Ist das Geschichte oder kann das weg?

Familienerinnerungen aus dem Nationalsozialismus aufarbeiten und bewahren

Verstaubte Briefe, vergilbte Akten – wie nähert man sich derartigen Hinterlassenschaften aus dem Leben der Eltern und Großeltern? Die Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus ist wegen des Generationswechsels ein viel diskutiertes Thema in Wissenschaft, Literatur und Gesellschaft. Gemeinsam mit dem Literaturhaus München hat das Institut für Zeitgeschichte deshalb am 22. Juni ein Forum für alle geboten, die sich selbst ihrer Familiengeschichte nähern wollen.

Den Auftakt bildete ein Podium mit den Autorinnen Wibke Bruhns („Meines Vaters Land“) und Alexandra Senfft („Schweigen tut weh“ und „Der lange Schatten der Täter“), die sich literarisch auf die Spur ihrer Familien in der NS-Zeit begeben haben. Moderiert wurde die Runde von Spiegel-Redakteur Martin Doerry, der selbst ein bewegendes Buch über die Geschichte seiner Großmutter verfasst hat („Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn 1900–1944“). Vor knapp 200 Besucherinnen und Besuchern berichteten die drei von ihren persönlichen Erfahrungen. Raum für Austausch und Information bot schließlich der anschließende Empfang im Foyer des Literaturhauses: Expertinnen und Experten aus dem Archiv des Instituts für Zeitgeschichte standen für vielfältige Fragen und Anliegen aus dem Publikum zur Verfügung.

Denn wie auch der Abend wieder bestätigt hat: Viele Familien bewahren solche Dokumente über Jahrzehnte auf. Sie werden in Schuhschachteln, Koffern und Kisten auf Dachböden oder im Keller gelagert und irgendwann an die Kinder und Enkel weitergegeben. In solchen Nachlässen finden interessierte Nachfahren wichtige Informationen über die eigenen Eltern und Großeltern. Doch auch über den Kreis der unmittelbaren Nachfahren hinaus sind derartige Funde für den gesellschaftlichen Diskurs über den Nationalsozialismus ein wichtiger Impuls: Denn jenseits der eigenen Spurensuche oder der literarischen Verarbeitung der Familiengeschichte ist die Bewahrung und Auswertung von privaten Nachlässen auch für die zeitgeschichtliche Forschung und die geschichtliche Selbstvergewisserung unserer Gesellschaft von großer Bedeutung.

Private Lebensdokumente als historische Quellen

Familiennachlässe sind wichtige Quellen: In Tagebüchern, Fotoalben, privater Korrespondenz, Manuskripten und Kalendern lassen sich die privaten Lebensgeschichten der Verfasserinnen und Verfasser nachvollziehen. Die Unterlagen von Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft geben Einblick in Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse, die sich aus den amtlichen Akten nicht immer vollständig erschließen.

Aber auch die Lebensdokumente von Menschen, die nicht im Rampenlicht standen sind interessante Quellen, die verdeutlichen, wie historische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen wahrgenommen wurden und welche Auswirkungen sie auf das Private hatten. Nachlässe ergänzen also die offiziellen staatlichen Akten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zum Beispiel aus der Geschichts- oder Politikwissenschaft, Journalistinnen und Journalisten, Familien- und Heimatforscherinnen und -forscher sowie andere Interessierte nutzen Nachlässe als Quellen für wissenschaftliche Studien, Biografien, Editionen,  Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Ausstellungen und filmische Dokumentationen.

Wie können wissenschaftliche Archive helfen?

Um eine dauerhafte Bewahrung der Familienunterlagen sicherzustellen und sie gegebenenfalls auch für die Forschung zugänglich zu machen, wenden sich Nachfahren manchmal an Archive oder andere Gedächtnisinstitutionen. Durch die Übergabe an ein Archiv werden die Unterlagen Teil des kulturellen Gedächtnisses unserer Gesellschaft.

Im Archiv wird der Nachlass geordnet und erschlossen. In welche Institution ein Nachlass am besten passt, hängt zum Beispiel davon ab, welcher Berufsgruppe der Nachlasser angehörte und ob er national, regional oder lokal gewirkt hat. Auch wenn ein Archiv einen Nachlass nicht selbst übernehmen kann geben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne Hinweise, an welche anderen Einrichtungen sich potentielle Nachlassgeber wenden können.

Weiterführende Informationen haben wir für Sie in zwei Faltblättern zum Download vorbereitet:

 

Weitere Informationen erteilt auch das Archiv des Instituts für Zeitgeschichte:
Zum Archivangebot des Instituts für Zeitgeschichte

Kontakt zum Archiv des IfZ:
archiv[at]ifz-muenchen.de

Telefonische Beratung:
Montag, Mittwoch, Freitag 9 – 12:30 Uhr
089/12688-113

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