Elke Seefried, Umweltpolitischer Vorreiter. Die Außenpolitik des vereinten Deutschland und die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992
Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung etablierte sich 1992 das Bild Deutschlands als umweltpolitischer Vorreiter. Elke Seefried zeigt anhand neu zugänglicher Quellen, wie sich Anfang der 1990er Jahre außen-, umwelt- und entwicklungspolitische Selbstverständnisse und Politiken Deutschlands veränderten. Nicht nur Umweltminister Klaus Töpfer (CDU), sondern auch zivilgesellschaftliche Akteure wirkten daran mit, eine Politik nachhaltiger Entwicklung zu einem Markenkern deutscher Politik zu machen. Der schillernde Begriff nachhaltige Entwicklung stand für globales Verantwortungsbewusstsein und multilaterale Verständigung. Zugleich hatte er eine Kompensationsfunktion: Das Bild des umweltpolitischen Vorreiters ermöglichte ein Ausweichen vor der Frage einer deutschen Beteiligung an militärischen Interventionen. Die Rio-Konferenz war damit Motor einer neuen deutschen Rolle in der Weltpolitik.
Oksana Nagornaia, Besetzte Umwelt. Natur und Raum im Ersten Weltkrieg – Galizien und Bukowina
Der Aufsatz untersucht den Zusammenhang von Raum, Umwelt und Krieg am Beispiel der wiederholten Besetzungen (Ost-)Galiziens durch russische Truppen im Ersten Weltkrieg. Von besonderer Bedeutung ist dabei das spannungsvolle Verhältnis zwischen den Bemühungen, die eroberte Region in das Zarenreich zu integrieren, und zugleich den militärischen Notwendigkeiten des Kriegsgeschehens Rechnung zu tragen. Dabei wurde die Umwelt unter den Bedingungen des industriellen Kriegs zwangsläufig militarisiert: Man holzte die Wälder ab und überflutete die Flusstäler aus operativen Überlegungen heraus; dazu kam die Verseuchung der Böden durch Kampfstoffe, Leichen und Kadaver. Die Angst vor Epidemien führte rasch zu einer Medikalisierung des Okkupationsregimes; dabei blieb eine Radikalisierung der Besatzungspraxis bis zu einer Politik der verbrannten Erde nicht aus.
Nikolas Dörr, Von Clinton lernen? Die Rezeption der US-amerikanischen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Hartz IV und die Agenda 2010 haben die deutsche Sozialpolitik verändert und eine zwei Jahrzehnte andauernde Debatte über Gerechtigkeit ausgelöst. Der Aufsatz untersucht den Einfluss des US-amerikanischen Workfare-Ansatzes während der Präsidentschaft von Bill Clinton (1992–2000) auf die Herausbildung und Entwicklung des neuen Paradigmas des aktivierenden Sozialstaats in der SPD. Nikolas Dörr zeigt, dass Clintons Wahlerfolge und Arbeitsmarktbilanz eine Vorbildwirkung für Mitte-Links-Parteien in Europa entfalteten, die sich schließlich im von Clinton und dem britischen Premier Tony Blair prominent propagierten Third Way widerspiegelte. Insbesondere Gerhard Schröder und Bodo Hombach forderten eine Orientierung am US-Beispiel, was in der SPD zu innerparteilichen Streitigkeiten führte. Auch wenn es letztlich nur zu wenigen konkreten Transfers kam, argumentiert der Beitrag, dass die Philosophie des aktivierenden Sozialstaats durch Clintons Sozialpolitik beeinflusst wurde.
Margit Szöllösi-Janze, Zur Geschichte eines allgegenwärtigen Begriffs – Thesen zu den Herausforderungen einer modernen Zeitgeschichte
Die Dokumentation präsentiert zentrale Ausschnitte aus den Erinnerungen des KGB-Agenten Bogdan Staschinski, die im Archiv des Bundesnachrichtendiensts verwahrt werden. Staschinski war ein begabter, aber innerlich zerrissener Attentäter, der wegen seiner Mordanschläge auf die Anführer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) Lew Rebet und Stepan Bandera in die Geschichte der Geheimdienste und des Kalten Kriegs einging. In seinen Aufzeichnungen, die er nach seiner selbst gewollten Verhaftung verfasste, berichtete er – um milde Richter zu finden –, was ihn dazu bewog, sich dem KGB anzuschließen, den nationalistischen Untergrund in der Westukraine erfolgreich zu infiltrieren, Anführer der OUN in München zu ermorden und anschließend dem wohl brutalsten Geheimdienst schlechthin den Rücken zu kehren.
Rainer Volk, „Ein ziemlich starkes Stück“. Klaus Harpprechts ungedruckter Essay zum 25. Jahrestag des 20. Juli 1944
Im März 1969 bestellte eine Ad-hoc-Initiative prominenter Persönlichkeiten bei Klaus Harpprecht einen Essay zum 25. Jahrestag des 20. Juli 1944. Ziel war es, in der breiteren Öffentlichkeit eine Debatte über den Widerstand gegen Hitler anzustoßen. Der Text des bekannten Publizisten erwies sich als sprachlich, historisch und politisch prägnant. Er verknüpfte aktuelle Themen wie die Studentenrevolte und die deutsche Teilung mit dem Spektrum der Absichten und Charaktere des versuchten Staatsstreichs gegen Hitler. Doch gelang es den Initiatoren des Projekts nicht, die Skepsis der Überlebenden und Nachfahren des militärischen Widerstands zu überwinden; der Essay blieb daher ungedruckt. Rainer Volk analysiert Entstehung und Scheitern von Harpprechts Text und ordnet diesen in den zeithistorischen Kontext ein.