Institut für Zeitgeschichte und Zentrum für Zeithistorische Forschung legen Bestandsaufnahme und Perspektiven vor
München/Potsdam (12.2.2016) Im Auftrag von Staatsministerin Monika Grütters, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, haben das Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF) und das Institut für Zeitgeschichte München – Berlin (IfZ) eine Bestandsaufnahme zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Ministerien und zentralen Behörden der Bundesrepublik und der DDR erarbeitet.
Beginnend mit dem Auswärtigen Amt 2005 haben über ein Dutzend Bundesministerien und größere Bundesbehörden damit begonnen, ihre Geschichte durch Unabhängige Historikerkommissionen und im Rahmen zeithistorischer Forschungsprojekte untersuchen zu lassen. In ihrer gemeinsamen Studie „Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung“ umreißen die beiden Historiker Christian Mentel (ZZF) und Niels Weise (IfZ) nun die bisherigen Ergebnisse dieser zum großen Teil noch nicht abgeschlossenen Forschungsprojekte. Die Bilanz konzentriert sich auf institutionelle, sachliche und personelle Kontinuitäten zum Nationalsozialismus und zur Geschichte etwaiger Vorgängerinstitutionen vor 1945 von insgesamt 36 west- und ostdeutschen Institutionen (Bundesministerien, sonstige Oberste Bundesbehörden, Bundesoberbehörden, Ministerien und Behörden der DDR, Bundestag, Volkskammer und Zentralkomitee der SED) von 1949 bis 1969. Dabei steht im Fokus, wie in den Nachkriegsinstitutionen mit diesen Kontinuitäten und der Frage der NS-Belastung umgegangen wurde. „Alle diese Projekte haben für die Forschung bislang einen erheblichen Wissenszuwachs generiert“, sagte der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Prof. Dr. Martin Sabrow, der gemeinsam mit Prof. Dr. Andreas Wirsching vom Institut für Zeitgeschichte und Prof. Dr. Frank Bösch vom ZZF Herausgeber der Studie ist. „Die Bestandsaufnahme liefert nun eine konzise Überblicksdarstellung über ein sehr heterogenes Feld, die in dieser Form bislang fehlte.“
Daneben zeigt die Studie auch mögliche Perspektiven für den weiteren Fortgang der Forschung auf und bietet Kriterien für Auswahl und Zuschnitt künftiger Forschungsvorhaben in staatlichen Einrichtungen an. „So würde es sich in einem nächsten Schritt lohnen, die Ressort- und Behördengrenzen zu verlassen und das Forschungsinteresse stärker an Querschnittsthemen und Politikfeldern auszurichten als an einzelnen Institutionen“, beschreibt IfZ-Direktor Andreas Wirsching künftige Untersuchungsdesigns. Für die zeitgeschichtliche Forschung aufschlussreich wären ferner längere, zäsurübergreifende Untersuchungszeiträume, die auch über 1933 und 1945/49 hinaus reichen ebenso wie eine vertikale Vertiefung exemplarischer Fragestellungen bis hinunter zu nachgeordneten Behörden bzw. auf die föderale und kommunale Ebene. „Damit könnte auch stärker die operative Ebene in den Länder- und Gemeindeverwaltungen in den Blick genommen und untersucht werden, inwieweit personelle oder inhaltliche Kontinuitäten aus der NS-Zeit im alltäglichen Behördenhandeln nachzuweisen sind.“ Einig sind sich die Bearbeiter der Studie darüber hinaus, dass der Blick auf die Institutionen der DDR ausgeweitet werden müsse: „Hier ließe sich auch der Transformationsprozess nach 1990 in Beziehung zu dem von 1945/49 setzen“, so Martin Sabrow.
Allerdings halten es die Historiker für nicht sinnvoll und wenig praktikabel, die Aufarbeitungsprojekte nun flächendeckend auf alle Institutionen und auf alle Hierarchieebenen auszudehnen. Künftige Forschungsprojekte sollten sich stattdessen vor allem nach der politischen und gesellschaftlichen Relevanz der Behörde richten. „Angesichts der vielen bereits erfolgten und sehr fruchtbaren Untersuchungen einzelner Ministerien und Behörden sollten weitere Projekte nun primär nach dem zu erwartenden Erkenntnisfortschritt ausgewählt werden“, fordert ZZF-Direktor Frank Bösch. „Dazu gehören neben einzelnen weiteren Bundesministerien", so Bösch, „besonders der Bundestag und das Bundeskanzleramt."
Die Studie für die BKM wurde zwischen Mai und Oktober 2015 erarbeitet und geht auf einen Beschluss des Deutschen Bundestags vom November 2012 zurück. Darin hatten die Abgeordneten die Bundesregierung aufgefordert, das IfZ und das ZZF mit der Erstellung einer Bestandsaufnahme laufender und abgeschlossener Forschungsprojekte zu beauftragen, die „bestehendes Wissen und aktuelles Erkenntnisinteresse“ zusammenführen solle. Diese Forderung fand im Herbst 2013 Eingang in den Koalitionsvertrag.
Christian Mentel und Niels Weise: Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung, hg. von Frank Bösch, Martin Sabrow und Andreas Wirsching, München/Potsdam 2016 (188 Seiten).
Die gedruckte Fassung ist bei der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, dem Zentrum für Zeithistorische Forschung und dem Institut für Zeitgeschichte zu beziehen und ist online auf den Internetseiten des IfZ, des ZZF und der BKM veröffentlicht.
www.ifz-muenchen.de
www.zzf-potsdam.de
www.kulturstaatsministerin.de
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