„…in ständiger Angst“

Das Institut für Zeitgeschichte hat in Kooperation mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld in einem von der Landesregierung Rheinland-Pfalz geförderten Forschungsprojekt die juristische Diskriminierung von lesbischen Frauen untersucht. Die Ergebnisse der Studie wurden nun im Rahmen einer Pressekonferenz und einer digitalen Podiumsdiskussion präsentiert.

Die neue Studie ist eine gezielt frauengeschichtliche Vertiefung des Forschungsprojekts „Strafrechtliche Verfolgung und Diskriminierung der Homosexualität in Rheinland-Pfalz“, dessen Ergebnisse 2017 vorgestellt wurden. In diesem Projekt wurde nicht nur die Strafverfolgung homosexueller Männer nach dem § 175 StGB untersucht – auch die vielfältigen gesellschaftlichen Diskriminierungen gleichgeschlechtlich lebender Männer und Frauen wurden in den Blick genommen. Am Beispiel des Flächenlands Rheinland-Pfalz ließen sich so auch diverse Formen der Diskriminierung lesbischer Frauen rekonstruieren. Denn obwohl Paragraph 175 StGB nur schwule Männer strafrechtlich verfolgte, drängte das bürgerliche Recht und die darauf basierende Rechtsprechung faktisch auch lesbische Frauen an den Rand der Gesellschaft.

Die nun vorgestellte vertiefende Untersuchung widmete sich dem bislang kaum näher beleuchteten Problemfeld des Sorgerechtsentzugs bei lesbischen Müttern in Scheidungsauseinandersetzungen. Auch weitere Diskriminierungen durch Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht werden untersucht. Da ausschließlich die Lebenssi­tuation lesbischer Frauen in den Fokus genommen und nach spezifischen juristischen, aber eben nicht strafrechtlichen Diskriminierungen in der Bundesrepublik gefragt wird, betrat die Studie auch in ihrem Forschungsansatz Neuland.

Erarbeitet wurde die Studie, die die Situation in Westdeutschland unter besonderer Berücksichtigung von Rheinland-Pfalz von 1946 bis 2000 in den Blick nimmt, von der Historikerin Kirsten Plötz. Sie belegt, dass lesbische Mütter in Angst, Abhängigkeit und Sorge um den Verlust des Sorgerechts ihrer Kinder und den Unterhalt lebten, wenn sie sich von ihrem Ehemann scheiden ließen, um in einer Liebesbeziehung mit einer Frau zu leben. Die Diskriminierung führt Kirsten Plötz insbesondere auf die gesellschaftlichen Erwartungen in den 1950er, 60er und 70er Jahren an Frauen zurück, sich als Ehefrau und Mutter ausschließlich der Familie zu widmen sowie auf das Schuldprinzip im Scheidungsrecht, das bis 1977 galt, und infolgedessen schuldig geschiedene Ehepartner oder Ehepartnerinnen den Unterhalt verloren. Doch auch nach grundlegenden familienrechtlichen Reformen der 1970er Jahre wirkten spezifisch homophobe Diskriminierungen noch bis um die Jahrtausendwende weiter – trotz seit den 1980er Jahren wirksamer juristischer Gegenpositionen. Hierbei spielte der richtungsweisende Einfluss der juristischen Kommentierungen des BGB auf die Rechtsprechung, wonach der gleichgeschlechtliche Verkehr als „schwere Eheverfehlung“ und damit als Grund für eine schuldige Scheidung angesehen wurde, eine wichtige Rolle – auch wenn dies in dieser Weise nicht explizit im Gesetz selbst formuliert war. Dem schuldig geschiedenen Elternteil wurde in der Regel nicht das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder zugesprochen. Nicht zu unterschätzen waren der Autorin der Studie zufolge in der Spätphase des 20. Jahrhunderts die moralischen Wertevorstellungen von Familienkonstellation und Kindeswohl, bei der gleichgeschlechtliche Partnerschaften entweder als moralisch bedenklich galten oder als dem Kind nicht zumutbare Ursachen gesellschaftlicher Diskriminierung gewichtet wurden.

Die historische Studie mit dem Titel „…in ständiger Angst“ wurde am Donnerstag, 14. Januar gemeinsam mit Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz präsentiert. Die komplette Studie sowie eine Kurzfassung sind online zugänglich.



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