Tagungstelegramm: Der Zerfall Jugoslawiens, Deutschland und Migrationsdebatten heute
Mit dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Einheit schien für kurze Zeit ein Zeitalter des Friedens, der Kooperation und der Demokratie anzubrechen. Diese Wahrnehmung endete jäh, als mit dem Zerfall Jugoslawiens Krieg, Gewalt und Menschenrechtsverbrechen mit ungeahnter Wucht nach Europa zurückkehrten. Auf dem Balkan begann ein Jahrzehnt des Krieges, der zu millionenfacher Flucht führte – innerhalb der umkämpften Gebiete und in die Nachbarstaaten. Eines der wichtigsten Aufnahmeländer der Europäischen Union wurde Deutschland. Schon bald wich die anfängliche „Willkommenskultur“ kontroversen Debatten um eine Überforderung des Asylsystems, wurden Forderungen nach einer baldigen Rückkehr der Geflüchteten laut. Bis heute nehmen die Staaten Südosteuropas eine Schlüsselrolle für die deutsche und europäische Migrationspolitik ein, sei es als Herkunfts- oder Transitregion.
Die Veranstaltung am 23. Oktober 2024 im Institut für Zeitgeschichte in München thematisierte die Flucht aus dem ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren, die Reaktionen der deutschen Politik und ihre langfristigen Auswirkungen bis in die Gegenwart. Wie kam es zum Zerfall des Vielvölkerstaats? Welche Maßnahmen ergriff die damalige Bundesregierung, um der humanitären Notsituation der Geflüchteten zu begegnen, und welche langfristigen Strategien entwickelte sie? Was bedeutete die Flucht großer Bevölkerungsteile und ihre (ausgebliebene) Rückkehr für das gesellschaftliche Zusammenleben in der Region selbst? Und wie veränderte sich die politische Bedeutung der Westbalkanländer, die heute als wichtiger Transitraum für Geflüchtete auf dem Weg in die EU gelten?
Auf dem Podium diskutierten diese Fragen Botschafter a. D. Johannes Haindl, Marie-Janine Calic (Ludwig-Maximilians-Universität, München) und Carolin Leutloff-Grandits (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder). Die Moderation übernahm Agnes Bresselau von Bressensdorf (Institut für Zeitgeschichte München−Berlin).
Die Veranstaltung in Kooperation mit der Gesellschaft für Außenpolitik wurde aufgezeichnet und ist auf dem YouTube-Kanal des IfZ als Video verfügbar: