Veranstaltungen im Wintersemester 2022/2023

IfZ-Oberseminar

LMU München
Zeit: Termine: 9.11., 23.11., 7.12., 21.12., 18.1. und 1.2, jeweils 17.00-20.00 Uhr
Ort: IfZ, Vortragsraum

Das Oberseminar richtet sich in erster Linie an die von IfZ-Dozentinnen und -Dozenten betreuten oder im IfZ tätigen Doktorandinnen und Doktoranden sowie an Verfasserinnen und Verfasser von Master- und Staatsexamensarbeiten. Darüber hinaus steht das Seminar allen Studierenden der LMU offen. Neben der Vorstellung und Diskussion laufender Qualifizierungsarbeiten werden allgemeine Probleme von Qualifizierungsarbeiten sowie methodische Fragen der Geschichtswissenschaft erörtert.

Programm (pdf).


Prof. Dr. Frank Bajohr

LMU München
Übung
: Von der Ausgrenzung zum Holocaust. Die Verfolgung der Juden im Deutschen Reich 1933-1945
Zeit: Dienstag, 16-18 Uhr. c.t.
Beginn: 18.10.2022
Ort: Amalienstr. 73a, Raum 216

Die Verfolgung der Juden unter nationalsozialistischer Herrschaft begann 1933 auf dem Territorium des Deutschen Reiches. Wie ist diese Verfolgungsgeschichte im Hinblick auf den späteren Massenmord an den europäischen Juden zu bewerten? Besaß die Judenverfolgung im Deutschen Reich eine Vorbild- und Vorlauf-Funktion, oder stellte sie einen Sonderfall dar, der sich vor allem vom späteren Holocaust in Osteuropa massiv unterschied? Die Übung beleuchtet anhand einzelner Themen die Verfolgungsschritte nach 1933, die Reaktionen und Verhaltensstrategien der Betroffenen wie auch die Rolle der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung bei der schleichenden gesellschaftlichen Ausgrenzung der jüdischen Minderheit nach 1933.


Haydée Mareike Haass

LMU München
Übung
: "Derrick"/"Der Kommissar" und die mediale Geschichte der Bundesrepublik
Zeit: Donnerstag 10:00 bis 12:00
Beginn: 20.10.2022
Ort: Amalienstr. 52, K 001

Wie haben ehemalige NS-Kulturschaffende die mediale Alltagskultur der Nachkriegszeit geprägt? Es waren die Funktionseliten der Hitlerzeit, so formulierte es Norbert Frei, die das Projekt Bundesrepublik bis in die Nachkriegszeit der siebziger Jahre entscheidend gestalteten. Von deren „Wandlungsfähigkeit und Bereitschaft zur Anverwandlung“ habe vieles abgehangen. Die ersten deutschen Krimiserien „Der Kommissar“ (später „Derrick“) gehörten zu den beliebtesten Fernsehserien der Deutschen. Drehbuchautor war Herbert Reinecker (1910-2007), der im Nationalsozialismus SS-Kriegsberichterstatter, NS-Dramaturg und NS-Propagandist der Reichsjugendführung war. Es ist symptomatisch für die mediale Verwandlungsgeschichte der Bundesrepublik, dass die NS-Vergangenheit des Autors in der Bundesrepublik lange Zeit unerwähnt blieb. Jüngst bestätigte die Diskussion um die NS-Vergangenheit des Berlinale Gründers Alfred Bauer dieses Desiderat auch für andere prominente ehemalige NS-Kulturschaffende in der Bundesrepublik. In der Übung beschäftigen wir uns mit zwei Zeitebenen, dem Nationalsozialismus und der Bundesrepublik bis in die 1970er Jahre. In einem ersten Teil beleuchten wir den breiten Begriff der „Kulturschaffenden“ und der Kulturpolitik im Nationalsozialismus. In einem zweiten Teil werden wir uns mit der unmittelbaren Nachkriegszeit und der Transformationspolitik der Bundesrepublik selbst auseinandersetzen. Im Zentrum steht die Rolle von ehemaligen NS-Kulturschaffende als „Medienintellektuelle“ (Axel Schildt): Wie verhielten sie sich zum Wandel der Bundesrepublik hin zu einer Medien- und Konsumgesellschaft? Regten sie zu eigenen Liberalisierungsimpulsen an oder honorierten sie konservative Erinnerungspolitik? Mit dem Blick auf die Verwandlungspolitik dieser Funktionseliten werden wir uns auch mit der Diskussion beschäftigen, ob die westdeutsche Demokratie nach 1945 als „Erfolgsgeschichte“ bewertet werden kann.

Literaturempfehlungen:


Prof. Dr. Dierk Hoffmann

Universität Potsdam
Oberseminar
: Das Ende der Zuversicht. Das geteilte Deutschland in den 1970er Jahren
Zeit: Freitags, 14 - 16 Uhr
Beginn: 21.10.2022
Ort: Historisches Institut, Raum 1.09.2.16

Literatur:

Frank Bösch (Hg.): Geteilte Geschichte. Ost- und Westdeutschland 1970-2000, Göttingen 2015; Konrad H. Jarausch (Hg.): Das Ende der Zuversicht? Die siebziger Jahre als Geschichte, Göttingen 2008; Henning Türk: Treibstoff der Systeme. Kohle, Erdöl und Atomkraft im geteilten Deutschland, Berlin 2021.


Dr. Ingo Loose

Universität Potsdam
Hauptseminar
: Die Debatte um die Schuld der Deutschen 1945–1955
Tag und Zeit: Montags 16–18 Uhr

Nach der bedingungslosen Kapitulation NS-Deutschlands im Mai 1945 lag Europa in Trümmern, Krieg und Holocaust hatten viele Millionen Todesopfer gefordert, und die Alliierten standen angesichts der nun ans Licht kommenden Massenverbrechen vor der grundsätzlichen Entscheidung, welche Zukunft dieses Land in der Mitte Europas würden haben sollen. Dabei überschnitten sich Fragen und Debatten nach der juristischen Schuld Deutschlands, nach moralischer Verantwortung des/der Einzelnen und nach Faktoren und Voraussetzungen für den Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland und davon ausgehend nach den Chancen einer Demokratisierung der Deutschen.

Ausgehend von Karl Jaspers programmatischer Schrift „Die Schuldfrage“ (1946) und dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess 1945/46 möchte das Seminar die Frage nach Schuld und Verantwortung anhand unterschiedlicher Quellen und Kontexte diskutieren. Neben juristischen Fragen stehen die Positionen der christlichen Kirchen zur Diskussion, Erklärungsansätze der Geschichtswissenschaft, Philosophie und der Sozialpsychologie und nicht zuletzt politische Modelle bis hin zu literarischen und filmischen Versuchen der Aufarbeitung. Je nach Interesse der Studierenden können auch neuere Ansätze ergänzt werden, etwa zur Entwicklung des Völkerrechts von 1945 bis heute, zur Schulddebatte in anderen europäischen Ländern (Stichwort: Kollaboration) oder zur weiteren Entwicklung der deutschen Erinnerung(spolitik).

Literaturhinweise:

Der Nationalsozialismus vor Gericht: Die alliierten Prozesse gegen Kriegsverbrecher und Soldaten 1943–1952. Frankfurt/M. 1999; Karl Jaspers: Die Schuldfrage. Heidelberg 1946 (München 1979); Friedrich Meinecke: Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen. Wiesbaden 1946; Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. München 1996.


PD Dr. Christian Marx

Universität Trier
Übung
: Die dunklen Jahre. Vergangenheitsbewältigung in Westeuropa seit 1945
Zeit: Freitag 10-12 Uhr
Ort: Raum A7
Datum: 28.10.2022 – 10.02.2023

Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust setzte in Deutschland nach 1945 nur zögerlich und gegen große Widerstände ein. Es waren zunächst die Alliierten, die auf eine Entnazifizierung und Demokratisierung der deutschen Gesellschaft setzten. Mit ihrem Vorhaben stießen sie jedoch bald an Grenzen, denn ein rechtlicher Nachweis individueller Schuld war oftmals schwer zu erbringen und die an formellen NS-Mitgliedschaften orientierten Kriterien der Entnazifizierung schufen vielfach neue Ungerechtigkeiten. Nur langsam wandelte sich das kulturelle Gedächtnis in Deutschland. Erst ab Ende der 1980er Jahre, als der Holocaust und das Thema Zwangsarbeit stärker in den Fokus der Öffentlichkeit drangen, machten sich Unternehmen und Behörden an die Aufarbeitung ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit. Auch in anderen westeuropäischen Ländern dauerte es lange, bis das einseitige Narrativ des Widerstands aufgebrochen und Formen der Kollaboration offengelegt wurden. Die Übung bietet eine inhaltliche Vertiefung in die Geschichte der Vergangenheitsbewältigung mit einem Schwerpunkt auf Deutschland und einem vergleichenden Blick auf weitere westeuropäische Länder, in denen die Erinnerung an die 1930er Jahre und den Zweiten Weltkrieg von anderen Erfahrungen geprägt war.

Einführende Literatur: Assmann, Aleida: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, 4. Auflage. München 2021; Cornelißen, Christoph/Klinkhammer, Lutz/Schwentker, Wolfgang (Hg.): Erinnerungskulturen. Deutschland, Italien und Japan seit 1945. Frankfurt/Main 2004; Echternkamp, Jörg/Martens, Stefan (Hg.): Der Zweite Weltkrieg in Europa. Erfahrung und Erinnerung, Paderborn 2007; Frei, Norbert: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. München 1996; Frei, Norbert: 1945 und wir. Das Dritte Reich im Bewusstsein der Deutschen. München 2005; Reichel, Peter: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur von 1945 bis heute, 2. aktualisierte Auflage. München 2007.


Dr. Yuliya von Saal

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Quellenübung
: Tagebuch als Quelle. Erfahrungen von sexualisierter Gewalt im Krieg am Beispiel des Bestsellers Anonyma: „Eine Frau in Berlin“.
Zeit: Freitag 13:00-14:30 Uhr
Beginn: 4.11.2022
Ort: Ü2 (Historisches Seminar), Grabengasse 3-5, Heidelberg
Hybrid: 2 Blocksitzungen (am 4.11.2022 und 2.12.2022) und online

Als das Buch „Eine Frau in Berlin. Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945“ im Jahr 2003 neu erschien und zum Bestseller avancierte, entbrannte in den Feuilletons eine Debatte um den Wert des Tagebuches als Zeitdokument. Damit wurde aber auch die erneute Auseinandersetzung mit dem kontroversen Thema der sexualisierten Gewalt im Krieg, mit Opfer- und Täterrollen in Deutschland geführt.

Diese Übung bringt beide Streitpunkte zusammen. Wir werden uns mit der Frage auseinandersetzen, ob und inwiefern das Tagebuch von Anonyma eine authentische Quelle darstellt, indem wir auszugsweise die in der Sütterlin-Schrift verfassten Originale des Tagebuchs lesen und die Entstehung des Bestsellers im Lichte weiterer Quellen aus dem Nachlass der Autorin rekonstruieren. Zugleich werden wir uns dem Thema von sexualisierter Gewalt im Krieg aus verschiedenen Perspektiven und historischen Kontexten annähern. Dabei wird es um die Deutung historischer Spezifika, Konzepte der Männlichkeit und Weiblichkeit sowie um verschiedene Gewaltformen gehen. Auch Möglichkeiten, Grenzen und Funktionen der Aufarbeitung und Darstellung werden wir diskutieren.

Es handelt sich um eine explizit forschungsorientierte Lehrveranstaltung, die gewisse Vorkenntnisse der Thematik voraussetzt.

Voraussetzung für die Übung ist die vorherige Lektüre des publizierten Tagebuchs (beliebige Ausgabe nach 2003). Anonyma. Eine Frau in Berlin. Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945. Mit einem Nachwort von Kurt W. Marek, München 2008


Prof. Dr. Martina Steber

Universität Augsburg
Übung
: Nachdenken über die Geschichte. Klassiker der Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert
Zeit: Mittwoch, 15.45-17.15 Uhr
Ort: D 2130

Wie schrieben Historikerinnen und Historiker anderer Zeiten Geschichte? Wie begriffen sie, wie sie konzipierten sie, wie erzählten sie die Vergangenheit? Wer waren die Geschichtsschreiber und wenigen -schreiberinnen? Die Übung setzt sich mit klassischen Texten der Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts auseinander. Sie erschließt Erzähltechniken, Theorien, Methoden und Begriffe, fragt nach dem Verhältnis von Geschichtsschreibung und Politik, nach Netzwerken und Schulen, nach prägenden Persönlichkeiten – und setzt so das Nachdenken über die Geschichte selbst in eine historische Perspektive.

Empfohlene Literatur:

  • Fritz Stern und Jürgen Osterhammel (Hg.), Moderne Historiker. Klassische Texte von Voltaire bis zur Gegenwart, München 2011.
  • Lutz Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme, München 2003.
  • Lutz Raphael (Hg.), Klassiker der Geschichtswissenschaft, 2 Bd., München 2006.

Prof. Dr. Martina Steber

Universität Augsburg
Vorlesung
: Geschichte, die noch qualmt. Grundfragen und Grundprobleme der Zeitgeschichte
Zeit: Montag, 11.45-13.15 Uhr
Ort: HS IV

Die Zeitgeschichte sei Geschichte, die noch qualmt – so lautet ein viel zitiertes Bonmot. Aber was bedeutet es für Historikerinnen und Historiker, wenn sie es mit einer Geschichte zu tun bekommen, die bis in die Gegenwart reicht, die in vielen Fällen noch nicht abgeschlossen ist, sprich: deren Ende wir noch nicht kennen? Das ist eine der Grundfragen, die sich der Zeitgeschichte stellt. Die Vorlesung setzt sich mit ihr auseinander, genauso wie mit den anderen Grundfragen und Grundproblemen dieser Disziplin, die die Geschichte des 20. und frühen 21. Jahrhunderts erforscht. Sie führt in die großen Themen ein, wie etwa in Demokratie und Diktatur oder Nation, Europa und Globalität. Darüber hinaus werden unterschiedliche Zugänge zur Zeitgeschichte erläutert und Periodisierungsfragen diskutiert. Es geht also um die Geschichte, die noch qualmt – und den Blick von Historikerinnen und Historikern auf Feuer, glimmende Glut und Rauch.

Empfohlene Literatur:

  • Frank Bösch und Jürgen Danyel (Hg.), Zeitgeschichte. Konzepte und Methoden, Göttingen 2012.
  • Gabriele Metzler, Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, Paderborn – München 2004.
  • Martin Sabrow, Ralph Jessen und Klaus Große Kracht (Hrsg.), Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen nach 1945, München 2003.
  • Martin Sabrow, Zeitgeschichte schreiben. Von der Verständigung über die Vergangenheit in der Gegenwart, Göttingen 2014.
  • Andreas Wirsching (Hg.), Neueste Zeit (Oldenbourg Lehrbuch Geschichte), München 2006.

Dr. Sebastian Voigt

Universität der Bundeswehr, München
Seminar: Antisemitismus und „Judenfrage“ im 19. Jahrhundert
Ort: Online
Zeit: 10. Januar 2023, 15-18 Uhr; 3. Februar, 14-18 Uhr; 4./5. Februar, 10-18 Uhr

Als Zeitalter der Ideologien brachte das lange 19. Jahrhundert den modernen „rassischen“ Antisemitismus hervor.  Im Zuge der sich gründenden Nationalstaaten wurde seit der Französischen Revolution auch die sog. „Judenfrage“ virulent, die sich mit der bürgerlichen Emanzipation der Juden in vielen Ländern stellte.

Im Blockseminar soll der Wandel des christlichen Antijudaismus in den modernen Antisemitismus ideen- und ereignisgeschichtlich nachvollzogen werden.

Beginnend mit der Judenemanzipation während der Französischen Revolution wird die Revolution von 1848 ebenso thematisiert wie antisemitische Hetzschriften und Ideologen des späten 19. Jahrhundert, etwa Edouard Drumont, Wilhelm Marr und Adolf Stöcker.

Darüber hinaus werden entscheidende Ereignisse, beispielsweise der Berliner Antisemitismusstreit von 1879 oder die Dreyfus Affäre 1894 in Paris und die Entstehung des Zionismus, sowie zeitgenössische und aktuelle Antisemitismustheorien behandelt.



© Institut für Zeitgeschichte
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