Tagungstelegramm: Eine Frau in Berlin – vom Tagebuch zum Bestseller
Unter dem Pseudonym Anonyma erschien 2003 das Buch "Eine Frau in Berlin. Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945". Die Autorin beschreibt darin ihre Erfahrungen im zerbombten Berlin kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine IfZ-Podiumsdiskussion hat sich am vergangenen Dienstag, 25. Juni, mit dem zum Bestseller gewordenen Tagebuch auseinandergesetzt, denn das Buch löste auch kontroverse Debatten aus: über den historischen Wert des Buches, über die Autorin und ihre Integrität, über Opfer- und Täterrollen.
Anonyma wurde als die Journalistin Marta Hillers enttarnt, doch das Rätsel um die Authentizität ihrer Aufzeichnungen blieb lange ungelöst. Das IfZ hat 2016 die Original-Tagebücher und weitere wichtige Quellen zur Entstehung des Buches aus dem Nachlass der Autorin erhalten, um sie für die Wissenschaft aufzubereiten. Erstmals ist es möglich, die Geschichte der Anonyma und ihres Tagebuchs nachzuzeichnen – in einem Aufsatz für Heft 3/2019 der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte analysierte IfZ-Historikerin Yuliya von Saal jüngst die Genese des Tagebuchs zum Bestseller. Nach einer Präsentation ihrer Ergebnisse diskutierte sie, moderiert von Thomas Schlemmer (IfZ), mit Martin Doerry (Der Spiegel) und Svenja Goltermann (Universität Zürich) auch über den Quellenwert des Materials. Die Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren sich darin einig, dass die Frage, ob die Aufzeichnungen nun authentisch seien oder nicht, eigentlich falsch gestellt ist. Vielmehr komme jeder Stufe der Ausarbeitung ihre eigene, quellenkritisch zu hinterfragende Authentizität zu.
Begleitend zur Veranstaltung eröffnete das IfZ eine Ausstellung aus dem Nachlass von Marta Hillers, der nun als Bestand ED 934 im Archiv des IfZ bereit steht. Sie kann montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr kostenlos im Foyer des Instituts für Zeitgeschichte besichtigt werden. Damit können sich die Besucherinnen und Besucher selbst ein Bild von den verschiedenen Stadien, die Marta Hillers’ Aufzeichnungen vom Tagebuch zum Bestseller durchlaufen haben, machen. Weiterführendes Material zu Marta Hillers und der Geschichte hinter „Anonyma: Eine Frau in Berlin“ finden Sie in unserem Online-Dossier.