Kerstin Schwenke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Holocaust-Studien des Instituts für Zeitgeschichte, hat für ihre Dissertation über Besuche in nationalsozialistischen Konzentrationslagern zwischen 1933 und 1945 den Michael-Doeberl-Preis 2021 erhalten. Die Auszeichnung wird von der Gesellschaft der Münchner Landeshistoriker jedes Jahr für herausragende, am Institut für Bayerische Geschichte der LMU München entstandene Abschlussarbeiten vergeben.
Kerstin Schwenke hat in ihrer Studie, die unter dem Titel „Öffentlichkeit und Inszenierung - Besuche in nationalsozialistischen Konzentrationslagern zwischen 1933 und 1945“ publiziert wurde, die Besuchspraxis in nationalsozialistischen Konzentrationslagern untersucht. Anders als nach 1945 oft dargestellt, waren diese keine hermetisch von der Außenwelt abgeschirmten Orte. Immer wieder wollte oder musste die SS die Tore für Außenstehende öffnen. Bei den Besuchergruppen ist eine große Bandbreite an Akteuren auszumachen, darunter in- und ausländische Journalisten, NS- und SS-Größen, Künstlerinnen und Künstler, Wirtschaftsvertreter, internationale Hilfsorganisationen, Angehörige der Häftlinge und Vertreter ideologisch verwandter, aber auch demokratischer Staaten.
Die Studie gibt einen Überblick über die verschiedenen Besuchergruppen, die im Blick der Öffentlichkeit stehenden Lager und die Motive der SS sowie der Besucherinnen und Besucher. Auf der Basis von Aufzeichnungen ehemaliger Häftlinge, zeitgenössischen Zeitungsartikeln und Berichten der Besuchergruppen, Akten der SS sowie Beständen der juristischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen werden die historischen Geschehnisse nachgezeichnet und analysiert. Die Untersuchung richtet dabei ihren Schwerpunkt auf Visiten in den Lagern, die vor Kriegsbeginn entstanden sind, bezieht aber auch Beispiele aus Auschwitz mit ein. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Präsentationsstrategien der SS und der Wahrnehmung der Orte durch diejenigen, die nur eine Momentaufnahme des Lebens im Konzentrationslager zu sehen bekamen. Die Besuche stellten immer eine Inszenierung dar, die je nach dem Hintergrund der Gäste unterschiedliche Teilaspekte der Lagerrealität zeigte.
Kerstin Schwenke hat Geschichte, Germanistik und Erziehungswissenschaften in München und Salamanca studiert. Nach dem Referendariat für Lehramt Gymnasium und beruflichen Stationen an der KZ-Gedenkstätte Dachau und am NS-Dokumentationszentrum München ist sie seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Holocaust-Studien des IfZ. Betreut durch Ferdinand Kramer (LMU München) und Nikolaus Wachsmann (Birkbeck College, University of London) schloss sie dort ihr Promotionsprojekt mit summa cum laude ab.
Die Preisverleihung fand am 26. Juli im Rahmen der hybriden Jahresversammlung der Gesellschaft der Münchner Landeshistoriker im Institut für Bayerische Geschichte statt. Neben Kerstin Schwenke wurden auch Larissa Wagner und Michael Hetz ausgezeichnet.