Als Sohn eines wohlhabenden Nürnberger Hopfenhändlers geboren, umspannt Süßheims Leben vier politische Systeme und zwei Weltkriege. Als Orientalist ein singuläres Sprachengenie mit muttersprachlichem Niveau im Arabischen und Türkischen, war er ohne Zweifel einer der besten deutschen Kenner des Nahen Ostens seiner Zeit und ein wichtiger Lehrer für Größen seiner Fächer wie Gershom Scholem und Franz Babinger; eine steile wissenschaftliche Karriere blieb ihm allerdings verwehrt. Nach einem langjährigen Aufenthalt im Osmanischen Reich zu Beginn des 20. Jahrhunderts und einer mühsamen Habilitation an der LMU blieb er bis zu seiner Entlassung von der Universität auf Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ im April 1933 außerplanmäßiger Professor ohne feste Bezüge, im Anschluss musste er sich als Privatgelehrter durchschlagen. Als einer der letzten Münchner Juden gelang es ihm im Sommer 1941, der Schoa zu entkommen und ins Exil nach Istanbul zu gelangen. An der dortigen Universität unterrichtete er die türkische Geschichte, bis er 1947 starb.
Trotz seines interessanten Lebens und höchst aktuellen Forschungsfeldes, trotz seines tragischen, häufig berührenden Schicksals blieb Karl Süßheim lange Zeit fast völlig unbekannt, was auch mit einer ihm quasi auferlegten damnatio memoriae durch die LMU zu tun hat, die ihren langjährigen Professor nach Kriegsende nicht rehabilitierte, sondern stattdessen abseits der Öffentlichkeit mit seiner Witwe um „Wiedergutmachung“ stritt. Nach einem kurzen Impuls von Biografin Kristina Milz (IfZ) zu Süßheims Nachleben an der LMU diskutierten der Münchner Student Eri Alfandari und der Historiker Philipp Lenhard, der Süßheim-Nachfolger im turkologischen Fach Mehmet Hacısalihoğlu sowie Judaistik-Professor Ronny Vollandt über Karl Süßheims Erbe und jüdisch-deutsche Erfahrungen an den Universitäten nach 1945. Die Moderation übernahm Kristina Milz. Zum Abschluss der Vortragsreihe „Jüdisches Leben zwischen Deutschland und der Türkei“ wurde erstmals eine Gedenktafel präsentiert, die fortan im Nahostinstitut an den in Vergessenheit geratenen Mitbegründer der Turkologie und Nahoststudien in München erinnern soll.
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