Forschungsprojekt über NS-„Vorbehaltsfilme“ gestartet

Institut für Zeitgeschichte und Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung vereinbaren enge Zusammenarbeit

Das Institut für Zeitgeschichte München−Berlin (IfZ) hat mit der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung (FWMS) in Wiesbaden eine privilegierte Kooperationspartnerschaft geschlossen, um den hohen wissenschaftlichen und auch gesellschaftlichen Stellenwert des Filmerbes als zeithistorische Quelle und nationales Kulturgut sichtbarer zu machen. Die FWMS unterstützt mit ihrem reichhaltigen Bestand an Filmen und Dokumenten die IfZ-Forschung über Spielfilme im Nationalsozialismus, aktuell ein von Johannes Hürter begonnenes Projekt über die sogenannten Vorbehaltsfilme.

Die Vorbehaltsfilme bilden gewissermaßen die Giftkammer des NS-Films, in der sich etwa der antisemitische Hetzfilm „Jud Süß“ oder der die Euthanasiemorde rechtfertigende Spielfilm „Ich klage an“ befinden. Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung hat 44 nationalsozialistische Propagandafilme aus ihrem Bestand als besonders rassistisch, antisemitisch, volksverhetzend oder kriegsverherrlichend eingestuft und deshalb nicht für den Vertrieb freigegeben. Die sogenannten Vorbehaltsfilme können bislang nur begleitet vorgeführt werden, d.h. mit einer Einführung und einer anschließenden Diskussion. Teil der künftigen Kooperationspartnerschaft wird auch eine Beratung durch das IfZ hinsichtlich eines künftigen Umgangs mit NS-Filmen sein.


Einzigartiger Bestand aus den Anfängen des deutschen Films


Prof. Dr. Johannes Hürter, Leiter der Forschungsabteilung München des IfZ: „Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung besitzt einen einzigartigen Filmstock deutscher Spielfilme von den Anfängen bis in die 1960er Jahre, der weit über die Vorbehaltsfilme hinaus geht. Film- und zeithistorisch von herausragender Bedeutung ist der Bestand der vier wichtigsten Produktionsfirmen Ufa, Terra, Tobis und Bavaria aus den Jahren 1933 bis 1945, annähernd 700 Spielfilme. Wir sind sehr froh darüber, dass uns die enge Partnerschaft mit der FWMS und der direkte Zugang zu ihrem Film- und Dokumentenmaterial erheblich erleichtern wird, Spielfilme des Nationalsozialismus als höchst aussagekräftige audiovisuelle Quelle für die zeithistorische Forschung zu erschließen, zu analysieren und einzuordnen. Ziel ist, viel stärker als bisher die Erkenntnispotenziale von Spielfilmen für die Kultur- und Gesellschaftsgeschichte der NS-Diktatur zu nutzen.“

Wie künftig mit den NS-Propagandafilmen umgehen?


Christiane von Wahlert, Vorstand Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden: „Wir freuen uns sehr über die Kooperation mit dem Institut für Zeitgeschichte. Wenn Historiker und Historikerinnen sich mit dem Film des Nationalsozialismus beschäftigen, sind außerordentlich interessante Erkenntnisse zu erwarten. Prof. Dr. Johannes Hürter wird sich mit den 44 ‚Vorbehaltsfilmen‘ aus dem Bestand der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung befassen. Sie gelten bislang als die ‚propagandistische Spitze‘ der umfangreichen NS-Spielfilmproduktion (von insgesamt 1.094 Filmen) zwischen 1933 und 1945. Wir erwarten aus der intensiven Beschäftigung mit diesen Filmen eine zeitgemäße und wissenschaftlich fundierte Reflektion, wie künftig mit diesen Filmen umgegangen werden soll, insbesondere wie sie in Bildungsmaßnahmen zu Demokratieerziehung eingesetzt werden können.“



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