Katharina Stengel, Eine jüdische Stimme vor Gericht. Internationale jüdische Organisationen und die Etablierung der Nebenklage in NS-Prozessen
Die Einflussmöglichkeiten von Opfern der nationalsozialistischen Terrorherrschaft in den bundesdeutschen Strafverfahren gegen NS-Verbrecher waren sehr begrenzt, denn als Zeuginnen und Zeugen hatten sie den streng formalisierten Anforderungen der Strafjustiz zu entsprechen. Seit den 1950er Jahren versuchten jüdische Organisationen daher, über Nebenklagen in den Prozessen mehr Einfluss zu gewinnen und eigene Forderungen deutlich zu artikulieren. Katharina Stengel zeichnet die teils kontroversen Diskussionen innerhalb der internationalen jüdischen Organisationen nach, untersucht die Bedeutung der Nebenklage im Frankfurter Auschwitz-Prozess und einigen anderen NS-Verfahren und geht auf die wichtige, aber kaum bekannte Mithilfe der jüdischen Organisationen bei der Vorbereitung der Prozesse ein.
Conrad Lay, Ein NS-Ideologe als „besonderer Glücksfall“. Die langen Kontinuitäten des Karl Epting
Karl Epting war einer der wichtigsten Köpfe der intellektuellen Kollaboration im besetzten Paris der Jahre 1940 bis 1944. Wie der mit ihm befreundete Botschafter Otto Abetz so verwandelte sich der als graue Eminenz der deutsch-französischen Kulturbeziehungen geltende Epting von einem scheinbar harmlosen Frankreich-Enthusiasten in einen rassistischen NS-Ideologen. Eptings Leben kennzeichnete eine doppelte Kontinuität: zunächst die Integration eines pietistischen Missionarssohns in das NS-Regime und anschließend die mühelose Integration eines überzeugten Nationalsozialisten und aggressiven Antisemiten in die Nachkriegsgesellschaft. In den 1960er Jahren galt der inzwischen zum Direktor eines humanistischen Gymnasiums avancierte Epting sogar als „besonderer Glücksfall“.
Robert Wolff, Blinde Flecken, Erzählungen, Mythen. Neue Perspektiven auf die Flugzeugentführung nach Entebbe 1976
Die Flugzeugentführung nach Entebbe im Sommer 1976 wird häufig neben dem versuchten Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in West-Berlin am 9. November 1969 als die schlimmste antisemitische Gewalttat des bundesdeutschen Linksterrorismus gewertet. Robert Wolff vertritt die These, dass es einer kritischen Überprüfung des Themenkomplexes Entebbe unter Berücksichtigung von bisher nicht beachteten, jedoch für das Gesamtverständnis der Ereignisse wichtigen Perspektiven und Quellen bedarf. Dazu analysiert er auf der Basis weitgehend unbekannter Dokumente die Vorgeschichte der Flugzeugentführung sowie die Ereignisse in Entebbe zwischen dem 27. Juni und dem 4. Juli 1976.
Craig Griffiths, „Schwul gleich links?“ Konservative Strömungen in der Schwulenbewegung in Westdeutschland und den USA in den 1970er Jahren
Die Geschichte schwuler Befreiung in den 1970er Jahren ist bisher hauptsächlich aus dem Blickwinkel radikaler oder links-alternativer Aktivisten erzählt worden, mit einem Fokus auf Gruppen wie der Gay Liberation Front in New York oder der Homosexuellen Aktion Westberlin. Um dieses Narrativ zu differenzieren, analysiert der Autor Kulturen des Konservativen in der Schwulenbewegung der 1970er Jahre durch einen Vergleich der Bundesrepublik mit den USA. Craig Griffiths beleuchtet Diskurse über Verantwortung und Vorsicht näher und konzentriert sich darauf, dass es schwule Männer gab, die sich als normal und vernünftig charakterisierten. Sie lehnten Konfrontation oder Extravaganz ab, und schon darin zeigt sich, dass Begriffe wie Befreiung, Emanzipation oder sogar gay power keine festen Bedeutungen hatten – schon gar nicht solche, die ausschließlich radikal oder konservativ gewesen wären.
Maximilian Kutzner, Das Institut für Zeitgeschichte und die Affäre um die gefälschten Hitler-Tagebücher 1982/83
Die Veröffentlichung der gefälschten Hitler-Tagebücher im April 1983 löste unter den bundesdeutschen Historikern erregte Diskussionen aus. Konnten die Tagebücher überhaupt echt sein? Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) war bereits vor ihrer Veröffentlichung in Kontakt mit maßgeblichen Akteuren des späteren Skandals. In der Phase zwischen der Ankündigung des Funds und der Entlarvung als Fälschung spielten sich vielschichtige Prozesse der Selbstverortung in der Institutsleitung ab. Die Dokumente aus dem IfZ-Archiv zeigen, dass die gefälschten Tagebücher auch ein Prüfstein für die gesellschaftliche Rolle der Zeitgeschichte und ihrer maßgeblichen Vertreter waren.