Neues Forschungsprojekt

Das IfZ untersucht den Umgang des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit der NS-Vergangenheit

„Landesjustiz und NS-Vergangenheit“ lautet der Titel eines neuen Forschungsprojekts, in dem das Institut für Zeitgeschichte den Umgang des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit dem Nationalsozialismus untersucht. Am 24. Juli stellten Justizminister Winfried Bausback, der Stellvertretende IfZ-Direktor Magnus Brechtken und die Bearbeiterin Ana Lena Werner die Grundzüge der geplanten Studie vor.

„Die Rolle des Rechts und der Justiz stehen ganz am Beginn der Auseinandersetzung mit dem Erbe des Nationalsozialismus“, erläutert Magnus Brechtken. Der Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess und die Nachfolgeprozesse, unter anderem gegen führende Juristen, wurde von den Alliierten betrieben. „Die deutschen Juristen taten sich über viele Jahrzehnte schwer mit der selbstkritischen Aufarbeitung der eigenen tragenden Rolle im Nationalsozialismus“, so Brechtken. Aus früheren Studien ist bekannt, dass Ende 1948 knapp 60 Prozent der Beamten im Bayerischen Justizministerium ehemalige NSDAP-Mitglieder waren. Die Parteimitgliedschaft war eine formale Belastung, die noch nichts über konkrete Taten aussagt. Auch Nicht-Parteimitglieder engagierten sich vielfältig für das Regime und trugen die nationalsozialistische Herrschaft. Erstmals untersucht das Projekt deshalb, welche konkreten Auswirkungen von personellen, sachlichen und mentalen Kontinuitäten aus der NS-Dikatur auf die bayerische Justiz sichtbar werden.

Für Untersuchungszeitraum von 1945 bis 1974 werden folgende Leitfragen angelegt:

  1. Welche Prägungen, Erfahrungen und Verhaltensweisen lassen sich feststellen? Welche Konsequenzen aus ihren Erfahrungen zogen die Akteure selbst? Welche Rolle spielte das Kriterium „NS-Belastung“ für die Personalpolitik des Ministeriums? Welche Muster lassen sich in den Karriereverläufen und Netzwerken der untersuchten Personengruppen erkennen?
  2.  Inwiefern schlugen sich die Prägungen der untersuchten Personengruppen aus der Weimarer Republik und der NS-Diktatur in Leitideen und konkreter Rechtspolitik nach 1945 nieder? Wie wirkten sich Nicht-NS-spezifische Traditionen und Wandlungsprozesse aus? Welche Rolle spielten Veränderungsimpulse mit dezidiert demokratischer Zielrichtung, die nach 1945 wirksam wurden?
  3. Was wurde zu welchem Zeitpunkt unter NS-Belastung verstanden? Wie hingen in dieser Hinsicht die öffentlichen Debatten und behördeninterne Aushandlungsprozesse zusammen? Inwiefern wurden Akteure, Entscheidungen und Handlungsweisen des Justizministeriums von Bürgerinnen und Bürgern als demokratisch oder als Teil der NS-Vergangenheit wahrgenommen?

„Vor diesem Hintergrund“, so Magnus Brechtken, „zeigt sich die Untersuchung des leitenden Personals der Ministerialbürokratie als besonders lohnenswertes Forschungsfeld, um den Aufbau des Rechtsstaats in Bayern nachzuzeichnen.“

Die neue Studie ergänzt als zentrales Element das große Forschungsprojekt „Demokratische Kultur und NS-Vergangenheit. Politik, Personal, Prägungen in Bayern 1945-1975“, in dem das IfZ bereits seit 2016 den Umgang der Staatsregierung und der obersten Landesbehörden mit dem Nationalsozialismus untersucht. Die Bearbeitungszeit beträgt drei Jahre. Dabei garantiert das Justizministerium dem IfZ volle Freiheit und Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Arbeit.

Bild: Justizminister Bausback überreicht Personalakten an IfZ-Historikerin Ana Lena Werner und den Stellvertretenden Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Magnus Brechtken (Copyright: Freistaat Bayern)

Weitere Informationen zum Projekt  „Demokratische Kultur und NS-Vergangenheit“



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