Vom Wert der Zeitgeschichte

1949 – und damit vor 75 Jahren – nahm das Institut für Zeitgeschichte seine Arbeit auf. Es kann auf eine beachtliche Entwicklung zurückblicken: Vom Anfang mit zwei Angestellten und einer Halbtagsschreibkraft in einer Wohnung mit acht Räumen hat es sich zu einem international renommierten Forschungszentrum mit Standorten in München, Berlin und Berchtesgaden entwickelt, das die gesamte deutsche Geschichte vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Gegenwart bearbeitet. 

Mit einem Festakt hat das IfZ nun seinen 75. Geburtstag gefeiert. Gekommen sind Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Kultur und Gesellschaft, um gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses auf wichtige Etappen und Wegmarken zurückzublicken und dem Institut alles Gute für die kommenden Jahre zu wünschen.

Direktor Andreas Wirsching verwies auf die Bedeutung der Geschichte, die sich nach den Worten des indischen Philosophen Tagore von hinten an den Menschen klammere. Es sei daher "ein weitblickendes Projekt“ gewesen, 1949 das “Deutsche Institut für Geschichte der nationalsozialistischen Zeit” zu gründen und arbeitsfähig zu machen. Seitdem habe das spätere IfZ seine Forschungsagenda beständig erweitert und internationalisiert. Wie wichtig dabei ein aufklärerisches Verständnis von Geschichte sei, zeige sich an den aktuellen Krisenherden in Osteuropa und im Nahen Osten: “Keine Politik der Gegenwart lässt sich ohne Kenntnisse der Geschichte verstehen.” Zeitgeschichtliche Forschung habe keine antiquarische Funktion, die bloß Daten und Fakten bereitstelle: "Vielmehr dekonstruiert sie all jene wohlfeil-einfachen Deutungsmuster und mündlich tradierten Legenden, mit denen sich Ansprüche auf moralische Überlegenheit oder sogar politische Unterdrückung legitimieren lassen.” 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sandte eine Video-Botschaft aus Schloss Bellevue. Dass das IfZ genau so alt sei wie das Grundgesetz, sei „kein Zufall“, sagt er: „Die Gründung Ihres Instituts war wie das Grundgesetz eine Antwort auf die Barbarei des Nationalsozialismus, auf die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden. Und beide sind bis heute dem Nie wieder! verpflichtet.“ Er würdigte die Forschung des Instituts: „Die Arbeit des IfZ hat durch die Erkenntnis des Unrechts den schwierigen Prozess der Selbstbefreiung der Deutschen vom Nationalsozialismus und vom SED-Regime begleitet, befördert und gestärkt.“

Markus Blume, der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, bescheinigte dem IfZ in seinem Grußwort, „zum Gründungsinventar der Republik zu gehören“: „Das Institut hat selbst schon 75 Jahre Geschichte geschrieben und ist von einem Institut zu einer Institution geworden. Heute ist das IfZ wissenschaftliche Einrichtung von Weltruf und gleichzeitig Hüterin von Demokratie und Freiheit - ein wahrlich zeitloser Auftrag auch für die nächsten 75 Jahre“. Auch würdigte er die „immer aktive Rolle in der Vermittlung“ und nannte als „herausragendes Beispiel“ die Dokumentation Obersalzberg, der es gelungen sei, „einen Sehnsuchtsort von Rechtsradikalen zu einem Bildungs- und Erinnerungsort zu transformieren“.  

Auch die Präsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, Martina Brockmeier, überbrachte dem IfZ Glückwünsche. „Das IfZ ist mit seinen Anliegen bestens in der Leibniz-Gemeinschaft aufgehoben und wir freuen uns, es in unserer Mitte zu wissen.“ Sie verwies auf die besondere Bedeutung geschichtswissenschaftlicher Forschung „gerade vor dem Hintergrund geschichtsfeindlicher und – klitternder Kräfte“. Die Projekte des IfZ adressierten wichtige Themen, deren Bedeutung weit über das Interesse der Geschichtswissenschaft hinausgingen. Zugleich hob sie den Beitrag des IfZ zur interdisziplinären Zusammenarbeit hervor: „Nur mit Ihrer Hilfe gelingt eine enge und gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften und Lebens- und Naturwissenschaft. Sie gelingt nur dann, wenn man wie am IfZ herausragende geisteswissenschaftliche Forschung betreibt.“

Jürgen Kaube, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die in diesem Jahr ebenfalls ihren 75. Geburtstag feiert, hielt die Festrede. Darin widmete er sich dem Begriff der Zeitgeschichte. Dieser sei so paradox, dass es lohnenswert sei, ihm theoretisch auf den Grund zu gehen, so sein Plädoyer. Für eine gelungene musikalische Umrahmung sorgte der Chor Canzone 11. Und ein Zusammenschnitt alter Fernsehbeiträge über das IfZ nahm die Anwesenden mit auf eine Zeitreise von den Anfangsjahren des Instituts bis hinein in die Gegenwart.

Mehr zur Geschichte des IfZ:

75jahre.ifz-muenchen.de



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