der Aufsatz einen Bogen vom 19. Jahrhundert bis in das Jahr 1995 und zeigt erstmals, dass Kasernenbenennungen auch im Zusammenhang mit staatspolitischen Zielsetzungen der Bundesrepublik Deutschland zu verstehen sind.
Federico Goddi, Die italienische Besatzungsherrschaft in Montenegro 1941 bis 1943
Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Beziehungen zwischen dem italienischen Besatzungssystem und der montenegrinischen Gesellschaft während des Zweiten Weltkriegs zu rekonstruieren. Der italienische Faschismus priorisierte praxisorientierte Maßnahmen, die vor allem darauf abzielten, eine Neue Ordnung im Mittelmeerraum zu errichten. Exemplarische Einblicke in dieses repressive System liefert die Geschichte der italienischen Divisionen „Venezia“ und „Pusteria“. Die von diesen Großverbänden angewandten Strategien illustrieren den allgegenwärtigen Konflikt im italienischen Machtapparat. Daher untersucht Federico Goddi verschiedene Aspekte des Alltagslebens während der Besatzung und beleuchtet diese auch im Kontext der militärischen Repression und der ökonomischen Ausbeutung.
Sabine Mecking, Lernende Polizei? Protest Policing und Anti-Atomkraftbewegung in der Bundesrepublik Deutschland
Die Anti-Atomkraftbewegung gehörte zu den wichtigsten Protestbewegungen in der Bundesrepublik, sowohl aus gesellschaftlicher als auch aus polizeilicher Sicht. Obgleich die Neuen Sozialen Bewegungen im 20. Jahrhundert bereits intensiv erörtert wurden, sind dennoch Fragen zu den Interaktionen zwischen Protestierenden und Polizei sowie überhaupt zu den polizeilichen Reaktionen auf das gesellschaftliche Aufbegehren und den zum Teil damit einhergehenden Ausschreitungen offen. Die jüngere Gewaltsoziologie geht davon aus, dass der konkreten Situation eine hohe Relevanz zukommt. Entsprechend lenkt Sabine Mecking den Blick auf den spezifischen Protestraum und die Akteurinnen und Akteure vor Ort an den Bauplätzen der nuklearen Anlagen. Die vergleichende Analyse des polizeilichen Protestmanagements bei den Großdemonstrationen der Anti-Atomkraftbewegung in den 1970er und 1980er Jahren ist ein Beitrag zur Protest-, Gewalt- und Demokratiegeschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Eva Oberloskamp, Schadet Umweltpolitik der Wirtschaft? Die Umweltklausur auf Schloss Gymnich 1975 und frühe Ideen einer ökologischen Modernisierung in der Bundesrepublik Deutschland
1975 versammelte Bundeskanzler Helmut Schmidt Vertreter der Wirtschaft, der Bundesregierung und der Ministerialbürokratie zu einer Umweltklausur auf Schloss Gymnich. Fünf Jahre nach dem Start eines ambitionierten umweltpolitischen Reformprogramms sollte auf dem Höhepunkt der Ölpreiskrise diskutiert werden, inwieweit die Umweltpolitik der Wirtschaft schade. Der Aufsatz deutet das Treffen als Kristallisationspunkt der umweltpolitischen Debatte in der Bundesrepublik. Die Vorstellung eines positiven Zusammenhangs von Umweltschutz und Konjunktur wurde hier prominent formuliert und in den politischen Diskurs eingebracht. Auf dieser Grundlage konnte sich in der Folge das wirkungsmächtige Konzept einer ökologischen Modernisierung etablieren.
Moritz Fischer/Thomas Schlemmer, Wider das Establishment. Die Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt zwischen Apologie und Wissenschaft – aus den Akten des Instituts für Zeitgeschichte und des Bundesarchivs
Die Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) ist weitgehend vergessen, auch wenn ihr nach wie vor die Rolle einer wichtigen Stichwortgeberin auf dem Feld des apologetischen Geschichtsrevisionismus zukommt. 1981 unter Federführung von Alfred Schickel und Hellmut Diwald gegründet, verstand sich die ZFI als Gegenentwurf zum Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ), das als Bastion einer angeblich politisch motivierten Historiografie einer von den Schatten der NS-Vergangenheit unbelasteten deutschen Identität im Weg stand. Moritz Fischer und Thomas Schlemmer geben auf der Basis neu erschlossener Quellen Einblick in das Innenleben der ZFI, sie zeichnen ihre Konflikte mit etablierten Institutionen wie dem IfZ oder dem Bundesarchiv nach, und sie erklären, warum die ZFI in den 1980er Jahren zu einem auch öffentlich beachteten Eckpfeiler im „Brückenspektrum zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus“ (Armin Pfahl-Traughber) avancieren konnte.