Katholizismus im Umbruch? Michael Kardinal von Faulhaber und die katholische „Ordnung“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Der Münchner Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber polarisiert mehr als 65 Jahre nach seinem Tod weiterhin. Neuestes Beispiel dafür ist die Initiative des „Bundes für Geistesfreiheit München“, der Faulhaber einen „Kriegstreiber, Demokratiefeind und Hitler-Verehrer“ nennt und infolgedessen die Umbenennung der Kardinal-Faulhaber-Straße in München fordert. Der Journalist und Schriftsteller Christian Feldmann bezeichnete den Münchner Erzbischof hingegen Anfang des Jahres 2019 in der Münchner Kirchenzeitung als einen „Widerständler mit kleinen Fehlern“.
Die Ambivalenzen und Widersprüche Faulhabers wahrzunehmen, ermöglicht indes ein seit 2014 von der DFG gefördertes Editionsvorhaben: Die vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und dem Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster verantwortete „Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers (1911-1952)“ (www.faulhaber-edition.de) lässt sowohl Denkfiguren und Netzwerke Faulhabers als auch Wandlungsprozesse innerhalb des katholischen Milieus in Bayern und darüber hinaus erkennen.
Zu Jahresbeginn 2021 möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Editionsprojekts eine erste Bilanz ziehen. In einem zweitägigen Workshop sollen zentrale Themenfelder der Geschichte des Katholizismus in interdisziplinärer Perspektive beleuchtet werden. Das Editionsteam ist davon überzeugt, dass ein Kirchenmann wie Faulhaber nur dann adäquat verstanden werden kann, wenn er sowohl als Theologe als auch als Politiker untersucht wird, denn sein theologisches und politisches Denken bedingten sich gegenseitig. Im Mittelpunkt des Workshops steht die Frage, inwiefern sich katholische Ordnungsvorstellungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wandelten und welche gesellschaftlichen und politischen sowie theologischen Auswirkungen sich daraus ergaben.
Ausgehend von Kardinal Faulhaber sollen dabei drei Themenfelder im Fokus stehen: Erstens wird der Workshop die Frage nach dem Verhältnis Faulhabers und der Katholischen Kirche zur Demokratie anhand der für den Katholizismus zentralen Denkkategorien Ordnung und Hierarchie analysieren. Zweitens soll der Wandel von Weiblichkeitsvorstellungen beleuchtet und nach den Geschlechterverhältnissen im Spannungsfeld von Amtskirche und Milieu gefragt werden. Drittens sollen theologische Positionierungsversuche des Katholizismus in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus untersucht werden, um das theologische Fundament der Ordnungsvorstellungen offenzulegen. Beiträge zum europäischen Katholizismus werden explizit begrüßt. Der Call wendet sich sowohl an etablierte Forscherinnen und Forscher als auch an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
Der Workshop findet am 18./19. Februar 2021 in München statt. Die Reise- und Übernachtungskosten werden nach den Bestimmungen des Bundesreisekostenrechts erstattet. Es ist geplant, die Vorträge zu publizieren.
Beitragsvorschläge zu den jeweiligen Themenfeldern werden bis zum 4. Mai 2020 in Form eines kurzen Abstracts (max. 3.500 Zeichen) und einer knappen biografischen Notiz an Moritz Fischer (fischer[at]ifz-muenchen.de) erbeten.
Verantwortliche:
Prof. Dr. Andreas Wirsching (Institut für Zeitgeschichte München-Berlin)
Prof. Dr. Dr. h.c. Hubert Wolf (Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster)
Der CfP ist auch als PDF verfügbar