1. Sie sind die erste Historikerin, die die Geschichte der NPD aus einer bewusst weiblichen Perspektive betrachtet und die Akteurinnen in den Mittelpunkt stellt. Was denken Sie: Hat es eine Frau gebraucht, um diese Fragen zu stellen?
Fairerweise muss man sagen, dass sich vor mir schon etliche Forschende aus der Sozial- und Politikwissenschaft mit dem Thema „Frauen bzw. Gender und extreme Rechte“ auseinandergesetzt haben. Auch Historikerinnen haben schon vor Jahrzehnten die Rolle von Frauen im Nationalsozialismus aufgearbeitet. Was bisher aber fehlte, war eine systematische Betrachtung der Geschichte des politischen Nationalismus nach 1945 aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive. Hier setzt mein Buch zu den NPD-Frauen an. Dass ich selber eine Frau bin, ist wahrscheinlich auch kein Zufall. Traditionell gesehen war die Frauen- und Geschlechtergeschichte immer weiblich dominiert, die historische Rechtsextremismusforschung hingegen eher männlich geprägt. Dies ändert sich im Moment aber gewaltig, das Forschungsfeld wird diverser.
2. Haben Frauen in der extremen Rechten andere Aufgaben übernommen als Männer oder ist das stereotypes Denken?
So verschieden waren die Aufgaben bei erster Betrachtung nicht. Die Parteifrauen haben sich seit der Gründung 1964 wie die Männer im Parteileben eingebracht. Sie haben die Parteistrukturen mitaufgebaut, Presse- und Propagandaarbeit geleistet, als Parteifunktionärinnen oder Sekretärinnen Leitungs- oder Verwaltungsaufgaben übernommen; als Parlamentarierinnen propagierten sie darüber hinaus die nationaldemokratischen Inhalte in den Landtagen der Bundesrepublik. Nur bildeten sie eine kleine Minderheit und waren sie in ihren Tätigkeiten, vor allem in den frühen Jahren, oft diskreter als die Parteimänner, die eine zu große Frauenpräsenz in ihren Rängen nicht dulden wollten, jene sogar als schädlich empfanden. Ein wesentlicher Unterschied bestand zudem darin, dass Frauen wegen ihrer vermeintlich „natürlichen Expertise“ meist dem sogenannten „Frauenbereich“, d.h. der Mutterschaft und Familie, zugeordnet wurden und sich zu anderen Themen einfach nicht äußern durften – und das entsprach natürlich den stereotypen Denkkategorien, die in der extremen Rechten in Sachen Geschlechterfrage im Übrigen immer noch vorherrschen.
3. Rechte Politik gilt als antifeministisch. Sie beschreiben, dass das Agieren der Frauen in der NPD immer auch ein Ringen um weibliche Handlungsmacht in einer männlich dominierten Welt war – handelte es sich dabei also um ganz praktischen Feminismus von rechts?
Das ist eine spannende Frage! Einen Feminismus von rechts kann es meines Erachtens nicht geben. Rechte Politik ist tatsächlich per se antifeministisch – ihr ging es nie darum, Missstände, Ungleichheiten oder Diskriminierungen von Frauen zu benennen bzw. zu überwinden und Frauen gesamtgesellschaftlich besser zu stellen. Seit den 1970er Jahren stellen sich die Nationaldemokratinnen dementsprechend auch an die Speerspitze eines dezidiert reaktionären Antifeminismus, eben weil sie die Ideen des politischen Feminismus nicht teilen, dessen Errungenschaften rückgängig machen wollen und Gleichstellungspolitiken allgemein ablehnen. Interessant ist zugleich aber der Umstand, dass rechte Frauen schon immer mehr oder weniger offen Kritik an der Misogynie ihrer männlichen Mitstreiter äußerten. Sie kämpften um Anerkennung und Legitimität in ihrem eigenen weltanschaulichen Milieu. Teilweise entwickelten sie zur Stärkung ihres Standpunkts Selbstbehauptungsdiskurse und -praktiken, schufen in Anlehnung an die Feministinnen spezifische Frauenräume, -gruppen und -organisationen. Es mag paradox klingen, aber ihre Forderungen konnten zugleich antifeministisch und antisexistisch sein.
4. Wie darf man sich Ihre Arbeit zu diesem Thema konkret vorstellen? Die NPD wird Sie vermutlich nicht fröhlich in ihrem Hausarchiv begrüßt haben…
Allerdings! Die Suche nach den Quellen ist in der Forschung zu diesem Themengebiet immer besonders schwierig. Die NPD besitzt, soweit ich weiß, kein Parteiarchiv, jedenfalls werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort wahrlich nicht mit offenen Armen empfangen. Mit etwas Geduld findet man aber auch andernorts Quellen und Materialien; für meine Recherche bin ich mehrmals quer durch Deutschland gereist und bin insbesondere in öffentlichen Archiven, also in Landes- und Parlamentsarchiven, beim IfZ und der Stasi-Unterlagenbehörde fündig geworden. Sehr hilfreich war beispielsweise auch das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin. Mit Blick auf die jüngere Vergangenheit waren digitalisierte Quellen, zum Beispiel über einschlägige Internet-Seiten und soziale Netzwerke, relativ einfach aufzutreiben.
5. …nicht die einzige Herausforderung: Ihre Betrachtung reicht bis in die unmittelbare Gegenwart, da trauen sich nicht viele in der Geschichtswissenschaft heran. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Natürlich fehlt uns in der Gegenwartsanalyse die nötige historische Distanz. Ich hätte die Studie tatsächlich 1990 abschließen können: Mit dem Mauerfall, der deutschen Einheit und dem Ende des Kalten Krieges geht auch für den politischen Nationalismus ein wesentliches Kapitel zu Ende. Doch wäre es für mich sehr frustrierend gewesen, an dem Punkt aufzuhören, weil sich danach in der NPD auch in Geschlechterhinsicht noch so viel tut. Beispielsweise lässt sich nach der „Wende“ parteiintern ein klarer Feminisierungsschub ausmachen, gleichzeitig findet die neonazistische Subkultur Eingang in die Parteikultur, 2006 wird außerdem der „Ring Nationaler Frauen“ als erste NPD-Frauenorganisation gegründet, ab 2013 bekommt die NPD darüber hinaus noch Konkurrenz von der AfD – all diese Transformationen wollte ich in größere historische Zusammenhänge einbetten und hinterfragen. Dabei wollte ich aber auch zeigen, dass das Engagement von Frauen in der extremen Rechten, wie es manchmal in sehr gegenwartsbezogenen Studien fälschlicherweise heißt, eben nicht neuartig ist, sondern dass sich dieser weibliche Aktivismus in eine bestimmte historische Kontinuität einschreibt und Teil einer Geschichte ist, die spätestens im Nationalsozialismus ihren Anfang nimmt.
Valérie Dubslaff ist Associate Professor (Maîtresse de Conférences) an der Université Rennes 2. Ihre Dissertation entstand im Cotutelle-Verfahren an der Sorbonne Université (Hélène Miard-Delacroix) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (Andreas Wirsching).