Frank Grelka, Wo Arbeit kein Weg war. Judenräte und Zwangsarbeit in den Städten des Generalgouvernements 1939 bis 1941
Zwar ist die nationalsozialistische Judenverfolgung wiederholt als Geschichte des Raubs beschrieben worden, jedoch sind die konkreten Praktiken der Zwangsarbeitswirtschaft bislang nur ansatzweise erforscht. Frank Grelka geht davon aus, dass die Arbeits- und Finanzpolitik der Regierung des Generalgouvernements keiner ökonomischen Rationalität folgte, sondern dass sie am Beginn des Holocaust in Polen stand. Dazu analysiert er am Fallbeispiel Częstochowa und im Vergleich zu Warschau und Lublin, wie die dortigen Judenräte mit den schwindenden Ressourcen ihrer Gemeinden versuchten, der Verfolgung durch lebensgefährliche Zwangsarbeit zu widerstehen. Sie rekrutierten in der Regel nur die bedürftigsten Gemeindemitglieder für die deutschen Zwangsarbeitslager, und es ging ihnen gerade nicht darum, für Beschäftigung zu sorgen, um so Leben zu retten.
Andreas Brämer, Tierschutzrecht und religiöse Schlachtpraxis. Schächten als umstrittenes Ritual in der Bundesrepublik Deutschland
Der Aufsatz wendet seine Aufmerksamkeit den Diskussionen zu, die in Westdeutschland nach 1945 um die jüdische Schlachtpraxis geführt worden sind. Untersucht wird insbesondere eine Phase der Geschichte Westdeutschlands, in der sich der Streit über die Betäubungspflicht warmblütiger Tiere nahezu ausschließlich an der Glaubenspraxis der nur etwa 20.000 bis 25.000 Menschen umfassenden jüdischen Gemeinschaft entzündete. Wenn der Autor dabei die unterschiedlichen Akteure in den Blick nimmt, die sich für und gegen die Koscherschlachtung aussprachen, schenkt er jüdischen Positionen besondere Aufmerksamkeit. Es geht also darum, nicht nur Einstellungen in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft zu deuten, sondern zugleich jüdische Handlungsspielräume auszuloten.
Jonathan Schilling, Mehr als Heimatfilm. Ruth Leuwerik, „Die Trapp-Familie“ und der Publikumsgeschmack der Adenauer-Zeit
Anhand bisher unbearbeiteter Quellen beleuchtet der Autor die Vorlieben des Kinopublikums der 1950er Jahre. Im Mittelpunkt stehen dabei Ruth Leuwerik als die beliebteste Schauspielerin und „Die Trapp-Familie“ als der meistgesehene Film dieser Zeit. Dass hingegen der sogenannte Heimatfilm – wie es ein verbreitetes Vorurteil will – das populärste Genre jener Jahre gewesen sein soll, muss anhand der Befunde relativiert werden. Jonathan Schilling zeigt, dass dieses Klischee auch auf die linke Filmpublizistik der 1950er und 1960er Jahre zurückgeht, die ein Zerrbild des Heimatfilms als Kulisse für ihre Polemik benutzte. Ein differenzierter Blick auf das Thema ist geeignet, den Film der 1950er Jahre in neuem Licht zu sehen.
Moritz Fischer, Die Neue Rechte im letzten Jahrzehnt der Bonner Republik. Armin Mohler, Franz Schönhuber, Hellmut Diwald und die Gründung des „Deutschlandrats“ 1983
Der 1983 gegründete „Deutschlandrat“ stellt in der Geschichte der Bundesrepublik einen der bedeutendsten Versuche der Neuen Rechten dar, sich zu organisieren und eine gemeinsame Gesprächsplattform zu bilden. Ihm gehörten unter anderem Armin Mohler, Hellmut Diwald und Franz Schönhuber an, die große Hoffnung in das Vorhaben setzten. Der Aufsatz wirft einen Blick hinter die Kulissen dieses Projekts und ordnet es in die Geschichte der Neuen Rechten in der Bonner Republik ein. Dabei zeigt sich, dass der „Deutschlandrat“ ein Projekt war, wieder Einfluss auf den bundesdeutschen Konservatismus zu gewinnen, der sich in den 1970er Jahren liberalisiert hatte. Der Versuch, der Marginalisierung neurechter Positionen im Kontext der bundesdeutschen Identitätsdebatte entgegenzuwirken, scheiterte letztlich. Resigniert und enttäuscht wandten sich unter anderem Mohler und Diwald daher der Parteipolitik zu und engagierten sich für das Unternehmen ihres Freunds Schönhuber, der mit den 1983 gegründeten Republikanern neurechte Ideologie in praktische Politik verwandeln wollte.
Andrea Löw, Die „Hölle“ bezeugen. Frühe Berichte überlebender deutscher Jüdinnen und Juden aus Riga
Im Herbst 1941 begann die systematische Deportation der deutschen Jüdinnen und Juden „nach Osten“. Einer der Zielorte war Riga; zwischen dem 27. November 1941 und dem 6. Februar 1942 fuhren zwanzig Transporte mit insgesamt etwa 20.000 Menschen zum Güterbahnhof Riga-Skirotava. Die Insassen des ersten Transports aus Berlin erschossen SS- und Polizeikräfte direkt nach der Ankunft, die Menschen in den folgenden Zügen gelangten an verschiedene Orte in und bei Riga: das Lager Jungfernhof, das Getto von Riga und das Lager Salaspils. Unmittelbar nach dem Krieg zeichneten manche Überlebende auf, wie sie nach der Deportation an Orten überlebt hatten, die sie zuweilen als „die Hölle“ bezeichneten. Einige dieser Zeugnisse sind hier dokumentiert.