Der Feminist, 1979 Jg. IV Nr. 08

Titelseite
Inhalt / Impressum
Wir Männer sind Schweine
Hannelore Mabry
Nicht alle Feministinnen schicken die Männer vor die Tür
Gisela Ullrich
Warum gibt es nicht mehr Proletarier?
Paul Schmarling
...oder wie werde ich Mensch?
Hannelore Mabry
Zur Theorie des Patriarchats - Herbert Marcuse zum Abschied
Hannelore Mabry
Die neue Frauenbewegung und die Parteifrage
Christie Warnke
Feministische Literaturkritik
Notizen und Informationen
Personenregister
IfZ
Schlagwortliste
IfZ

oeR ftlINIZES* Erscheinungsort München Nr.2/79 IV. Jahrgang BEITRÄGE ZUR THEORIE UND PRAXIS INHALT Wir Männer sind Schweine Nicht alle Feministinnen schicken die Männer vor die Tür Warum gibt es nicht mehr Proletarier? ... oder wie werde ich ein Mensch? Zur Theorie des Patriarchats - Herbert Marcuse zum Abschied Die neue Frauenbewegung und die Parteifrage Feministische Literaturkritik Seite 1 - 9 10 11 - 16 16 - 23 24 - 35 36 - 37 38 - 40 40 - 42 4 4 Informationen 1 Verlag: Inhaber: Verantwortlich für Inhalt, Vertrieb und Anzeigen: Mitarbeiter: Layout: Photonachweis: Bezugsbedingungen: ih Druck: Nachdruck: Information: Der Feminist, Christrosenweg 5 8000 München 70, Tel. 089 - 7149187 Postscheckkonto München Konto Nr. 28035 - 804 FFP - Förderkreis zum Aufbau der Feministischen Partei, G.b.R., München Geschäftsführerin Hannelore Mabry (Anschrift Verlag) Ingrid Braun, Monika Grimm, Ursula Sattler, Paul Schmarling, Ingrid Schölch, Christie Warnke Helga Behaghel, Lorley Katz, Lassek (Karikaturen) S.33 Enzo Isaia (Turin) in 2.Weltausstellung der photo- graphie , Hamburg 1968, Nr.360 DER FEMINIST erscheint unregelmäßig. Die Einzel- nummer kostet DM 3,50 zuzüglich Versandkosten Im Inland DM 0, 50 und im Ausland DM 0, 75. Bitte Post- schecküberweisung mit Angabe der gewünschten Nr. und genauer Adresse vornehmen - siehe Seite 42! Olymp-Werbung GmbH., Schwanthalerstr. 164 8000 München 2 Auch auszugsweise nur mit Quellenangabe und Beleg- exemplar Mit Namen gezeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für Überschriften und Zwischentitel ist die Redaktion verantwortlich. Für Beiträge Im FEMINIST wird kein Honorar bezahlt Für unverlangte Manuskripte bitten wir Rückporto beizufügen.

Feminismus - so wie wir ihn verstehen - wird in der BRD und auch anderswo seit Jahren tot- geschwiegen. Es ist eine Ausnahme, wenn man unsere politischen Aktivitäten in den "bürger- lichen" Massenmedien oder in den Blättern der "Linken" oder den Zeitschriften der Frauenbe- wegung überhaupt einmal eines Satzes für wür- dig befindet. Drei solche Ausnahmen bringen wir heute: Kommentare zum FEMINIST im NEUEN FORUM, in der MÜNCHNER FRAUEN- ZEITUNG und in den STUTTGARTER NACH- RICHTEN. Zwar sprechen die Beispiele durch- aus für sich; dennoch hoffen wir mit dem folgen- den "Offenen Brief' die Diskussion über politi- schen Feminismus wieder etwas zu befruchten. FORUM DES FORVMS JULI/AUGUST 1979 Die Feminist an das Chauvi An die Redaktion NEIDES FORVM Museumstraße 5 A-1070 Wien Liebe Freunde? Seit Jahren bitten wir Euch, unsere Richtung des FEMINIS- MUS mal zur Kenntnis zu neh- men und unsere Zeitschrift bei Euch zu besprechen. Wir bekommen noch nicht mal ne Antwort auf unsere Anfragen seit 3 Jahren ! Früher haben wir- sogar noch Annoncen ausge- tauscht! Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr diese Nummer nun mal zum Anlaß nehmen würdet, uns zum Auftakt für den IV. Jahrgang mit einer Rezen- sion zu ehren ... Beste Grüße die Redaktion DER FEMINIST Christrosenweg 5 D-8 München 70 A. Mabry Hallo, Ihr male chauvinists, eine Zeitschrift von Frauen für Frauen mit dem Titel „Der Femi- nist" können wir bitte unmög- lich ernst nehmen. Die Frauenredaktion des NF: Günther Nenning %%toi diannev sind Schweine 4 Lande beobachten konnte, beschmutzen sich Offener Brief an Günther Nenning, Herausgeber und Chefredakteur der "internatio- nalen Zeitschrift links von der Mitte": NEUES FORUM, Wien selbst. Sie wälzen sich im eigenen Dreck. Es ist ihr Saustall. Sie sind "Nestbeschmutzer" . Aber sie bespritzen mit Ihrem Unrat und Un- flat nicht absichtlich andere. Ihre Schweine- "Wir Männer sind Schweine" (NF, Aug. /Sept. reien sind gar nicht zu vergleichen mit mensch- 1971) war ein früher, der Zeit weit vorauseilen- lichen Schweinereien - zum Beispiel den der Artikel Günther Nennings - zumindest was Schweinereien, die männlichen und leider auch seinen politischen Gehalt betraf. Na ja, die weiblichen Patriarchen eigen sind. moralische Pauschalisierung im Titel fand ich Wenn wir Menschen als "Schweine" bezeichnen, ein wenig überspitzt und die Aussage sehr un- dann wollen wir damit Ihr Verhalten anderen fair, aber zum Transport des unattraktiven, oder uns selbst gegenüber kritisieren. Es han- well politisch unpopulären Inhalts durchaus ver- delt sich um moralische Urteile, Beschimp- tretbar und angemessen. Hinzukam sicher, daß fungen, Bewertungen zwischenmenschli- Ich bereits mit politischer Satire vertraut, und cher Beziehungen. Der Dreck wird auf den mir Günther Nenning schon als politisch enga- anderen geladen. Man will ihn beschmutzen, gierter Journalist aufgefallen war. Daß er ernst- diskriminieren, seinen Saustall entlarven. Auch lich kein Geschlecht, keine Rasse, kein Volk und wenn man, wie Nenning, sich selbst als Schwein auch keine Berufsgruppe oder ökonomische leas- bezeichnet, verurteilt man damit ein Verhalten Se als ethische Einheit betrachtete und sehr einem anderen gegenüber. Auch er benutzte den Wohl zu differenzieren verstand, das ging ja Ausdruck in diesem Sinne: Männer sind Schwei- letztlich auch für jeden, der weiterlas, aus dem ne den Frauen gegenüber. Ohne den Inhalt dieses Artikels hervor. Und wo kämen Vergleich einem höher bewerteten, einem wir hin, wenn wir Journalisten, Künstler und "menschlichen" Verhalten gegenüber, verlöre ,articaturisten mit kleinlicher, schulmeister- die Titulierung eines Menschen mit "Schwein" licher Elle messen wollten? Daß jede Regel zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA jeden Sinn. Und Nenning sagt uns auch gleich a1.1c1). Ausnahmen kennt, weiß Nenning so gut wie am Anfang seines Artikels, warum für ihn alle Jeder Leser. Männer Schweine sind: Außerdem wollte er mit "Wir Männer sind Schweine" nur feststellen, daß Männer sich wie Schweine benehmen oder wie Schweine aussehen, nicht, daß sie Schweine sind. Es sollte ein sym- bolischer Vergleich sein. Ich finde es jedoch völlig unangemessen, daß ksmund) Männer mit i4enning (und R Schweinen vergleicht. Es Ist unfair den Schwel- ren gegenüber. Eine Beleidigung. Der Vergleich hi Schweine, soweit Ich sie früher auf dem "Alle Männer betrügen alle Frauen. Nicht weil wir eine Frau lieben und zugleich eine andere oder mehrere, sondern weil wir alle Frauen ha be n . Unser Verhältnis zu Ihnen ist Besitz- ergreifung einer Person, als wäre sie ein Ding; Gebrauch und Mißbrauch des Dinges Frau unter Ausschluß Dritter; schamlose Ausnutzung weiblicher Arbeitskraft; sexuelle Verküm- merung; geistige Einsperrung und auch der Vol 1

Idiotisierung; kurz: Unmenschlichkeit . W 1 r ten, wollen wir seine damaligen Worte aus der betrügen nicht eine mit der anderen, Versenkung holen: sondern alle um ihr Eigentliches: "Dieses System kann nicht beseitigt Ihre volle Entfaltung als Mensch. werden durch privates Basteln am Was und wie eine Frau wäre, nicht geformt nach eigenen Leben , auch nicht durch kollekti- männlichem Bild, sondern nach ihrem eigenen, ves Basteln am eigenen Leben. D an e b e n be- wissen wir nicht. Es interessiert uns auch nicht . stehen Herrschaft und Ausplünderung munter Wir Männer sind Schweine... Wenn die Frauen fort. Die Beseitigung des Systems ist, weil es mehr unterdrückt sind, die Männer weniger, so politisch, ökonomisch, kulturell ist, eine politi- herrscht sich' s leichter. Daher ist die Männer- sche, ökonomische, kulturelle Aufgabe. Sie Tau- gesellschaft wichtiger Bestandteil des kapitali- tet: Sozialismus statt Kapitalismus. Sie kann nur stischenSystems. Unsere Privilegien gelöst werden durch politischen, d.h. öffentli- machen uns zu Komplicen des Sy- Chen und massenhaften Kampf der Beherrschten stems ; wir Männer sind Schweine." gegen die Herrschenden, der Ausgeplünderten Trotz voluminöser Selbstkritik hinterließ die gegen die Ausplünderer...Hier ist Raum für ein Lektüre bei mir ein wenig den Eindruck von doppeltes Mißverständnis: 1. Wer beginnt mit "Theaterdonner". Ich spürte bei Nenning keine dem Satz "Wir M ä nn e r sind Schweine" und wirkliche Betroffenheit. Er selbst deklarierte ihn solange ins Allgemeine strapaziert, bis he- seinen Artikel als "Denkanstoß", als "Starthilfe" rauskommt: "Wir alle sind Schweine" - ent- und vergleicht - wie wir später sehen - diese lastet die Männer; 2. Wer beginnt mit dem Satz, Starthilfe mit der, die "intellektuelle Überläufer daß die Männer die Frauen betrügen, und glück- aus dem bürgerlichen Lager" in der Frühphase lich dort landet, daß Männer wie Frauen vom der Arbeiterbewegung gaben. Er dachte dabei System betrogen werden - verleitet zum wohl an Marx, Engels, Rosa Luxemburg, Luise Nichtstun; wenn es das allmächtige System ist, Otto-Peters, Gertrud Guillaume-Schack u.a., was kann denn da das einzelne Männlein oder die ihre gesamte Lebens- und Schaffenskraft und auch Weiblein tun, oder auch eine Gruppe von viele auch ihr Vermögen In die Bewegung ein- solchen? Ich will weder die Männer entschuldi- brachten. Daneben nimmt sich dann aber gen noch das Nichtstun: Ad 1.: Die Befreiung Nennings Starthilfe mit "Wir Männer sind Schwel- dieser Frauen kann, ab einer bestimmten Pha- ne" doch recht dürftig aus! Mag sein, daß die se, nur das Werk der Frauen selber sein; aber Anstöße aus dem patriarchalischen Lager deshalb die Männer, als Hauptschuldige, haben in einer viel bescheidener ausfallen, weil für "linke"Män- Anfangsphase eine wichtige, einleitende Rolle. ner wie Nenning die Frauenfrage Immer noch als Ad 2.: Das System ist mächtig, aber nicht all- "Nebenwiderspruch" innerhalb des Hauptwider- mächtig; es ist, auf längere Frist, bekämpfbar spruchs rangiert? Aber schauen wir uns seine Denkanstöße einmal Ad 1.: Ab einer bestimmten Phase konnte die genauer an. Sein Versuch zur Bearbeitung des Befreiung der Arbeiterklasse nur das Werk der Phänomens "Männergesellschaft" ließ mich durch-Arbeiterklasse selbst sein; aber in einer Früh- aus aufhorchen und hoffen; denn seine Strategie- phase gaben intellektuelle Überläufer aus dem empfehlungen für die Frauenbefreiung waren für bürgerlichen Lager, dem Lager der Unterdre- einen Sozialdemokraten und Gewerkschaftsboß ker, wichtige einleitende Anstöße... Starthilfe immerhin ungewöhnlich, um nicht zu sagen revo- von Männern für die Frauenbefreiung Ist kein lutionär. Es blieb leider auch bei einem femini- Anlaß für männlichen Chauvinismus. Es waren stischen Solo. Solch' mutiges Vorpreschen hat Frauen , die, insbesondere im angelsächsi" sich weder bei ihm noch in seiner Gazette je wie- schen Bereich, wichtigste ideologische und or- derholt. Vielleicht haben ihn seine Genossen und die ganisatorische Vorarbeit leisteten." "Frauenredaktion" zurückgepfiffen, denn seit dem Wie wir sehen, war für Nenning 1971 der Gedall- Herbst 1971 tanzt Nenning nicht mehr aus der ke, daß Männer als die Hauptschuldigen sich in Reihe : im NEUEN FORUM wurden nach "Wir den Dienst der Frauenbefreiung stellen und als Männer sind Schweine" nur noch Thesen zum Fe- Überläufer aus dem Lager der Unterdrücker de° minismus veröffentlicht, die auch jedes "bürger- politischen Kampf mittragen sollten, ganz natür liehe" Blatt oder Vulgärmarxisten propagieren. lich. So dachten auch wir damals, und so denie° Aber der historischen Genauigkeit wegen und da- wir heute noch. Aber Nenning hat seine Ansicht mit man überhaupt versteht, warum ausgerechnet offensichtlich bald revidiert, denn 1979 ist er wir uns um eine Kommunikation mit diesem "Lin- schon so weit, daß er einen männlichen Ferai-hr ken" In der Vergangenheit immer wieder bemüh- nist nicht mehr " ernst nehmen" kann. Ja, nie' und besiegbar. Als historische Parallele: 2

noch: Dreist unterschiebt er unserer Zeitschrift heute ein Blatt "von Frauen für Frauen " zu sein! Sicher, das ist die Intention von EMMA. Es steht in jeder EMMA, sie sei eine Zeitschrift "für Frauen von Frauen". Auch COURAGE dürfte ähn- liche Ambitionen haben. Nicht jedoch DER FEMINIST . Und wahrlich, von Schmidt, Strauß und vom Papst hätte ich die banale und blamable Reaktion auf un- seren Titel eher erwartet als von Nenning. Er konnte - und das finde Ich für einen politischen Journalisten wirklich beachtlich! - mit dem Be- griff "Der lemlnist" genau so wenig anfangen wie die Politikerin Hamm-Brücher 1970 mit dem Be- griff "Emanzipation des Mannes" (Siehe das In- terview mit ihr in "Unkraut ins Parlament" , S. 212). Das gesamte Patriarchat - leider sogar In der neuen Frauenbewegung noch ab und an anzu- treffen, wie die folgende "Besprechung" unserer Zeitschrift in der MÜNCHENR FRAUENZEITUNG vom Juni 1979 beweist - ist mit dem Begriff "Der Feminist" offensichtlich völlig überfordert. Es ist in der Tat erstaunlich, wie sich das mora- lische und Intellektuelle Niveau angleichen, wenn Patriarchen und Patriarchalinnen mit poll ti - s ch e m Feminis mus konfrontiert werden. tellektuelle Inzucht und Gehirnwäsche - wie jeder weiß - an der Tagesordnung, aber von Günther Nenning hatte Ich, da er mir, wie ge- sagt, als politisch-kritischer und undogmati- scher Journalist aufgefallen war,und da er ja auch seine Bereitschaft als "Starthelfer der Frauenbefreiung" fungieren zu wollen, im NEUEN FORUM bekundet hatte, naiverweise angenommen, daß er sich für den FEMINIST ganz besonders Interessieren würde. Oder war vielleicht die Frühphase der Frauen- bewegung für ihn schon abgeschlossen und wir dazu ausersehen, daß Werk nun allein zu voll- bringen? Aber zitieren wir diesen "Überläu- fer aus dem Patriarchat" noch etwas ausführ- licher, denn nicht nur in der Frage der Män- ner als Hilfskräfte der Frauenbefreiung, weil Hauptschuldige 1, gibt es Parallelen zu unse- rer politischen Strategie, sondern auch in der Frage der politisch autonomen Organisation sind seine Überlegungen 1971 mit den unseren fast deckungsgleich: "1. Die Frauen selbst müssen eine politische Organisation schaffen, deren Ziel langfristig die Zertrümmerung der Männergesellschaft ist, mittel- und kurzfri- nein so was war mein erster Gedanke, als ich beim Ausfahren der Münch- stia nennt und seiner (des Förderkreises) Zeitschrift DER ner Frauenzeitung den Titel zum erstenmal las. FEMINIST (zu beziehen über t hristrosenweg 5, 8000 Mün- chen 70, zu DM 4,—). In die Hand und damit auch die zweite Zeile im Titel zu Ge- szyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA icht bekam ich so einen gehefteten Packen Papier an einem Bezeichnend im Impressum: "Herausgeber für den FFP und I nformationsstand nach für mich erfolgreichem Straßenverkauf verantwortlicher Redakteur: Hannelore Mabry". Für sie dürf- te das in nicht "in" sein. der Münchner Frauenzeitung. "Beiträge zur Theorie und Pra- Der Inhalt ist für Frauen, die kein Studium abgeschlossen ha- xis" heißt es da. Ich klappe ein Heft auf und lausche rein. Le- ben, wohl nicht zu verdauen, und für Frauen, die studiert ha- seschwer, schon von der Graphik her. Und, wir Frauen von der ben — Münchner Frauenzeitung seien nicht solidarisch, höre ich. Bei Da verhaut eine energiebeladene, viele vielmehrlingsworte- dem Titel, denke ich mir, nein, da will ich nicht; da will ich trockengebärende Intellektuelle mit schwergreifbaren Massiv- nicht einmal eine Erklärung abgeben, warum ich nicht will. vokabeln Theorie und Praxis toter und alter Männer (oder läßt verhauen). Die Männer, die rechtfertigungsbefreit geduldig Glied bei Glied heute dabeigereiht stehen, dürfen sich dann auch der Feminist nennen. Und was habe ich empfunden?! Mich hat's gewürgt und ge- würgt und gewürgt. Und ich konnte und konnte und konnte mich nicht übergeben, weil ich schon lange keinen Marx und keinen Marcuse und keinen Mann mehr in mir drinnen habe. kf Als dann die Aufforderung an uns Frauen kommt, die Zeitung DER FEMINIST mal den Leserinnen der Münchner Frauenzei- tung vorzustellen und den Inhalt zu besprechen, schnappe ich mir das Material mit dem Vorsatz, es zu lesen. Ich erfahre, daß es einen FFP gibt: Förderkreis zum Aufbau der Feministischen Partei, mit 1. Vorsitzender und 2. Vorsit- zender, mit Zielen, Informationsabenden, Podiumsdiskussio- nen und einer Frau, die sich doch sage und schreibe Femini- Nur naiv-neugierige und "scheißliberale" (im Jargon der "Linken") Frauen und Männer sind noch Imstande, sich für die Bedeutung eines Be- griffs, der ihnen zunächst fremd und ungewöhn- lich Ist, zu Interessieren, sich mit Ihm zu be- schäftigen und auseinanderzusetzen. Bei rechten 114c1 linken Dogmatikern des Patriarchats Ist in- stig eine Serie von Reformen Innerhalb des Systems, aber strategisch hingeordnet auf dessen Beseitigung... Die Frauen, oder doch eine politisch ausreichende Minderheit der vifsten unter ihnen, zum Bewußtsein ihrer La- ge zu bringen, sodann zum Kampf gegen ihre Unterdrückung und Ausplünderung - das Ist 3

eine Aufgabe, die nicht geleistet werden kann von einer b e s t e h ende n Frauenorganisation innerhalb bestehender Parteien und Interessen- verbände, vermutlich auch nicht von bestehen- den Organisationen und Gruppen der Linken. Auch in diesen, erst recht natürlich in traditio- nellen Parteien und Verbänden (einschließlich Sozialdemokratie, KP, Gewerkschaften) sind Ideologie und Verhaltensmuster der Männerge- sellschaft herrlich ( ! ) tief verwurzelt. Auch auf der Linken sind die Mädchen hauptsächlich zum kostenlosen Haushalten und Vögeln da. Auch auf der Linken sind wir Männer Schweine." Und auch in der Frage der Gewerkschaften - nicht nur der Partei - teilte Nenning 1 971 unse- re Ansichten: "2, Im ökonomischen Bereich ginge es, im Be- trieb wie überbetrieblich um Bildung v on "Frauengewerkschaften". Ihre Aufgabe wäre der Kampf um gleichen Lohn und Gehalt für gleiche Arbeit, gleiche Einstufung, gleiche Aufstiegsmöglichkeiten. Wiederum können diese Aufgaben - an sich primitiv reformistisch- ge- werkschaftlicher Art - von den be stehenden Organisationen, den traditionellen Gewerkschaf- ten und deren Frauenorganisationen, nicht wirksam wahrgenommen werden. In den Gewerk- schaften herrschen die Männer. Die Emanzipa- tion der Frau im Betrieb und im Wirtschaftsleben überhaupt bedroht die Privilegien der Männer, verstößt gegen deren (kurzfristige, kurzsichtige) Interessen. Jene Forderungen zugunsten der Frauen mögen auf dem Papier des Gewerkschafts- programmes zu lesen sein, In der Praxis kämp- fen die Gewerkschaften hierfür nur mit halber bis gar keiner Kraft." Und man lese und staune, auch in der Frage des Lohns für Hausarbeit war Nenning in "Wir Männer sind Schweine" bereits auf unserem Kurs • "3. Vor allem ginge es im ökonomischen Bereich um Beseitigung der Hausfrauenarbeit gegen blos- sen Unterhalt, d.h. Kampf gegen kosten- lose Arbeit der Ehefrau, d.h. um Bezahlung eines Hausfrauengehalts . Dazu Ist erst recht keine der bestehenden Frau- enorganisationen bestehender Parteien und Ver- bände geeignet. Zunächst deshalb nicht, weil sie ungeheures Geschrei zu gewärtigen haben über diese neue, unerträgliche, unrealistische usw. Belastung der 'Wirtschaft' usw. Sobald die' Frau- schlecht sondern auch national wie internatio- engewerkschaften' genügend Druck erzeugt hätte nal) von Frauen und Männern gemeinsam gef°,11/ würden die traditionellen Parteien und Verbände, dert und erkämpft werden, sind für uns BegrV da die Forderung dann wahlwirksam wäre, sie fe wie Sozialismus und Feminismus deckungs- aufgreifen, aber, um die 'Wirtschaft' zu scho- gleich. Solange jedoch die Mehrzahl der "Lin- ken" unsere theoretischen Arbeiten wie unser nen, In entsprechender Verwässerung. Der ei- gentliche Kampf bliebe folglich doch bei den ' Frauengewerkschaften' . Sie könnten leicht be- rechnen, wieviel Milliarden durch kostenlose Hausfrauenarbeit sich die Männer ersparen. Die" se selben Milliardenbeträge erspart sich die 'Wirtschaft' , die Lohn und Gehalt quasi kür zen kann um den Gegenwert der kostenlosen Hausfrauenarbeit." Der einzige Unterschied zu unserer Position ist der, daß wir seit einigen Jahren von "Femini- stischer Partei" und "Feministischer Gewerk- schaft" sprechen - nicht mehr von Frauenpartie' und Frauengewerkschaften. Aber 1 971 war so- gar noch unsere Sprache mit Nennings identisch. Allerdings nicht in dem Punkt "Hausfrauenge- halt": da hieß es bei uns von Anfang an und un- mißverständlich Lohn für Hausarbeit. Denn we r die Arbeit macht , ob Frau oder Mann, das ist uns - vom rein ökonomischen Standpunkt aus betrachtet - gleich. Allein aus- schlaggebend ist, daß sie bezahlt wird. Zur Information für diejenigen, die unsere öko- nomische Analyse, die feministische Mehrwert- theorie, noch nicht kennen (und ich gehe wohl nicht fehl In der Annahme, lieber Herr Nennil' daß Sie zu den Betroffenen gehören?) : Wir fordern, daß jede Arbeit, die für einen anderen geleistet wird (also die zur Produktion und Reproduktion fremde r Arbeitskraft dient), entlohnt wird . Wer sie entlohnt: der, für den sie ge- leistet wird, oder der Staat bei Zahlungsunfähi- gen - zum Beispiel Kindern, Kranken und Alten - , das ist für uns zweitrangig. Wir fordern nicht nur, daß jede Arbeit, die für einen anderen geleistet wird, zu entlohnen ist, wir fordern außerdem, daß jede Arbeitsstunde gleich entlohnt wird' mit einem Welteinheitslohn je nach der Weltproduktivität. Und nicht zuletzt wird In einer feministischen Gesellschaftsordnung die außerhäusliche Ar- beitszeit für Frauen und Männer auf 4-5 Stun- den begrenzt, damit Frauen und Männer sow°111 die Hausarbeit, wie die außerhäusliche und vot allen Dingen auch die politische Arbeit gemein' sam tragen und bestimmen können. Und erst, wenn diese drei Grundforderungen hinsichtlich gleichem zeitlichem Arbeitseinsat5 und gleicher Entlohnung (nicht nur nach Ge- I 4

politisches Engagement mit Arroganz und Igno- ranz quittiert, ist vonteberläuferd'keine Rede. Sicher, es gibt mehr und mehr Überläufer in - ne r h a 1 b des Patriarchats: man läuft von links nach rechts oder verkriecht sich in Nischen, wo man einzeln oder auch im Kollektiv "am eigenen Leben bastelt". Aber zu uns sind die Intellektuellen aus dem patriarchalischen Lager nicht überge- laufen, obwohl wir seit unserem Bestehen 1971 einen politischen, einen öffentlichen - aber lei- der keinen massenhaften - Kampf gegen die Aus- plünderer, gegen die herrschenden Patriarchen führen. Wie erklärt sich das ungewöhnliche Verhalten des Chefredakteurs des NF ? Denn im Grunde müßte er sich als politischer und engagierter Journalist für u n s e re Richtung des Feminis- mus doch besonders stark interessieren? Daß Wir in den politischen Analysen und Zielvorstel- lungen nicht Immer übereinstimmen und viele Probleme wie zum Beispiel die der Entlohnung menschlicher Arbeitskraft, sowie die Vorstel- lungen. zur " neuen Familie", zur Promiskuität, zum Militär, zur Gewalt überhaupt, noch einer ausführlichen Diskussion bedürfen, spräche ja nur für die Kontaktaufnahme. Nicht zuletzt, da- mit der Kampf gegen den Kapitalismus, gegen das Patriarchat, besser koordiniert und Inte- griert werden könnte. Und gerade in pragma- tischer und strategischer Hinsicht verbindet uns ja schon seit Jahren - verbal - sehr viel! Auch hinsichtlich den (noch) recht patriarchali- schen Ideen in puncto "neuer Ehe" und "freier Sexualität", die in "Wir Männer sind Schweine" Propagiert wurden, wäre eine Angleichung der Standpunkte nur möglich, wenn man sich im NEUEN FORUM mit unseren Vorschlägen zu einem feministischen Familien- und Scheidungs- recht beschäftigen würde. Die unserer Ansicht nach elementare Abhängigkeit , das Aufeinan- derangewiesensein der Menschen impliziert einen anderen Freiheitsbegriff. Deshalb streben Wir auch eher intensivere Bindungsformen, nicht die totale Austauschbarkeit , die Objekten, Din- gen eigen ist, zwischen Menschen an.Prcmis- kUttät Ist für uns nicht unbedingt die humanste sexuelle Verkehrsform. Mit der Problematik zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA Ehe und Familie im Feminismus wird sich je- doch die nächste Ausgabe des FEMINIST ausein- andersetzen. Heute dazu nur noch so viel: Ich ,Wertete die Ausführungen 1971 lediglich als ein uis kussionsangebot. Ich tröstete mich damit, daß Sie das letzte Wort nicht behalten wollten, 8°ndern von Starthilfe sprachen. Und ganz be- s°nders beruhigte mich Ihr Emanzipationsbe- griff Er weckte sogar einige Hoffnungen: 'rcianzipatIon ist nicht, daß einige Frauen dorthin dürfen, wohin im allgemeinen nur Männer gelangen. Emanzipation ist noch nicht einmal, daß alle Frauen dorthin dürfen. Emanzipation ist nicht Gle 1 c hb e rec hti - gung mit den Männern, sondern E i g e n b e - rechtigung der Frauen." Das hörte sich gut an. Die noch strittigen Fra- gen - z.B. über Sexualität, Kindererziehung, Abschaffung der geschlechtsspezifischen Ar- beitsteilung und des Militärs - würde man sicher gemeinsam angehen und auch zu An- näherungen der Standpunkte kommen können, wenn erst einmal die Achtung, die Autonomie des anderen absolut anerkannt war. Dachte ich - damals. Ich hätte allerdings 1971 schon stutzig werden sollen. Denn die Autorin, die in der "Frauenredaktion: Günther Nenning" mitbestimmen und ihre Ansichten vertreten darf, korrigierte sofort und unmißverständlich den Artikel des Chefredakteurs und Herausge- bers. Sie hielt sehr wenig von Nennings "Kata- log der schicken Ideen" (NF,August/Sept.1971). Heidi Pataki schrieb: "Der Schlachtruf ' Mehr Frauen ins Parlament!' hat einen so verführerischen Klang wie ' Männer ins Bor- dell!' ( Ein merkwürdiger Vergleich - H.M.) Freilich gibt es spezielle Interessen, die nur allein die Frau etwas angehen ( Welche sollten denn Männer nichts angehen? Für mich gibt es solche Interessen nicht. - H.M.) und die sehr wohl einer politischen Durchsetzung in bloß pragmatischem Sinn bedürfen. Sie könn- ten auch durchgesetzt werden, ginge es halb- wegs nach demokratischen Prinzipien zu. Das sind Interessen, die weiß Gott nicht die Grund- festen der Gesellschaft sprengen ( Das Patri- archat gehört nach Patalki also nicht zu den Grundfesten der Gesellschaft! - H.M.). Vor der süßen Utopie der weiblichen 'E i g e nbe - re chtigung ' käme immer noch das hand- feste Ziel der Gleichberechtigung. Denn da der Frau ohnehin unter allen Umstän- den nichts anderes übrigbleibt als ein männliches Leben zu führen ( Hervorhebung H.M.), so müßte man ihr fairerweise dafür die juristischen und sozia- len Voraussetzungen zubilligen." Sind einem diese Verlautbarungen der "Frau- enredaktion: Günther Nenning" bekannt, dann läßt sich nämlich etwas leichter verstehen, warum man eine Politik, wie sie DER FEMI- NIST betreibt und die sich bereits im Titel unserer Zeitschrift manifestiert, im NF un- möglich ernst nehmen kann. Denn bi der Frau- enredaktion des NF wird das Patriarchat als Strukturelement der Gesellschaft einerseits abgestritten und andererseits als unabänder-

liehe Naturkonstante erfahren und dargestellt. Nur der Hausherr selbst hatte - losgelöst von jeder Realität - einmal "schicke Ideen" . Er trat als politischer Transvestit auf. Es blieb allerdings bei einem feministischen Ausrut- scher. Seit dem eigenartigen Zwischenfall des Herausgebers mit "Wir Männer sind Schweine" ist man wieder auf einheitlichem Kurs. Man veröffentlicht nur noch die Texte, die auch in der "bürgerlichen" Presse oder/ und DKP-Zeit- schriften bzw. der patriarchalischen Linken zum Feminismus zu finden sind. Man berichtet über die Ereignisse, die im Patriarchat aner- kannt, ernst genommen oder auch lächerlich gemacht werden. Die politisch und ökonomisch. Schwächsten im Patriarchat: Mütter und erfah- rene Frauen, die übersieht man ganz. Sie er- halten gar keine Chance. Das ist am bequemsten, am einfachsten. Sie existieren noch nicht mal als Feinde. Für ihre Lebenserfahrungen, ihre Leiden oder gar ihre theoretischen Versuche muß man sich nicht interessieren. Sie gehen im Patriarchat sowieso unter. Die meisten haben längst resigniert. Politische Feministen, nein so was! Frauen und Männer, die sich mit Marx und Marcuse, mit produktiver und unproduktiver Arbeit kri- tisch auseinandersetzen, die kann man ja auch leicht übersehen. Sie sind in Österreich und in der BRD, ja international, eine solche Minder- heit. Gegen sie ist hierzulande sogar die patri- archalische Linke stark ! Kein Schwein nimmt politische Feministen ernst. Denn wer weiß, wie schnell man selbst von Schweinen nicht mehr ernstgenommen wird nach einem femini- stischen Solo? Nach seinem 2. Auftritt als "Die Feminist" fühlte sich Nenning offensicht- lich wieder sauwohl unter seinesgleichen. Lie- ber sich selbst immer wieder zum Harlekin ma- chen, als nicht mehr anerkannt werden. Denn jedem Terrorist bringt man mehr Achtung und Aufmerksamkeit entgegen als einem Feminist. Nein, ein Feminist, das kann und will allen Ernstes Nenning nie wieder sein. Und sogar un- ernst erscheint er heute lieber als "die" Femi- nist, damit ihn nur ja alle Schweine als Possen- reißer erkennen. Die Gehirnwäsche und Selbst- reinigung funktioniert im Patriarchat noch nahe- zu perfekt. Wer weiß, vielleicht handelt es sich beim Feminist Nenning wirklich um einen Fall von politischem Selbstmord? Solche Gedanken suchten mich heim als ich mich mit der Entwicklung der Frauenredaktion des NF: Günther Nenning dem Feminismus gegenüber in 8 Jahren beschäftigte. Denn seit dem den letzten zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA hoffnungsvollen Auftakt 1971 gewährte man allein den Gegnern und Gegnerinnen der eigenen schik- ken Ideen zur politischen Strategie in Sachen Frauenbefreiung eine Möglichkeit, sich im NF zu äußern. Denn in Ihrem Blatt schrieben nun nur noch die Frauen - allen voran Alice Schwar- zer - , die mit Feminismus politisch alles ver- einen können oder/und eine Feministische Par- tei und eine Feministische Gewerkschaft ableh- nen. Es sollte mich allerdings nicht wundern, wenn die Mehrzahl dieser Intellektuellen aus dem patriarchalischen Lager in der SPÖ od.SPD od. Gewerkschaft Mitglieder sind trotz ihrer flap- sigen und arroganten Schreibe gegen Vereine, Partei und Frauengewerkschaft:"die andere gruppe, das ist die möchtegernmütterchenpar- tei, die hausfrauen aus leidenschaft (nebenbei- bemerkt: wir sind seit Jahren aktiv für die Par- teiidee, aber eine derartige Gruppe haben wir noch nie in der Realität angetroffen und auch keine Mitglieder, die sich unter diese Charak- teristik einordnen ließen, unter uns angetroffen - H.M.), sie organisieren, ordnen ein, um, checken, terminisieren, korrespondieren, ma- chen, überzeugt davon, daß das system einmal an ihrer besseren einteilung scheitern wird. sie sind permanent überarbeitet, gestreßt, seh- nen sich nach einem sekretäriat, einer schönen koordination, irgendwer muß ja doch die verant- wortung übernehmen, da schlägt angesichts längst abgewandter inhalte (welche Inhalte sind denn und für wen in der Bewegung identisch? - H.M.) die wildgewordene form um sich. die verhinderten bürokratinnen (eine partei schickt (!) sich einfach nicht für die frauenbewegung) orga- nisieren sich an dem nervenzusammenbruch oder parteielntritt - für eine bewegung, die sich längst woanders bewegt. in dem sie ihr rollenverhalten in die bewegung transportieren, die dieses rollenverhalten kritisiert, provozie- ren sie als putzfimmelige mütter den exodus der töchter (!) , deren revolte als totale alle verhaltens- verkehrs- kampf- und organisations- formen meint, die reformistinnen nisten sich ihr nest und puppenheim am rand des weiten mantels der tendenzwende in geschäftigem ver- einswesen. stets die Grenzen vor augen, per- petuieren sie ordnung, hierarchie, delegation von verantwortung, das jeweils herrschende vereinsrecht im kopf und streß im magen." ( Ingrid strobl: ach trendbewußte junge frau - zur neuesten Philosophie des feminismus, NF, Mai/Juni 1979) Der Hausherr selbst verstummte seit seinem Beitrag zur "Männergesellschaft und Frauenbe- wegung" - also seit 1971, aber etliche Ausgaben seines Blattes wurden danach mit diesem Then13 noch gefüllt. Wie gesagt, es schrieben Frauen aller "feministischen" Schattierungen und Frau- 6

en der patriarchalischerninken", deren Klas- senstandpunkt noch nicht geschlechtsspezifisch getrübt ist, sondern die noch sauber den "Neben- widerspruch" vom "Hauptwiderspruch" zu unter- scheiden vermögen. Jedoch Autorinnen, die po- litische Ideen, Zeitschriften und Organisationen mit dem Ziel der FEMINISTISCHEN PARTEI und FEMINISTISCHEN GEWERKSCHAFT propagie- ren, gewährte man nicht ein einziges Mal die Chance, sich im NF zu artikulieren. Sie durften sich nicht einmal verteidigen, wenn sie in die- sem Blatt angegriffen, ja direkt diffamiert wur- den! Politischer Feminismus- so wie wir ihn seit einem Jahrzehnt verstehen - wird von der "Frauenredaktion des NF: Günther Nenning"in brüderlicher Einheit mit den "bürgerlichen" Massenmedien und der sexistischen, sogenann- ten autonomen Frauenbewegung (die Männer allein wegen ihres Geschlechts ausschließt) entweder völlig ignoriert oder ohne sich mit un- seren Publikationen (ein wissenschaftliches Buch über die Relevanz weiblicher parlamentarischer Arbeit für die Emanzipation der Frau: "Unkraut ins Parlament" und 13 Ausgaben der Zeitschrift FRAUENFORUM- Stimme der Feministen sowie 7 Ausgaben der Zeitschrift DER FEMINIST- Bei- träge zur Theorie und Praxis) überhaupt zu be- fassen und eigene Recherchen bei unserer Orga- nisation vorzunehmen , verspottet und verleum- det. Ein derart pubertäres und ich persönlich finde direkt unmenschliches Verhalten hätte ich von einem bald 60jährigen Mann, der sich selbst als "Sozialist" bezeichnet, nicht erwartet. Denn bis auf diese üblen Erfahrungen hatte ich dagtNeue Forums' als ein politisches und kritisches Organ schätzen gelernt, wie gesagt. Daß es sich bei obigem Zitat nicht um eine Ein- zelerscheinung handelte, sondern um die "ge- wöhnliche'und"linke" Aussage pol Itis ch e m Feminismus gegenüber, demonstrieren zwei weitere Beispiele, mit deren politischemGehalt Sie sich, lieber Herr Nenning , vielleicht doch - wenigstens verbal - noch einmal beschäftigen. sollten. Der eine Auszug stammt aus einem In- terview, daß das NF anläßlich des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in Sachen § 218 mit Alice Schwarzer führte. Der andere nun folgen- de Auszug wurde dem Bericht von Roswitha M. Böhm und Waltraud Mayer über das erste femi- nistische Sekretärinnentreffen Im Oktober 1978 in Frankfurt entnommen. Da an der Basis dort der Ruf nach einer Frauengewerkschaft wach wurde, wählte man einen die patriarchalischen Interessen wieder unterstreichenden Titel "Frauengewerkschaft - Warnschild vor einer Sackgasse" (NF, März/April 1979): "Auf dem Kongreß wurde von einem Großteil der anwesen- den Frauen die Errichtung einer eigenen Frau- engewerkschaft gefordert, da die Interessen der Frauen in der bisher bestehenden Gewerk- schaft zu wenig vertreten werden - auch nicht von den 'Alibi' - Frauen... Bedenklich Ist .. • die politische Dimension dieses Vorschlags. Frauen als Geschlecht sind keine eigene Klas- se. Die Frau eines Industriellen hat außer ih- rem Geschlecht nichts gemein mit der Frau ei- nes Fließbandarbeiters (oder einer Fließband- arbeiterin). Frauen unterliegen denselben (!) gesellschaftlichen und ökonomischen Zwängen und Bedingungen wie die männlichen Arbeitneh- mer... Die Gründung einer Frauengewerk- schaft wäre ein Rückzug In ein Ghetto. Frauen können ihre eigene gesellschaftliche und ökono- mische Lage nicht dadurch verändern, daß zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA sie ihre eigene Misere auf ihr Geschlecht zurück- führen und die Männer als Ihre Feinde betrach- ten... Dies bedeutet eine Personalisierung, ei- ne Verschleierung der gesellschaftlichen Ursa- chen der Unterdrückung der Frau und damit gleichzeitig der Klassengegensätze. Durch die Gründung einer Frauengewerkschaft sind Frau- en nicht mehr imstande, ihre Erfahrungen als wirksames Mittel im politisch-revolutionären Kampf einzubringen und diesen mitzutragen. Im Gegenteil, sie arbeiten der Reaktion in die Hand. Indem sie ihre Unterdrückung nur auf die Männer zurückführen, verhindern sie das Er- kennen der Ursachen und Gründe der Unter- drückung, verschleiern dadurch die Klassenge' gensätze und entziehen der fortschrittlichen (sprich: der patriarchalischen "Linken" - H.10 Bewegung ein wichtiges Potential." Und hören wir nun noch die politischen Weishei- ten Alice Schwarzers (zu denen auch die Ableb' nung der Forderung "Lohn für Hausarbeit" und die Befürwortung "Frauen in die Bundeswehr" gehört!), die die Frauenredaktion des NF: Günther Nenning kommentarlos abdruckten, al- so offensichtlich teilten. Brigitte Kirchhoff und Michael Siegert stellten u.a. folgende Fragen: "NF: Wie ist die Lage in der deutschen Frauen' bewegung... Welchen Umfang und welche Forra hat die Aktionseinheit in bezug auf den § 218? ALICE: Im vergangenen Frühling haben über 100 Gruppen in der Bewegung mitgemacht. JetZt sind es ungefähr doppelt so viele. Es gibt Ak- tionsbündnisse mit den verschiedenen Frauen' gruppen, Parteien und so. Wir Feministinnen sind im Augenblick bewußt dabei, die Kontro- versen mit etablierten Frauengruppen abzubau- en. Die haben zwar nicht immer dieselben In- teressen und sind sicherlich nicht Immer voll derselben Radtkalität.Aber wir denken, daß e5 sehr wichtig Ist, eine Spaltung oder ein noch 8

weiteres Auseinandertreiben zu verhindern. Wir wollen da auch nicht einer falschen Radika- lität aufsitzen. Wir sind interessiert, systema- tisch mit Frauengruppen wie Hausfrauenbund, Frauen in der SPD, in der FDP, Familienbera- tung oder mit protestantischen Frauengruppen zusammenzuarbeiten. (Welche"Radikalität"verbletet Alice eigentlich den schwesterlichen Kontakt auch mit katholi- schen Frauengruppen aufzunehmen? Ist es viel- leicht, weil sie sich in Sachen Feminismus einig mit der Vorsitzenden des "Deutschen Evangeli- schen Frauenbundes" und des DEUTSCHEN FRAUENRATS - über 6 Millionen"Mitgliedsnum- mern"1, wie sich Alice wenig später auszudrük- ken beliebt bei Organisationen, auf die sie selt- samerweise nicht"lustvoll"zu reagieren vermag - : Irmgard von Meibom weiß, die sich im" Jahr der Frau" ebenfalls ganz eindeutig g e gen die Er- richtung einer Frauenpartei aussprach? - H.N1.) Wir haben große Lust, uns mal selbst zu über- zeugen, was da los ist, welche Inhalte da ver- mittelt werden, wie sie arbeiten, warum sie so arbeiten. Wir haben Lust herauszufinden, was uns gemeinsam ist, und nicht nur, was uns trennt. Wir wollen uns nicht im Namen einer Radikalität, die es für unfein hält, mit soge- nannten Reformistinnen zusammenzuarbeiten, davon abhalten lassen. Wir sind mehr interes- siert, unsere Inhalte dahin einzubringen, als an der ewigen Kontroverse, dem Palaver mit der Linken, das uns irgendwie nicht weiterbringt. NF: Könnte das in Richtung Frauenpartei gehen? ALICE : Ich sehe das ganz und gar nicht so. Ich bewege mich innerhalb einer radikal-femi- nistischen Strömung. Es gibt in Deutschland nur eine Minderheitengruppe, die für eine Frauen- Partei plädiert und die quantitativ keine Rolle spielt: Hannelore Mab ry in München. An- sonsten hält die deutsche Bewegung heute nichts von einer Frauenpartei. Ich denke, daß man nicht mit den alten Mitteln neue Ziele erkämp- fen kann. Ich weiß nicht wie das in ein paar Jah- ren sein wird. Im Moment erscheint es mir Wichtiger, den Bewußtseinsprozeß voranzutrei- ben (aber selbstverständlich nicht in Sachen Or- ganisation und Feministischer Partei! - H.M.) 1111,, d zu radikalisieren. Das ist wichtiger als das 'ehaffen von neuen Institutionen, in denen die lrauen Mitgliedsnummern sind." (NF, April1975) /Der geschichtlichen Genauigkeit halber und da- 1111.1t aus alldem auch etwas gelernt werden kann: Roll "Minderheitengruppe...die quantitativ keine nolle spielt: Hannelore Mabry in München" vereinte 1975 rund 400 "Mitgliedsnummern", sie • war damals die größte feministische Organisa- tion in der Bundesrepublik. Und die aktivsten "Mitgliedsnummern" des FRAUENFORUM or- ganisierten (allerdings noch in der Mabry- schen Ära) am 25. April 1975 die größte De- monstration in Sachen § 218, die es in der BRD j e gab : 6 000 Menschen protestier- ten im Fackelzug durch die Hauptstraßen Mün- chens und 16 000 zur Schlußkundgebung auf dem Marienplatz gegen das patriarchalische Urteil des Bundesverfassungsgerichts (siehe dazu auch die Berichterstattung im FRAUEN- FORUM , Nr. 2 /1975). Demonstrationen von dieser Größenordnung müssen auch von den Massenmedien zur Kenntnis genommen wer- den, sie prägen sich ins öffentliche Bewußt- sein. Aber Gesetze können Feministen erst ändern, wenn ihre politischen Organisationen ähnliche Größenordnungen erreicht haben und ein eindeutig feministisches Partei- und Ge- werkschaftsprogramm von der Masse der Mitglieder mitgetragen und mitverwirklicht wird. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung mit dem Begriff Feminismus politisch so gut wie nichts anfangen kann, bzw.schon das Wort hier- zulande völlig irrationale und emotionale Re- aktionen und Vorstellungen auslöst , so ist da- ran keineswegs nur die patriarchalische Rech- te, also Kapitalismus und Kirche schuld, son- dern in dem Ausmaß ihres Einflusses (beson- ders in den Universitäten und in den Massen- medien) auch die patriarchalische "Linke" und die neue , sich selbst als "radikal" und "auto- nom" bezeichnende Frauenbewegung. Bleiben die beiden zuletzt genannten Gruppierungen bei ihrer bisherigen Strategie und Theorie und setzt hier in naher Zukunft nicht doch noch ein Solidaritäts- und Lernprozeß ein, dann bleiben uns sowohl Kapitalismus wie Patriar- chat erhalten, oder wir gehen mit ihnen zu- grunde, wie man' s nimmt. Diese Linke und diese Frauenbewegung reproduziert und unterstützt in ihrer Praxis und in ihrer Theorie überwiegend das, was sie angeblich abschaffen will: Kapitalismus und Patriar- chat. Ihr Verhältnis zur Vergangenheit ist wie das zur Gegenwart und zur Zukunft glei- chermaßen schwer gestört. Schau ich mir die letzten intellektuellen, politischen und ethi- schen Offenbarungen der Münchner Frauenre- daktion wie der "Frauenredaktion des NF: Günther Nenning" an, dann werde ich den Ver- dacht nicht los: diese Kämpferinnen und Kämpfer verfolgen nicht die gleichen politi- schen Ziele wie wir.Es sind politische Trans- vestiten innerhalb des Patriarchats. 9

Stuttgarter Kulturleben Donnerstag, 7 . 1979 Die Soziologin Hannelore Mabry bei Niedlich Nicht alle Feministinnen schicken die Männer vor die Tür Konkrete Forderung und Ziele aus der Analyse des Patriarchats Da die Medien nur selten über die Frauenbewe- gung berichten, sind die Vorstellungen, was Femi- nismus sei, in der Bevölkerung oft sehr abenteu- erlich. Dabei hat sie die Kultur und Gesellschaft unseres Jahrhunderts entscheidend verändert und wird von dem Frauenrechtler Ernest Borne- mann „das hoffnungsvollste Zeichen unserer Zeit" genannt. Hannelore Mabry (München), Her- ausgeberin der Zeitschrift „Der Feminist" und Gründerin des „Förderkreises zum Aufbau einer feministischen Partei" (FEP) diskutierte Forderun- gen und Ziele ihrer Gruppe bei Niedlich. Frau Mabry ist Soziologin. In ihrer Di- plomarbeit („Unkraut ins Parlament", als Buch veröffentlicht) analysierte sie die weibliche Parlamentsarbeit im bayerischen Landtag unter der Fragestellung, was das Stimmrecht den Frauen eingebracht habe. Auf Grund des negativen Ergebnisses (die Arbeit in den Parteien und im Parlament hat nicht die Frauen der Bevölkerung, son- dern das Patriarchat gestützt) kam sie zu dem Schluß, daß die Frauenfrage nur durch eine eigene feministische Partei ge- löst werden könne. Eine solche Partei müsse — und damit unterscheidet sich Mabry von den (ge- schlechts-)autonomen Frauengruppen — auch Männern offenstehen. Auch sie sind für die Abschaffung des herrschenden Ge- sellschaftssystems zu gewinnen. Da Mabry den Feminismus nicht biologisch, sondern politisch definiert, gibt es sowohl Patriar- chinnen, die das Patriarchat stärken, als auch (männliche) Feministen, die das Aus-. beutungssystem auf Grund ihrer sozialen Verantwortung bekämpfen. „Feminismus ist politische Praxis und für uns keine Frage der Geschlechtszugehörigkeit, son- dern eine Frage der politischen Moral." Ausgehend von der Tatsache, daß auch in sozialistischen Ländern die Führungs- positionen fest in Männerhand sind, kam sie zu der Einsicht, daß nicht erst der Kapi- talismus, sondern schon das viel ältere Pa- triarchat sich hervorragend auf die Aus- beutung des Schwächeren verstand. Und nicht nur Marx-Jünger können ganz schöne Unterdrücker sein — auch Marx selbst bediente sich gewinnbringend der fünf ihn umgebenden Frauen (Ehefrau, Töchter und Haushälterin), ohne allerdings Profit des Hausvaters in seine Mehrwert- theorie einzubringen. Diese Schwachstelle in Marx' ökonomi- schen Theorien hat die Feministin Maria- rosa Dalle Costa bereits aufgedeckt und korrigiert. Während für Marx nur die au- ßerhäuslich geleistete Lohnarbeit produk- tiv ist und die von ihm als unproduktive Arbeit eingestuften Dienstleistungen der Hausfrau und Mutter nur Gebrauchswert und keinen Tauschwert haben, folglich kei- nen Mehrwert schaffen, sind die Femini- stinnen hier anderer Meinung. Mabry in ihrem Aufsatz „Mit oder ohne Marx zum Feminismus?" (Der Feminist Nr. 1/ 1977, II. Jahrg.): „Wir wollen mit Marx' fruchtbarer dialektischer und historisch-materialisti- scher Analyse nicht mehr vor der Haustür, daß heißt nicht vor der patriarchalischen Institution Familie, beziehungsweise der Mann-Frau-Kind-Beziehung der verschie- denen Gesellschaftssysteme, haltmachen und uns nicht mehr auf einen Abstrak- traum — das Kapital als geschlechtslosen Sündenbock — zurückziehen." Aus dieser (hier biologisch erklärten) Ur- form der Ausbeutung leitet Mabry die zur Überwindung des Patriarchats notwendige Forderung nach ökonomischer Unabhän- gigkeit der Frauen von ihrem Ehemann ab. „Die Hausfrau und Mutter verrichtet Skla- venarbeit beim Hauspatriarchen und er- hält dafür Kost und Logie (ihr Existenzmi- nimum) ... Bei hochdotierten männlichen Angestellten und freiberuflich Tätigen wie Ärzten, Gewerbetreibenden etc. dürfte der patriarchalische Mehrwert, der durch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und durch die Versklavung der Hausfrau und Mutter einzustreichen ist, erheblich sein. Bei manchen reicht er ohne weiteres auch noch zur Unterhaltung einer ,Nebenfrau' — der Bezahlung eines zweiten Sexualobjek- tes und einer daraus entspringenden even- tuellen Nachkommenschaft." Aus der Sicht des Steuerzahlers betrach- tet Ursel F. Leues (in „Der Feminist Nr. 1/ III. Jahrg. 1978) die Frage nach Lohn für Hausarbeit, der nicht via Ernährerlohn, sondern direkt an die Frau gezahlt werden müßte. Schon die Überschrgt weist auf die Problematik des sogenannten Ernährer- lohns hin: „Nicht der Ehemann ernährt die ,Nur-Hausfrau', sondern die gesamte außer Haus arbeitende Bevölkerung finanziert die persönliche Bedienung des Hausherrn! Oder: Vom Märchen, daß ein Mann seine Frau ernähre ... " Was sich unsere Steuer- gesetzgeber da so ausgedacht haben, grenzt teilweise ans Absurde. Die nicht entlohnte und nicht sozialversicherte Hausfrauenar- beit ermöglichst immerhim dem Ehemann, daß er seine Arbeitskraft voll in den Dienst seines Arbeitgebers stellen kann (während Mabrys Ziele sind weniger an großen Ideen als an einem wirklichkeitsnahen, auf Erfahrung beruhenden Verständnis vom Menschen orientiert: „Eine herrschaftslose Gesellschaftsordnung halten wir nicht für utopisch, sondern für völlig illusionär. Es wird sich immer nur um eine Tendenz, eine Bemühung handeln, Herrschaft einzu- grenzen, überschaubar zu machen durch Kritik und Selbstkritik. Es geht darum, die generelle Fähigkeit des Menschen, poli- tisch zu denken und zu handeln, weiterzu- entwickeln, um Macht und Ausbeutung zu bändigen, zu mildern, denn die Möglichkeit zur Ausbeutung ist allein durch biologische Unterschiede immer gegeben." Die Frauenbewegung ist weder in ihren Ansichten homogen, noch in ihren Bezie- hungen untereinander von schwesterlicher Liebe durchdrungen. Der Streit, dem die Männer händereibend zusehen, läuft auch unter den Feministinnen nach bewährten patriarchalischen Machtkampfmethoden ab. Das ist allerdings bei der Komplexität der Probleme auch nicht verwunderlich. Die Frauenkulturzentren sehen in der Ab- sonderung von den Männern eine Notwen- digkeit, um durch ungestörten Erfahrungs- der Ledige selber zusehen muß, wie er sie sich erhält). Die Nur-Hausfrau, die keine Kinder oder mit cirka 40 Jahren die Erzie- hungsaufgabe bereits hinter sich hat, wird von der Gesellschaft — durch hohe Be- steuerung der Ledigen — mitfinanziert. Es gibt also neben den ausgebeuteten, auch die ausbeutenden Frauen, wie sie Esther Vilar attackiert hat, und neben den ausbeu- tenden Männern auch solche, die sich so- zial verhalten. Der Lohn für Hausarbeit ist in Mabrys Konzept nur eine Übergangslösung auf dem Weg zum eigentlichen Ziel, das über eine feministische Kulturrevolution er- reicht werden toll. Wenn nämlich die ge- schlechtsspezifische Arbeitsteilung über- wunden sein wird und der Anspruch von Männern zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA und Frauen auf außerhäusliche Beschäftigung erfüllt ist, wird die vorgese- hene fünfstündige Arbeitszeit Müttern und Vätern genügend Zweit lassen, sich in die Haus- und Sozialarbeit an Kindern, Alten und Kranken zu teilen. austausch zur Selbstfindung zu kommen; ihnen wird von anderen Feministinnen Fa- schismus vorgeworfen. Irrationale und an- tiintellektuelle Tendenzen (Sensibilisie- rung, Mutterkult) werden von den einen als Alternative zur rationalen Männerwelt kul- tiviert, von den andereil dagegen als „theo- rielose, individualistische Mädchenbewe- gung" verspottet. Feministinnen, die sich in den politischen Parteien engagieren, wird Systemkonformität vorgehalten, und die radikalfeministischen Lesbierinnen, die eine totale Unabhängigkeit vom Mann suchen, werden wegen ihrer politischen Wirkungslosigkeit kritisiert. So wichtig das eine und andere auch für den Emanzipa- tionsprozeß sein mag, so sollte man sich doch nicht allzu lange im Gegeneinander statt Miteinander aufhalten und sich all- mählich zu Gemeinsamkeiten durchringen, wo bis jetzt noch keine Übereinstimmung erzielt wurde. Daß Frau Mabrys intellektuell-analyti- sche Arbeit (sie agitiert übrigens auch re- gelmäßig auf der Straße) mit der dezidier- ten Einbeziehung der Männer bei einem großen Teil der Feministinnen auf Wider- stand stößt, ist klar. Trotzdem scheint mir ihr Konzept für die Entwicklung gemeinsa- mer politischer Programme und Strategien eine diskutable Ausgangsbasis zu sein. Sie wird sich allerdings hüten müssen, ihre theoretische Überlegenheit in der Ausein- andersetzung mit anderen Gruppen auszu- spielen und deren Standpunkte von vorne- herein als Irrtum zu erklären. Die Ausbeu- tung durch den intellektuell Stärkeren soll ja im Feminismus abgeschafft werden. Denn ein Feminist ist, wie sie selbst sagt, ein Mensch, „der dafür arbeitet und kämpft, daß die natürlichen und kulturel- len Ungleichheiten durch politisches Han- deln gemildert, durch ständige Bemühung und zielstrebigen Einsatz mit anderen Fe- ministen überwunden .werden". Und an- dere Feministen gibt es eben auch außer- halb der EFP. Die Zeitschrift „Der Feminist", die unre- gelmäßig erscheint und 3,50 Mark kostet, ist in Stuttgart in der Buchhandlung Nied- lich (Schmale Straße 9) erhältlich. Gisela Ullrich

Waten9itlets nitiltrelirProletarger? von P. Schmarling gang ohne Bewußtsein, (=) ohne Reflexion, (=) ohne Kultur': Betrachte das bitte nicht als philologische Se- ziererei; das liegt mir sehr fern und dafür würde ich meine Zeit nicht hergeben. Aus dem später Gesagten wirst Du ersehen, wa- rum mir folgende Frage sehr wichtig ist: Kann man erst reflektieren und sich sozusagen das Ziel setzen, später Bewußtsein zu haben? Gewiß, es gibt die sinnvolle Rede bzw. Erfah- rung von der Revolution, die diejenigen Sub- jekte erst hervorbringt, ohne die die Revolu- tion eigentlich nicht hätte stattfinden können, es gibt den "Prozeßcharakter, der politischen Forderungen und Handlungen eigen ist" und der "immer auch das politische Bewußtsein der Kämpfenden - also das Klassenbewußtsein - stärkt"(S.11) oder erst bildet! Aber jemand muß diesen Prozeß in Gang brin- gen - und wie deren "Initialbewußtsein" sich gebildet hat, stelle ich hier zur Diskussion. Oder ganz konkret: Woher hast Du Dein "fe- ministisches" Bewußtsein? Haben Dir das Dei- ne Eltern in die Wiege gelegt? Falls ja, hast Du Glück gehabt. Ich jedenfalls habe eine So- zialisation hinter mir, die eigentlich nicht vor- sah, aus mir einen Feministen (nach Deiner Definition S.11) oder wie ich es für mich noch immer vorziehe, einen Kommunisten (nach eben derselben Definition) zu machen. (Ich ziehe den Ausdruck "Kommunist" vor, weil er von seiner lateinischen Wortbedeutung her all- gemeiner ist, während das Wort "Feminist" nun eben doch auf eine geschlechtsspezifische Dimension verweist). Eine Replik zu "Alle sind zur Philosophie berufen oder Das Proletariat heute" Geschätzte Hannelore Mabry! "Eines ist sicher, verweigern wir die analyti- sche Arbeit..., dann wird die Lage für alle le- bensgefährlich. Sie ist es schon. Es beginnt mit der Einstellung der Kommunikation." (DER FEMINIST, Nr. 1/79, S.8) In der Tat! Du hast Recht. Die Kommunikation über politische Ziele und Strategien ist schon In weiten Kreisen in der BRD eingestellt und bekanntlich hat sich Resignation breitgemacht. Da ich auch In Deinem Aufsatz Elemente ent- decke, von denen ich glaube, daß sie mittel- oder langfristig zur Einstellung der politischen Arbeit führen können, habe ich mich mal zu- sammengerafft und schreibe Dir eine Kritik, von der ich hoffe, daß sie als solidarische ver- standen wird. Du beginnst mit der Gegenüberstellung von "na- turwüchsig" und "Bewußtsein". Während Marx die erste Arbeitsteilung einen "naturwüchsigen" Vorgang nenne, also "einen Vorgang ohne Be- wußtsein, ohne Reflexion, ohne Kultur", seid Ihr der Ansicht, "daß der Täter, der Arbeits- teiler... Immer wußte und weiß, was er tat und tut" .(S.8) Eure Schlußfolgerung: "Wenn aber... die Arbeitsteilung, die Erziehung, ja die ganze Organisation der Gesellschaft... stets mit Bewußtsein erfolgt, dann können die Menschen die Arbeitsteilung... auch nur mit Bewußtsein wieder mildern, überwinden, auf- heben... Aber dieser Prozeß vollzieht sich nicht naturwüchsig. Er setzt Reflexion und Ar- beit voraus. Die Bereitschaft, sich mit... Problemen... zu beschäftigen."(S .8) Mit dem, was durch diese Gegenüberstellung ausgedrückt wird, sprichst Du ein ganz wesent- liches theoretisches Problem jeder Befreiungs- praxis an - und daß theoretisch gearbeitet wer- den muß, damit die Praxis nicht kopflos wird, habt Ihrja gottseidank begriffen! Doch fällt Dir selbst nicht an Deinen beiden Sätzen, die Ich oben zitiere, der Widerspruch auf, der darin besteht, daß das Bewußtsein von der Zerstörung der eigenen Humanität etc. die Re fle x i on und Bereitschaft schon voraus- setzen soll? Das ergibt keinen Sinn natürlich nur dann, wenn die Begriffe "Reflexion" und "13ewußtsein"gleichgesetzt werden. Und da- nach sieht es im ersten Satz ja aus: "einen Vor- Bei jedem Schritt 'habe ich mir was dabei gedacht' , aber eben nicht das, was daraus werden soll- te. Wie kommt es also, daß ich doch "Kommunist" geworden bin? Bei mir lief das Im Wesentli- chen als Erkenntnisprozeß ab, der Schritt für Schritt, ganz allmählich und mit Hilfe von lin- ken Buchautoren und Journalisten die Wider- sprüche, Verlogenheiten, Heucheleien in die- ser Gesellschaft und ihren ideologischen Trä- gern entdeckte. Bei anderen mag es über 11

Identifikation mit Freunden gelaufen sein. Je- denfalls war am Anfang dieses Weges keines- wegs schon vor-bedacht, wohin er führen sollte. Bei jedem Schritt 'habe ich mir was dabei ge- dacht' , aber eben nicht das, was daraus werden sollte. Ich glaube, das, und nur das, ist bei Karichen mit dem Ausdruck "naturwüchsig" gemeint!!! Für mich, den Akteur (nicht unbedingt "Subjekt") meines Entwicklungsganges, verlief die Sache "naturwüchsig", nicht jedoch für einen außen- stehenden Analytiker. Der hätte mit statistischen Wahrscheinlichkeiten voraussagen können, wohin der Weg führen würde, wenn er mich und meine Situation genauer gekannt hätte. Also: natürlich tun wir Menschen jede unserer Taten mit Bewußtsein, doch das heißt noch nicht, daß wir damit auch die Faktoren im Griff haben, die zur "Tatdisposition" (zur Bereitschaft zu ei- ner Tat) führen. Du sagst es doch selbst: "Zu- erst müssen die Ursachen, die Motivationen und die Folgen der Arbeitsteilung bekannt sein... bevor eine Einstellungs- und Verhaltensänderung vorgenommen werden kann"(S.8). Die sind aber gerade nicht notwendig im Bewußtsein der Tat- handlung impliziert, sondern liegen zunächst einmal - sei es im Frühstadium der Menschheit (in dem wir leider immer noch stecken) oder sei es im Frühstadium eines einzelnen Menschen - "naturwüchsig" vor. Ich halte es für so ungeheuer wichtig, auf die "Naturwüchsigkeit" bestimmter Prozesse oder Verhaltensweisen, also auf die materielle Vorge- formtheit von Bewußtseinsinhalten, zu pochen, weil nur deren Berücksichtigung zu politisch wirksamen Strategien führen kann. Nur wenn man menschliche Verhaltensweisen als in hohem Maße von gesellschaftlichen Umständen beeinflußt be- greift, gibt es eine gewisse Gewähr dafür, daß nicht die ganze politische Arbeit "ins Korn" ge- worfen wird und man zu jammern anfängt, daß die Menschen einfach nichts kapieren w olle n . "Vertreter dieses Vorurteils leugnen die eigene Lebenserfahrung" (H.Mabry in "Viele, aber nicht alle Wege führen zum Feminismus" ,DER FEMI- NIST,Nr. 2/77, S.1). Wenn unter vielen Linken bei uns in der BRD die große Resignation ausgebrochen ist, dann doch gerade deshalb, weil sie im Grunde immer eine bürgerlich-idealistische Betrachtungsweise des menschlichen Verhaltens beibehalten hatten (und es ist nur konsequentestes Extrem einer ideali- stischen bürgerlichen Anschauung, die "Vernunft" den Menschen einzubomben bzw. die Unvernunft wegzubomben, weil ja gesellschaftliches Sein kei- ne Rolle spielt, sondern die Vernunft entweder da ist oder nicht da ist.) Ich habe die Befürchtung, daß Dein Text mehr- mals deutlich solche idealistischen Momente aufweist. Zum Beispiel: "E rst wenn Frauen und Männern bewußt (Herv.P.S.) geworden Ist, ..."(S.8) Ich nehme zu Deinen Gunsten an, daß Du den Ausdruck "bewußt" hier - anders als oben - in weitem Sinne benutzt und damit auch die E r fah rungen meinst, die dazu führen, daß Veränderungen als lebensnot (1) wendig erach- tet werden. Trotzdem will ich darauf hinwei- sen, daß das Bewußtsein eines Sachverhaltes allein eben noch nicht zu einer Änderung des- selben führt. Sonst gäbe es keine Zigaretten- raucher mehr! etc. Das Bewußtsein kann nur die Vorarbeiten leisten, "zum Handeln provo- zieren" (S.15), etwa durch folgende Denk- schritte: Ich will= erfahre es als not-wendig, meine Verhaltensweisen (zu) ändern; die Wis- senschaft hat festgestellt, daß Verhaltenswei- sen durch reale Situationen erzeugt werden; also muß ich zuerst meine Lebenssituation än- dern. Es hat wenig Zweck, einem Zigaretten- raucher zu sagen, er solle mit dem Rauchen aufhören, wenn nicht zuerst die Streßsituation beseitigt wird, die er akzeptiert hat, weil er bestimmten Leistungsnormen genügen will, weil er kein Selbstwertgefühl hat, weil er kei- ne schöpferischen geistigen, handwerklichen, künstlerischen Tätigkeiten ausführt... Diese ganze Kette müßte also zuerst ausgewechselt werden, bevor man mit einiger Wahrschein- lichkeit erhoffen kann, daß jemand vom Rau- chen wegkommt. Doch zurück - oder vorwärts - zur Kernfra' g e : "Wie erreiche Ich diejenigen, die man mit al- len Mitteln anpaßte oder die resignierten - die Mehrheit?" (S .9) Erlaube, daß Ich die Frage zunächst mal so im Raume stehen lasse und einige Seiten, in denen Du viel Kluges sagst, überspringe. Auf Seite 16 nimmst Du die "Naturwüchsig- kelt" wieder aufs Korn und sagst: "Feministen versuchen Inzwischen die Kulturarbeit der I3v triarchen von allen ' naturwüchsigen' Nebeln zu befreien... Jede und jeder soll sehen, .. • wer...vergewaltigt und zerstört. Es Ist nicht das Kapital, es ist nicht die Geschichte... Die Natur ...wird von den Menschen mißhan- delt und vernichtet..." (S.16) Alles ganz richtig, aber die Strategie halte ich trotzdem für politisch ineffektiv: Auf die Frage, we r all das Schlechte tut, wußte clae Volk immer schon eine Antwort: "Die da oben!" und zuckte resigniert mit den Schul- tern, oder wenn es seinesgleichen waren,

dann sagte es: "Die anderen!" und schlug sie tot, und alles blieb beim alten und wiederholte sich von Geschlecht zu Geschlecht, denn man wußte nicht, warum die Schlechten schlecht sind. 'Warum tun sie das, was sie tun?" "Eines ist sicher, verweigern wir die analyti- sche Arbeit und beschränken uns weiterhin auf Aggression, Frustration, Isolation, Illusion und infantile Ichbezogenheit, dann wird die Lage für alle lebensgefährlich". Eben! Deshalb muß die Frage, die wesentliche Frage lauten: "W a rum tun sie das, was sie tun?" Erst mit einer solchen Frage kann die Entpatri- archalisierung in Angriff genommen werden! Sicher, es ist wichtig, darauf hinzuweisen, daß nicht das Kapital, sondern der Kapitalist, der Parteifunktionär, der Wissenschaftler herrscht und die Hausfrau, die Sekretärin, die Studentin etc. sich beherrschen lassen. Und doch ist das Problem mit dem Subjektsein nicht so leicht zu lösen. Zwar ist bei Karlchen die Rede davon, daß das Kapital und die Ge- schichte als Subjekte agieren, die Begriffe re- gieren und die Menschen als Objekte zu Erfül- lungsgehilfen werden, aber das Gegenteil wird von ihm ebenso behauptet. Wenn - "über ein erträgliches (?) Ausmaß weit hinaus" - eine solche Strukturambivalenz vor- liegt, dann anscheinend doch deshalb, weil das Problem von Motivation und Verhalten, von Ge- schichte als Ursache und Geschichte als Resul- tat, von Individuum und Gesellschaft, bisher reit unseren analytischen Mitteln nicht befriedi- gend gelöst werden konnte, es sei denn dialek- tisch, indem ein und derselbe Sachverhalt unter verschiedenen Aspekten betrachtet wird, und dann z.B. einmal als Subjekt/ Objekt - Bezie- hung erscheint, was das andere Mal als Objekt/ Subjekt - Beziehung sich darstellt. (Leider beziehst auch Du eine ambivalente Stel- lung. Würdest Du wirklich die Behauptung ver- teidigen, daß die einzelnen Menschen selbst- herrliche Subjekte der Geschichte sind? Das wäre jedenfalls nichts Weltbewegendes. Die Welt hat sich bisher nie dahin bewegt, wohin die überwältigende Mehrzahl der Menschheit sie eigentlich im eigenen Interesse hätte bewegen ) Mir geht. es hier nicht um eine Marx - Vertei- lgng, sondern um die Kernfrage: "Wie errei- ehe ich die Mehrheit?" Und de r e n Verhalten, sich nämlich beherrschen zu lassen, ist ja das theoretische Problem. Wo eine demokratische I:ersPektive zur Debatte steht, Ist die Frage er dePelten Qualität der menschlichen Hand- engen (beeinflussen und beeinflußt sein) das zentrale Problem! Du wirfst Karlchen vor, daß sein Wunsch nach Aufhebung der Gegensätze, nach Abschaffung der Arbeitsteilung illusionär und nicht mensch- gemäß sei. Das mag sein - in manchen konkre- ten Äußerungen kann ich Dir sogar ohne Zwei- fel zustimmen: Neuordnung und Neuverteilung anstatt Abschaffung der Arbeitsteilung. Aber wenn sich für Dich das "wahre" Wesen des Menschen in Erkenntnis- und Sinnsuche in- nerhalb nie aufhebbarer Gegensätze und Wider- sprüche manifestiert (S.26), dann kann ich nicht mehr mit. Das mit der Erkenntnis suche ("Erkenntnis um der Erkenntnis willen") habe ich schon auf meinem konservativ bis reaktio- nären Gymnasium gelernt. Und immer, wenn in der Uni irgendein unsinniges Forschungspro- jekt auf den Tisch kommt, das keinerlei abseh- baren Nutzen für andere als die Beteiligten hat, dann wird es "um der Erkenntnis willen" durch- geführt... Ich halte Deine Definition für einen kleinen Schnitzer - doch denk mal darüber nach; be- achte, daß Du selbst spekulierst, wenn Du an- fängst, vom "wahren Wesen" zu reden. Ich weiß, wir können es nicht lassen und bei Pro- jekten, die über das Hier und Heute und die Grenzen des eigenen Bauches hinausgehen, ist diese Spekulation eine notwendige Leitidee, ein "Postulat", eine Arbeitshypothese. Aber sie sollte stets als solche auch kenntlich gemacht werden. Ich halte jedenfalls die Idee von Gleichheit (Achtung: Ist ein juristischer Begriff und be- zieht sich auf Kriterien, nicht auf Personen- merkmale: ich möchte vor Gericht nach den gleichen Kriterien beurteilt werden wie ein an- derer, obwohl ( I) ich gerade nicht gleich bin wie sie oder er...) und Freiheit, von Identität und Widerspruchslosigkeit nicht für unange- messen. Ich ziehe aber nicht als notwendige Schlußfolgerung daraus, "das Leben gewalt- sam in ein bestimmtes System zu pressen" (5. 26). Darüber, wie die Organisation aussehen müßte, unter der selbstverantwortliches Leben mög- lich wäre, wie die bereitgestellten Möglichkei- ten sein müßten, äußerst Du Dich ziemlich va- ge und jeder bürgerliche und christliche Ideo- loge könnte es genauso wie Du in dieselben Worte fassen: grundsätzliche Abhängigkeit - sein Leben selbst planen - Arbeit, Sinngebung und Konfliktaustragung ist sein Leben - Fähig- keit, Gegensätze in der Natur wie in der Kul- tur wahrnehmen - ständige Konfrontation und Kooperation mit anderen Menschen etc. Das einzige, was neu ist und nicht aus der Ge- 13

betsmühle unserer Chefideologen stammt, wäre die Forderung, daß die Menschen ihre materiel- len wie ideellen Bedürfnisse als Be z 1 e hun - ge n sehen müssen. Gut sol "Wir wollen unsere Institutionen... so verän- dern, daß alle Menschen selbstverantwortlich politisch handeln können" (S.26). Ausgezeichnet? Über das Ziel wären wir uns also schon einig. Jetzt käme es nur noch darauf an, den Konsens in der Methode, im Weg zu gewinnen! Wie sehen die Schritte dahin aus? Ihr fordert die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Ar- beitsteilung und die Verkürzung des außerhäus- lichen Arbeitstages. O.K. ! Ihr wollt immer ge- nauer und konkreter bei der Identifizierung der Täter und der Opfer der politischen Vorgänge werden. O.K. ! Ihr wollt die verschiedenen Ab- hängigkeiten präzisieren, die Unterdrückung und Ausbeutung nach sich ziehen können, nicht müs- sen. O.K. ! Doch ist damit schon beantwortet, wie mit einem solchen Programm die Mehrheit zu erreichen sei? Hier mangelt es an Analyseleistung! Statt- dessen beginnt Ihr wieder mit bürgerlich- ideali- stischen Aufforderungen : "Wir richten die Aufforderung, uns in diesem Kampf zu unter- stützen und sich mit uns zu solidarisieren an je- den Menschen..." (S.27) Die Bedingungen, unter denen Menschen bereit sind, solchen Aufforde- rungen Folge zu leisten, werden nicht untersucht Das führt dann logisch zu der politisch ineffekti- ven Definition von "Proletarier" . Warum be- zeichnet Ihr eine Gruppe einmal mit "Feministeri' und einmal - in derselben Hinsicht -"mit Prole- tariat", wobei nur der Maßstab des äußeren Ver- haltens gelten soll? (Behaviorismus?) Damit wird der Begriff "Proletariat" gerade seiner po- litischen Funktion beraubt und wird zu einer nur noch beschreibenden Kategorie, eine ex-post- Definition: "die sich auf die Seite der Schwäche- ren, der Unterdrückten stellen" (S.27). Bei Marx hatte die Kategorie "Proletarier" noch die Funktion, diejenige(n) soziale(n) Gruppe(n) ausfindig zu machen, die aufgrund ihrer Lebens- situation am wahrscheinlichsten auf ein Selbstbe- freiungsprogramm ansprechen. Das Ist eine Fra- ge des sparsamen, überlegten Einsatzes von knappen Ressourcen (politisch bewußten Men- schen, Geld etc.)! Gewiß, man kann sich in die Wüste stellen und laut rufen und appellieren, und wenn sich nichts tut, die Rufarbeit einstellen und selbstgerecht ("Ich habe alles getan, was ich tun konnte") und mit gutem Gewissen wieder seinen eigenen Ich- orientierten Kleinkram machen, aber eine objek- tive Analyse solchen Verhaltens würde darauf verweisen, daß der Prophet aus Bequemlichkeit unterlassen hat, die schwere Analysearbeit auf sich zu nehmen und die Oasen aufzusuchen, wo ansprechbare Menschen vermutet werden kön- nen. Die Bereitschaft, mich so oder so zu entscheiden, hat Gründe, über die nicht i c h entschieden habe! "Ob ich das ' Kapital ', das Materielle... höher bewerte als die Beziehungen der Menschen..., das ist meine subjektive Entscheidung auch als Arbeiter, auch als Mutter" (S.27). Du machst es Dir zu leicht und argumentierst hier gegen frühe bessere sozialpolitische Einsichten (etwa auf S. 9/10). Ich lebe auch ohne Auto, ohne Fernseher, ohne Hihfi- Anlage, ohne Hasch oder Zigaretten etc., aber ich wäre sehr selbst' gerecht, wenn ich meinen würde, daß meine Be- reitschaft zu asketischem Leben aus purer Selbstentscheidung entsprungen wäre (und des- halb von hohem moralischen Wert). Die Bereit- schaft, mich so oder so zu entscheiden, hat Gründe, über die nicht ich entschieden habe! Ich habe solche Auseinandersetzungen des öfte- ren mit einigen konservativen Freundinnen und Freunden, die genau mit diesem rundum freien und spontanen Willen argumentieren und etwa Arbeitern vorwerfen, daß sie ihren Lohn ver- saufen oder immer wieder ein neues Auto kau- fen, also gar nicht mehr Lohn brauchen usw. Also sind alle Menschen, Abermillionen von In- dividuen, die den Faschismus, den Kapitalis- mus und den patriarchalischen Sozialismus als Wertsystem und Gesellschaftsordnung befür- worten und mitgetragen haben, schlecht und un- verbesserlich und es wäre das beste, Atom- bomben auf sie zu schmeißen, wenn sie unsere Appelle in den Wind schlagen? "Wo ist der Widerstand des Proletariats ?" (5.28) Warum fragst Du danach, wo Du doch schon de" finiert hast, daß das Proletariat diejenigen sind' die "nicht wegschauen, die sich solidarisieren und organisieren, um Kriege zu verhindern" (S.27) ? Wenn diese Definition gilt, dann kannst Du doch nur noch fragen: "Warum gibt es nicht m e h r Proletarier?" Und wenn die Nicht-Proletarier (nach Deiner Definition) bewußt Nicht-Proletarier sind, wie kannst Du dann davon sprechen, daß sie das Prinzip ihrer Unterdrücker verinnerlichen, und das nicht nur auf Kosten anderer, sondern auf Kosten ihrer eigenen Humanität etc. (S.28)' "Verinnerlichen" meint doch das Entziehen aus der handhabbaren und definierbaren äußeren Objektivität oder Gegenständlichkeit in einen Raum, der sich der Kontrolle, der Bewußtheit 14

gerade entzieht. Wer würde schon bewußt ge- gen seine ureigensten Interessen arbeiten? Du beschreibst (!) es doch selbst ganz richtig: "Jeder, der sich diesem System wirklich unter- wirft, funktioniert mehr und mehr automatisch. Das Programm läuft und läuft und entleert ihn" (S.28). Am Anfang Deines Aufsatzes (S.10) erklärst Du sogar die Ursachen dieser Unt- erordnung (Verdrängungsmechanismus etc.) In einem Satz bringst Du sogar Erklärung und Beschreibung zusammen (wobei ich die Erklä- rung hier für falsch halte) : "Man braucht Gott oder den Weltgeist oder das Kapital... als er- lösende oder strafende Institution, weil diese Menschen (Offensichtlich ist die Mehrheit der Individuen gemeint; P.S.) die Widersprüche... nicht. . . ertragen. . .w olle n . " (S .28) Da kann man nur noch beten, daß sie eines Ta- ges anders wollen Euer (oder nur Dein?) feministisches anthropo- logisches Vorverständnis scheint mir Relikte aus der Erbsündentheorie zu enthalten: Der Widerspruch beginnt "nicht erst zwischen In- dividuum und Individuum und zwischen Individu- um und Gesellschaft, sondern bereits im Indivi- duum selbst - er ist konstitutionell, gehört zum Wesen des Menschen" (S.29). "Welche Individuen (und warum überhaupt) die Private Aneignung der gesellschaftlichen vor- ziehen und welche dazu aufgrund von biologi- schen und geographischen Abhängigkeiten weni- ger prädisponiert sind, diesen Fragen ist er nie nachgegangen" . (S.29) IRRTUM! Das ist eine der wesentlichsten - wenn nicht überhaupt die wesentliche - Fragestellung von Marx schlechthin! Und Ich versuche die ganze Zeit, Euch gerade diese Fragestellung nahezulegen, anstatt vor- schnell den Menschen den freien und autonomen Willen unterzujubeln und dann über kurz oder lang die politische Arbeit resigniert einzustel- len, weil die Individuen sich nicht gemäß Ihrem angeblich freien Willen so verhalten, wie sie es tun sollten. Ich sehe also gerade in einem solchen anthropo- logischen Vorverständnis die Gefahr der Entpo- litisiere ng - und sie breitet sich ja zur Zeit aus Wie ein Ölfleck (seelische Umweltverschmut- zung!); deshalb habe ich mich hingesetzt und dieses - leider sehr lang gewordene - Opus ge- schrieben. Dein Aufsatz hat mich allerdings auch beson- ders dazugereizt, weil immer wieder Berüh- rungsPunkte bzw. Meinungsgleichheiten (beson- ders im deskriptiven Teil) auftraten. Zum Bei- sPiel: "Nach unserem... Vorverständnis wird kein Individuum mit einer an sich gesellschaftlich "positiven" oder "humanen" Einstellung gebo- ren." (S.29) Ganz meiner Meinung! Es wird aber auch nicht mit angeborenen Widersprü- chen in die Welt gesetzt? Sondern es wird so- zial betrachtet als "tabula rasa" geboren, und "zu einer Einstellung gelangt es allein durch Imitation, Lernen, subjektive Arbeit, Refle- xion" (S.29). Offensichtlich in zeitlich nach- einander folgenden Schritten, wovon die bei- den letzten Schritte, "subjektive Arbeit" und "Reflexion" von den meisten Individuen nicht vollzogen werden, weil die ersten beiden Schritte verkorkst wurden! Ich gebe zu, daß der Hinweis auf ansoziali- sierte Verhaltensweisen ebenso zu einer Ent- politisierung führen kann, nach dem Motto: "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nim- mermehr" . Aber doch nur,wenn man auf hal- bem Wege stehen bleibt und zum Beispiel nicht berücksichtigt, daß der Sozialisations- prozeß lebenslang wirksam ist. Jedes einzel- ne Individuum ist Drehpunkt zwischen Natur und Kultur. Es wird durch Geschichte / Um- welt gemacht und macht seinerseits Geschich- te / Umwelt. Individuen, die aufgrund günsti- ger Umstände eher ihre Situation auf den Be- griff bringen konnten als andere, können bei diesen die Mutation von Naturwüchsigkeit in Kulturwüchsigkeit nur dann beschleunigen oder effektiv herbeiführen, wenn sie deren aktuelles Verhalten jeweils auf die Bestim- mungsfaktoren hin untersuchen. P.S. Was bei der Strategie vielleicht etwas Ver- wirrung stiftet, ist der Sachverhalt, daß bei Aufklärungsarbeit genaugenommen an zwei Fronten gekämpft (!) werden muß: an der äus- seren und an der inneren; d.h., einerseits soll bei anderen Lebewesen deren Potential zur Menschwerdung (Kritik-, Reflexions-, So- lidarisationsfeigkeit u.a.) "aktiviert"werden. Andererseits wollen diejenigen, die auf die- sem Wege schon etwas fortgeschritten sind (und die gerade deshalb erkennen, daß die Vollendung ihrer individuellen Menschwerdung, ihrer persönlichen Selbstentfaltung unabding- bar an die Menschwerdung der gesamten Gat- tung gebunden ist), bei ihren Bemühungen Er- folgserlebnisse haben, erkennen, daß ihr Ein- satz Wirkungen zeigt. Erfolgserlebnisse haben zu wollen und zu ha- ben ist, wie uns die Psychologen gelehrt ha- ben, von ganz wesentlicher Bedeutung für Identitätsfindung und seelische Stabilität über- haupt. Aber sie lassen sich nur schlecht bei politi- 15

scher Aufklärungsarbeit erzielen. (So etwa kommt fast jeder zweite Entwicklungshelfer zu- rück und beklagt sich, daß sich trotz seines Ar- beitseinsatzes in zwei (1) Jahren nichts geändert habe). Deshalb plädiere ich dafür, nicht alles auf e ne Karte zu setzen und emotionale Erfolgserlebnis- se nicht in der politischen Tätigkeit zu suchen, sondern im kleinen überschaubaren Bereich, wo "rewards" auch tatsächlich erwartet wer- den können. Dann kann man/frau mit ruhiger Hand und lan- gem Atem seinen Beitrag an der zukünftigen Befreiung der Menschheit leisten, auch wenn die Anzeichen nicht darauf hindeuten, daß schon morgen die Revolution ausbricht. oder wie werde i zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA «etw /1; Lieber Paul Schmarling, Du vermutest einen Widerspruch in meinen Aus- führungen, der darin bestehe, "daß das Be - wu ßtsein von der Zerstörung der eigenen Hu- manität etc. die R e f l e x i on und Bereitschaft schon voraussetzen soll" . In den Sätzen zur Ar- beitsteilung, die Du auszugsweise zitierst, habe ich aber nur behauptet, daß die Täter, die Ar- beitsteiler, wußten, daß sie die Lebenschancen Anderer, z.B. der Frauen, minderten, deren Humanität zerstörten; ich habe n i c h t behauptet, daß sie auch wußten, daß sie durch ihre Handlun- gen die e i g e ne Humanität zerstören! Die Pas - sage über die Zerstörung der eigenen Humanität ist erst 20 Seiten später zu finden und lautet wie folgt: "Das Patriarchat ist noch immer an der Macht, weil die Mehrheit der Individuen - der "Arbeitgeber"- und der "Arbeitnehmerklasse"- schon zu ihren Lebzeiten die Hoffnung auf Befrie- digung ihrer ...Bedürfnisse aufgeben und das Prinzip ihrer Unterdrücker verinnerlichen: auf Kosten "Dümmerer" leben zu wollen. Die Ver- wirklicher dieses Systems (bzw. dieses Prinzips) sind und bleiben aber immer die Dummen. Wenn es ihnen überhaupt gelingt "Kapital" zu machen, dann nicht nur auf Kosten anderer. Sie verkürzen ihre eigene Humanität, Reflexionsfähigkeit und die Chance, sich selbst zu erfahren. Jeder, der sich diesem System wirklich unterwirft, funktio- niert mehr und mehr automatisch. Das Programm läuft und läuft und entleert ihn."(5.28) Hier kon- statiere ich als Analytikerin die Folgen der Hand- lung für den Handelnden. Der Handelnde verkürzt seine Humanität , weil er verdrängte, nicht re- flektierte oder /und weil seine Informationen und Kenntnisse über die Situation wie über die Folgen seiner Handlungen seine analytischen Fähigkeiten überstiegen. Denn bewu ßte Selbstzerstörung ist sicher die Ausnahme und nicht die Regel. Wä- re sie nicht die Ausnahme und vollzögen die In- dividuen alle Handlungen selbstkritisch, ja gar mit höchstem Informations- und Wissensstand, dann wäre Resignation wirklich angebracht und wir 16 würden wohl alle früher oder später unsere po- litische Arbeit für den Feminismus einstellen! Aufgrund unserer Lebenserfahrung und unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse haben wir aber allen Grund die Flinte nicht ins Korn zu werfen; denn die Sozialisation des Individuums wie die der Menschheit währt lebenslang. Du hast - so vermute ich - in dem Fall der "Zerstörung der eigenen Humanität" eine Über' bzw. ausgesprochene Fehlinterpretation began- gen, weil Dir meine Position in manchen Mo- menten "bürgerlich-idealistisch" erscheint. Durch Deine Auswahl und Interpretation der Zitate wolltest Du diesen Eindruck verstärken. Nun, zu Deinem Vorwurf kommen wir später. Zuerst möchte ich noch etwas zur insgesamt von uns beiden behandelten Problematik des Verhältnisses von Subjekt und Objekt (beeinflus" sen und beeinflußt werden) im sozialen und po' litischen Bereich ausführen. Im Grunde sind wir uns in der dialektischen Be- trachtung gesellschaftlicher Prozesse ja einig. Was uns noch (?) trennt, ist die Bewe r tu ng der objektiven und der subjektiven Faktoren. Um es auf einen Nenner zu bringen: Du übe r' bewertest meiner Meinung nach die objektiven innerhalb der sich insgesamt wechselseitig be- einflußenden Faktoren und ich versuche die Aufmerksamkeit wieder mehr auf die subjekti- ven Faktoren zu lenken. Was nicht heißt, daß ich sie überbewerte, sondern lediglich, daß ich sie in meiner Auseinandersetzung mit Karlchen und seinen Nachfolgern allein deshalb besonders hervorhebe, um schließlich zu einer gle i chge wi c ht ge n Betrachtung beider Faktoren zu kommen. Und eine gleichgewichtige Betrachtung der Faktoren (biologisches Erbe und Kultur bzw. Umwelt) ist meiner Ansicht nach zur Er' klärung der Realität wie der Geschichte ange- messener und sinnvoller. Was ich In der von Dir ausschnittweise zitier" ten Passage über das Bewußtsein der Täter in

Bezug auf "naturwüchsiges" im Gegensatz zu "bewußtem" Handeln aussagte, basiert nach meinem Dafürhalten auch auf keinem theoreti- schen Widerspruch. Und das, obwohl das Wort "Reflexion" von mir sinngleich mit überlegtem, ion Der Mensch dachte und denkt sich was, sowohl vor, wie bei, wie nach seinen Handlungen - er reflektiert. mit bewußtem Handeln verwendet wird. Ich wag- te zu behaupten: der Mensch dachte und denkt sich was, sowohl vor, wie bei, wie nach seinen Handlungen - er reflektiert. Was ich nicht be- hauptete: daß er stets alle Ursachen und Fol- gen seiner Handlungen kennt oder/und mitbe- denkt. Und worum es mir in "Alle sind zur Philosophie berufen..." in erster Linie ging, das war um die bewußten Bewertungen und Handlungen von Menschen. Im Mittelpunkt stand die Kritik patriarchalischer Wertvorstellungen, Ideologien und Philosophien. Ich griff Marx wegen seiner Verwendung des Wortes "naturwüchsig" zur Be- schreibung "kulturwüchsiger" Vorgänge an und behauptete, daß die Ungenauigkeit der Wort- wahl nicht allein auf sprachliche Nachläßigkeit zurückzuführen ist, sondern ideologische Mo- mente erkennen läßt. Ideologie wird hier im Sinne von "falschem Bewußtsein" gebraucht. Es geht mir um die Kritik der Denker, denen man mit Recht ein "kritisches Bewußtsein" is- nachsagt und die sich auch selbst als Vertreter )0- einer gesellschaftskritischen Theorie verstehen. Karlchen hat sich bestimmt was dabei gedacht, als er das Wort "naturwüchsig" zur Beschrei- bung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung Wählte bzw. von "naturwüchsiger Armut" sprach aber, wie ich darzulegen versuchte: etwas Falsches, zumindest den Leser Irreführendes. Wenn die Menschen bewußt und kritisch über das "Naturwüchsige" sowie den "naturgeschicht- licherf'Charakter des Individuums wie den der Menschheit nachdenken, dann ist das "Natur- wüchsige" bei Marx im Grunde nichts anderes als eine von- meiner Ansicht nach- mehreren Energiequellen des Menschen: und zwar der Ego- ismus, "unbewußte" Selbs te rhaltung=Angst vorm 'Ib Friedrich Engels beschrieb den Vorgang sehr genau , nur daß er den Willen des Einzelnen, Log die Kritik und Selbstkritik des Subjekts,durch seine Beschreibung wieder entwertet, da die Reflexion auf das objektive Produkt - in diesem Falle die kapitalistischen Produktionsverhält- nis se - aber nicht mehr auf die als Indivi- duen durchaus bewußt handelnden Subjekte L gelenkt wird: "Denn was jeder einzelne will (!), wird von jedem andern verhindert, und was herauskommt, ist etwas, das keiner gewollt hat. So verläuft die bisherige Geschichte nach Art eines Natur(l)prozesses und ist...wesent- lich denselben Bewegungsgesetzen unterwor- fen" .(Brief v. 21 . /22 . 9.1890 an J. Bloch, in: Marx/Engels, Ausgewählte Briefe, S .503) Hätten Marxund seine Epigonen genauso aus- giebig und kritisch über das Individuum wie über die Gesellschaft als Ganzes nachgedacht, dann wären Fehlentwicklungen wie Bürokra- tismus, Dogmatismus, Stalinismus in den Ländern des "real existierenden Sozialismus" möglicherweise nicht in diesem Ausmaß aus- gebrochen. Und wiederum nur als ein histo- sches Ergebnis - als bewußte Reaktion und Aktion - entwickelte sich die "Kritische Theo- rie" (Horkheimer, Adorno, Marcuse etc. ), die das Subjekt der Geschichte wieder stärker ins Bewußtsein rückte. Das heißt nicht, daß diese Theoretiker in allen ihren Aussagen ge- nau wie Marx selbst immer ins Schwarze getroffen bzw. der Wahrheit oder höchstmög- lichen Erkenntnis am nächsten kamen. Irren oder/ und ungenaue, nicht-aufklärerische Formulierungen sind "menschlich". Das Irren wird wohl bis ans Ende aller menschlichen Tage ein Faktum bleiben, dagegen das Aus- maß des Irrens können wir einschränken durch Arbeit , Kommunikation und Reflexion. Und Formulierungen wie "Solang die Weltge- schichte ihren logischen Gang geht, erfüllt sie ihre menschliche Bestimmung nicht" (Max Horkheimer, 1 942), sind nicht nur ideo- logisch,sondern schlichter Stuß! Sie suggerie- ren nicht nur, daß die Menschheit "Ihre Be- stimmung", sondern auch den Gang der Weltge- schichte durchschauenkönnte. Die Weltge- schichte als Ganzes zu erfassen , ist dem Individuum - schon allein aufgrund seiner Sterblichkeit - verwehrt. Selbst über die Vergangenheit - Entstehung und Entwicklung der Menschheit - werden wir immer unvoll- ständig reflektieren, allein die Zukunft(und da auch nur das Sterben) können wir selbst bestimmen. Aber selbst wenn eine Anzahl von Menschen heute in der Lage ist,alles menschliche Leben auf der Erde zu vernich- ten, heißt das noch immer nicht, daß sie das Leben oder den Tod oder den Gang der Weltgeschichte begriffen hat Wie könnte sie sonst ein weltweites "over-kill- System" er- richten? Denn der Sinn, die Logik des Le- bens kann ja nicht der Tod sein, oder? Sol- chdt Logik" mag,wie die Aussage von Max Horkheimer,verstehen wer will. Für mich hat Horkheimer ein Phänomen und soziales 17

Problem, das tatsächlich vorhanden ist, unlo- gisch, ungenau und eitel formuliert. Wenn man sich als Sozialwissenschaftler und Philosoph allein durch die abstrakte Sprache, aber nicht durch Information und Aufklärung vom Laien zu unterschieden weiß, hat man den "Sinn" die- ses Berufes in meinen Augen verfehlt. Denn selbstverständlich hat sich auch Horkheimer bei der Formulierung dieses Satzeg'etwag'ge- dacht - nur: nicht lang und intensiv genug! Und so mißlang der Satz im Inhalt und in der Form. Immerhin, es ist das Verdienst Horkheimers , Adornos, Marcuses etc. besonders eindringlich auf die Bedeutung des jeweiligen Bewußtsein s- s tande s der handelnden Subjekte für die Hu- manisierung der Gesellschaft hingewiesen zu haben. Siegelten zu Recht als die ideologischen Väter der Studentenbewegung - und zum Teil auch der Frauenbewegung. So schrieb Horkhei- mer im Aphorismenbuch DÄMMERUNG (dies- mal klar und unmißverständlich) :"Die sozialisti- sche Gesellschaft ist historisch möglich; ver- wirklicht wird sie aber nicht von einer der Ge- schichte immanenten Logik, sondern von den... zum Besseren entschlossenen Menschen, oder überhaupt nicht." Und Alfred Schmidt' s Darstel- lung von und seinen Reflexionen über Horkhei- mers theoretische Position , dessen lesenswer- tem Bändchen "Die Kritische Theorie als Ge- schichtsphilosophie"( Reihe Hanser Nr.207, Mün- chen 1976) wir die obigen Zitate entnahmen, kön- nen wir uns nur voll anschließen:"Im Übergang zu einer qualitativ neuen Gesellschaft, schreibt Horkheimer, ' soll die Menschheit sich ...erst- mals zum bewußten Subjekt konstituieren und ak- tiv ihre eigenen Lebensformen bestimmen' ; sie ist ein ' Zustand ohne Ausbeutung und Unterdrük- kung, in dem tatsächlich ein umgreifendes Sub- jekt, das heißt die selbstbewußte Menschheit existiert und in dem.. ,von einem die Individuen übergreifenden Denken gesprochen werden kann' . Diese Utopie ist moralisch (1) zu verstehen - nicht Im Sinn dogmatischer Metaphysik. Horkhei- mer ist sich schon früh darüber im klaren, wie wenig der hegelianische Glaube an die Vernünftig- keit des Geschichtsprozesses - er wirkt strecken- weise in Marx fort - dazu beiträgt, einen solchen Zustand herzustellen." (S. 98/99,88 ff.) Vom "unbewußten" zum "bewußten" Handeln Darin sind wir uns sicher alle einig: Die Entwick- lung vom "Naturwüchsigen" ( angemessener und treffender finde ich "Archaischen`', einen Begriff den Marx auch häufig zur Beschreibung dieses 18 "menschlichen" Verhaltens benutzt) bis zum "vollen Bewußtsein" (im Sinne von selbstkri- tischem, stark reflektierendem Bewußtsein) ist weder für die Menschheit insgesamt noch beim Individuum scharf abgrenzbar. Um aber dennoch etwas mehr Licht in das Dunkel des "Naturwüchsigen", des "Unbewußten", des "Archaischen" zu bringen, scheint mir eine Beschreibung bzw. Unterscheidung von drei Bewußtseinsstufen recht brauchbar. Freud verwendete die Begriffe "Es" - "Ich"- "Überich" zur Analyse der Vorgänge, die sich zwischen "Unbewußtem" und "Bewußtem" ab- spielen. Alles auf diesem Gebiet ist nach wie vor mit einer gehörigen Portion Spekulation besetzt, um es ganz milde auszudrücken. Dennoch sind derartige theoretische Konstruk- tionen hilfreich und sei es zu nichts anderem als dazu, sie als falsch widerlegen und besse- re, adäquatere entwickeln zu können. Worum es in der Wissenschaft geht, Ist ja nicht zu- letzt, brauchbare Methoden und Theorien zur Darstellung und Erklärung von Natur- und Kulturphänomenen zu erarbeiten. Ich schlage also vor hinsichtlich des Charak- ters von Bewußtseinsphänomenen drei Dirnen- sionenvonHandlungen zu unterscheiden, wobei - wie gesagt - der Übergang von einer zur an- deren Bewußtseinsstufe graduell ist: I. ) Unbewußte Handlungen Zum Beispiel alle Handlungen, die in Hypnose erfolgen, im Traum oder In Volltrunkenheit oder unter Einfluß anderer Drogen, im Deliri- um oder völliger Verkalkung oder als Säugling. Also Handlungen, die noch nicht oder nicht mehr durch das Individuum kontrolliert wer- den können, bei denen die bewußte Wahrneh- mung durch äußere oder innere Einflüsse weit- gehend ausgeschaltet ist. Hierhin gehören zum teil auch Handlungen von Neurotikern. Hand- lungen, die nach Ansicht der Freudianer und Psychoanalytiker in den Bereich des "Unbe- wußten" gehören, weil sie mechanisch, zwang- haft ausgeführt werden. Zum Beispiel das leg- nomen der "Verdrängung". Bei der Verdrän- gung ist allerdings der Übergang zwischen un- bewußt und bewußt schon sehr fließend. Ich ziehe deshalb vor, die "Verdränger" (Men- schen, die Informationen und Handlungen aus ihrem Bewußtsein verdrängen) zumindest in ihrer Mehrzahl der folgenden Handlungsdimen- sion einzuordnen. II.) Halb- bzw. teilbewußte Handlungen Hierzu rechne ich Handlungen, die in wachem wahrnehmungsfähigem Zustand vollzogen wer' den, bei denen aber der Handelnde gewisse pekte, Informationen, Erfahrungen aus seine

Bewußtsein verdrängt. Hierhin gehören auch die Handlungen, die aufgrund von selektiver Wahrnehmung erfolgen - also sicher die mei- sten. Auch die Handlungen, die im Grunde gegen die eigenen besseren Einsichten (den schon er- reichten Wissens- und Bewußtseinsstand), zum Beispiel in Rage, Streßsituationen, erfolgen. Wenn der Handelnde aus Überforderung versagt, ihm die Nerven durchgehen. Es sind Handlungen, die das Individuum nicht begehen wollte, die es meist gleich bereut und für die es sich entschul- digt, wenn sein Bewußtsein (sein "Ich"und sein "Überich") wieder die Oberhand gewonnen hat. III. Bewußte Handlungen Also wohlüberlegte, bei vollem Bewußtsein und bei Einbeziehung aller dem Handelnden bekann- ten Informationen vollzogene Handlungen, d.h. auch mit Berücksichtigung der denkbaren Fol- gen (für den Handelnden selbst wie für seine Umgebung). Zu den denkbaren Folgen sind na- türlich nur die zu rechnen, die dem Informa- tionsstand und der geistigen Kapazität des Han- delnden entsprechen, also die seinen analyti- schen Fähigkeiten aufgrund seines in jedem Fall Immer begrenzten Wissens adäquat sind. Und da bin ich übrigends hinsichtlich des"außen- stehenden Analytikers" meilenweit von Deinem Optimismus entfernt: "Der hätte mit statisti- schen Wahrscheinlichkeiten voraussagen können, wohin der Weg führen würde, wenn er mich und meine Situation genauer gekannt hätte" . Der heu- tige Stand der psychologischen wie soziologi- schen Theorie erlaubt sehr wenig fundierte Prognosen. Kein Sozialwissenschaftler hat zum Beispiel die Studentenunruhen oder die neue Frauenbewegung vorausgesagt. Und für ein be- stimmtes Individuum hätte er ein künftiges poli- tisches Engagement erst recht nicht voraussa- gen können. Es ist schon beachtlich, wenn Ge- sellschaftswissenschaftler im Nachhinein in der Lage sind, die Prozesse so darzustellen, wie sie sich wirklich entwickelten, d.h. alle Fakto- ren, die das Ergebnis beeinflußten ex post er- fassen und richtig gewichten! Aber um auf Deinen Einwand hinsichtlich eines angeblichen Widerspruchs in meinen Aussagen zurückzukommen: ich habe an keiner Stelle be- hauptet und dies ist auch nicht aus den von Dir Zitierten Sätzen zu folgern, daß einer "erst re- flektiert, sich sozusagen das Ziel setzt, später Bewußtsein zu haben" . Ganz im Cbgentell Ich verstehe den gesamten Sozialisationsprozeß - zumindest am Anfang - als einen Reaktions-, einen Auseinandersetzungsprozeß jedes Indivi- duums mit dem, was es vorfindet, was ihm ein- gebleut wird und vermute, daß das Denken, das rtenektierenerst dann voll einsetzt, wenn das Individuum widersprüchliche Wahrnehmungen macht, durch Gebote und Verbote dazu heraus- gefordert, genötigt wird. "Not macht erfinde- risch" ,"durch Schaden wird man klug" - der Volksmund hat gar nicht so unrecht. Und entschuldige, wenn ich aufgrund meiner Erfahrungen und theoretischer Analyse ge- wisse Zweifel hinsichtlich der Schilderung Dei- • ner politischen Bewußtseinsbildung anmelde. Allein über linke Literatur und Journalisten soll dies vonstatten gegangen sein? Da scheint mir aber nun Deinerseits eine selektive Wahr- nehmung vorzuliegen. Ohrfeigen und Judensterne Bei mir lief die Sache mit dem politischen Be- wußtsein anders ab. Man hat mir auch den Fe- minismus nicht in die Wiege gelegt, aber - und das ist natürlich nur eine Arbeitshypothe- se bzw. Spekulation - vielleicht erbte ich von irgendeinem Vorfahren eine bestimmte Kon- stitution, besondere Sensibilität, "Grüble r- natur"oder wie immer Du das nennen willst, die die Art und Weise meines Reagierens stets mitbeeinflußt? Denn warum verdrängt ein In- dividuum zum Beispiel 80% der "unangeneh- men" Außeneinflüsse und das andere nur 50 oder 20% , d.h. bearbeitet oder verarbeitet, reflektiert wesentlich mehr? Das ist nicht nur bzw. ausschließlich eine Frage der Bil- dung, Erziehung und der zum Nachdenken ver- fügbaren Zeit. Da ich mich bisher aber nur sehr ungenügend mit der Genforschung etc. beschäftigt habe und mich die Sozialstruktur mehr interessierte als die Persönlichkeits- struktur, versuche ich dort Veränderungen voranzutreiben, wo ich etwas mehr davon verstehe und meine Arbeitskraft auch ande- ren Menschen u.U. von Nutzen sein kann. Und daß Du den Begriff "Kommunist" und ich den Begriff "Feminist" vorziehe, daß hat so- wohl mit objektiven Faktoren (Deinem Ge- schlecht und unserem Kultursystem) wie mit subjektiven (Deinem derzeitigen persönlichem Bewußtseinsstand) zu tun. Eine große Rolle hat bei mir sicher gespielt, daß ich als Mädchen und im Jahr 1930 auf die Welt kam. Aber das Nachdenken über die Ge- sellschaft wurde nicht über Bücher, sondern durch Prügel und durch meinen Familienna- men in Gang gesetzt. Es "stank' mir schon als Kind, wie die Menschen miteinander um- gingen und daß überall mit zweierlei Maß ge- messen wurde. Daß zum Beispiel eine be- stimmte Handlungsweise beim einen als "bö- se" und strafbar und beim anderen als "gut" 19

exkurs tliber die zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA die Iiciesslierte ilfill‚el• (ad "Bewußtsein heißt ... Erfahrung, nämlich die Fähigkeit, Erfahrungen zu machen auch in dem. Bewußtsein von Narben" sagte Adorno in einem Gespräch "Über die geschichtliche Angemes- senheit des Bewußtseins" zu Peter von Haselberg (AKZENTE, München 1965, Jahrg.12, Heft 6). Denn, wenn über die Prügel- und über die Todesstrafe nicht reflektiert wird, dann schlagen und töten wir weiter - ohne Bewußtsein über die vielen Narben, die wir anderen und uns selbst damit schon zugefügt haben... Die folgenden Zitate sind Beweise solcher Gefühlsverarmung, -verrohung und Geschichtsblind- heit. Sowohl Goebbels vor über 40 Jah- ren wie Anneliese Kemper heute demon- strieren nur, wie weit sie hinter die von Menschen bereits erreichte Reflexions- leistung zurückgefallen sind: Joseph Goebbels: DER ANGRIFF, Aufsätze aus der Kampfzeit, Zentral- verlag d.NSDAP, München 1936 DIE ZEIT, 1.6.1979 S. 187: »Wenn der bürgerliche Staat die Todesstrafe nur für den Mord kennt und sogar im Begriff steht, sie selbst da abzuschaffen, so ist das seine Sache. Wir aber erkennen in dieser defaitistischen Schwäche ein Verfallssymptom, mehr noch, einen der Gründe, warum der bürger- liche Staat untergeht und untergehen muß. Wir lassen uns von dieser Erkenntnis durch keine, wenn auch noch so geschickt aufgezogene Sentimentalität abdrängen. Unsere Tränendrüsen sind leer. Wir fassen unsere Entschlüsse nur nach den Überlegungen nüchterner Notwendig- keit, niemals weibischer Weichheit und Weinerlichkeit. Wir verlangen viel mehr noch, als der bürgerliche Staat abzubauen beabsichtigt. Todesstrafe für Mörder, das ist für uns eine Selbstver- ständlichkeit. Darüber hinaus aber haben wir die Absicht, auch mit Schiebern, Wucherern, Vaterlandsverrätern und Verbrechern an der Ehre und an der Existenz des Volkes ebenso kurzen Prozeß zu machen. Zu dieser Absicht bestimmen uns nicht irgendwelche Bedürfnisse nach Rache oder Vergeltung, wir wollen nur das Volk beschützen und sein Leben sicherstellen. Das Volk steht uns höher als die verbrecherischen Komplexe irgendeines asozialen Individuums. Wer den Tod verdient, der soll den Tod haben. Wer dagegen anschreit, der ist dringend ver- dächtig, daß er ihn verdient.« Lehrer angeklagt Prügel in der Schule A n n der Hangeney-Grundschule in Dortmund Bußgeldbescheiden Ordnung zu stiften suchte, che Erziehungsmethoden für nicht tragbar: ,,Es erhob die Dortmunder Stattsanwaltschaft gegen geht nicht an, daß in unterem Rechtsstaat die vier Lehrer, darunter die Rektorin, Anklage Gewalt siegt. Für die Kinder ist es ein Vorgangs. wegen Körperverletzung im Amt. Laut Anklage- den sie ihr ganzes Leben in Erinnerung behalten. schrift werden die betroffenen Pädagogen be- Anneliese Kemper, der eine Anklageschrift schuldigt, Kinder geohrfeigt oder in anderer wegen Mißhandlung in zehn Fällen zugegangen Weise ins Gesicht geschlagen zu haben, so daß es ist, weist die AnsChuldigungen weit von sich. in einigen Fällen zu Nasenbluten und auf- Das Fehlverhalten sei „hochgespielt« worden, gesprungenen Lippen gekommen sei. Außerdem die lokale Presse habe nicht objektiv berichtet seien Kinder „an den Haaren hochgezogen" oder und es sei „wahnsinnig schwierig",einen Durch- mit einem Buch geschlagen worden. blick zu erhalten. Dem Lehrer Sibrecht kreidet Die Dortmunder Justiz sieht sich nach den die Schulleiterin an, Vorgänge publik gemacht ge- zu erwartenden Prozeß vor eine hörten. Im Gespräch läßt sie durchblicken, daß Dortmund Worten von Oberstaatsanwalt Koch bei dem im zu haben, die „nicht in die Öffentlichkeit« ist die Welt nicht mehr in Ordnung: Nach schwierige Aufgabe gestellt. Sie hat zu entschei- es sich um die „Rache eines Kollegen« handeln fünfwöchigem Schulboykott zog die Klasse den, ob das vom nordrhein-westfälischen Kul- könne, der in seinem Beruf „gescheitert" sei. 4 a, zwölf Mädchen und acht Jungen, geschlossen tusminister Jürgen Girgensohn erlassene strikte Vorwürfe dieser Art will Siebrecht-Anwalt in den Musikraum der 2,4 Kilometer entfernt Züchtigungsverbot auch im strafrechtlichen Sinne Wolfgang Illner nicht gelten lassen: seinem Man- gelegenen Widey-Schule um. Dort soll sie bis gilt. Andererseits, so Koch, könne sie sich auch danten sei in 13jähriger Tätigkeit als Steiger auf zum Jahresende von Klassenlehrer Helmut den Rechtsstandpunkt des obersten bayerischen der Schachtanlage Germania und später als Ver- Siebrecht unterrichtet werden. Landgerichts zu eigen machen, das in angemes- waltungsangestellter ausgezeichnete Arbeit atte- Mit der Annahme dieser von Kommunalpoliti- sener Weise vorgenommene körperliche Züch- stiert worden. Man habe ihn nur ungern in den kern gefundenen Kompromißformel ist der tigungen bei außergewöhnlichen Disziplinlosig- Schuldienst gehen lassen. Nach den Worten In- Kampf im Klassenzimmer noch nicht beendet. keiten zum „Gewohnheitsrecht" erklärt habe. ners ist Siebrecht als Lehrer mit „sehr viel Die Eltern sind weiter bereit, für Lehrer Siebrecht Den Vorwurf, daß die Kinder disziplinlos Engagement" tätig. auf die Barrikaden zu gehen. Der 49jährige Päd- seien, mag Udo Bargenda, Wissenschaftlicher Sechzig Kollegen haben sich mit dem von Vet.' agoge, der auf dem zweiten Bildungsweg zum Assistent an der Pädagogischen Hochschule Ruhr, Setzung bedrohten Pädagogen solidarisch erklärt Lehrerberuf fand, soll versetzt werden, weil er nicht hinnehmen. Er, der die Zehnjährigen wäh- und eine Unterschriftenaktion veranstaltet. Bun- an die große Glocke gehängt hatte, daß vier der rend der zurückliegenden Wochen in seinem desgenossen fand er in dem Ehepaar Petsch. insgesamt sieben Ulrike Petsch, Lehrerin an der Grundschule in tete, stellt ihnen beste Zensuren aus. Schlechte Haan-Gruiten bei Düsseldorf, hatte sich eben- der in den zurückliegenden Jahren geprügelt Noten zieht er für die angeklagten Pädagogen, haben. falls gegen Prügel in der Schule ausgesprochen , der und damit den Unmut von Kollegen erregt. illegale Konsequenz aus dem Verhalten der Päd- der Ausspruch zugeschrieben w ird „Alle vier Gemeinsam wollen sie jetzt im Düsseldorfer Kul- zogen, der SchulbOvkott Schlagzeilen Wochen greife ich mir einen raus, A-möbele ihn, machte, der Regierungeisident in Arnsberg mit dann ist wieder Ruhe.* Udo Bargenda hält sol- Während die Eltern eine der Form nach vor allem für Rektorin Anneliese. ..Kemper Lehrkräfte der Schule die Kin- Wohnzimmer auf Wunsch der Eltern unterrich- Wochen reife tusministerium vorstellig werden. Rosemary Callmann 20

und nachahmenswert galt. Wenn Kinder sich un- tereinander prügelten, war das böse und setzte zusätzliche Ohrfeigen von den Eltern, aber wenn man uns Kinder zuhause oder in der Schu- le verprügelte, war das angeblich zu unserem Besten. Ich hatte für alles Rede und Antwort zu stehen, die Erwachsenen brauchten ihre Hand- lungen nicht zu begründen. Ich hatte bei Tisch den Mund zu halten, die Erwachsenen durften reden. Die letzte Ohrfeige bezog ich von meiner Mutter in meinem 19. Lebensjahr. Ich hatte sehr früh und immer wieder Gelegenheit über den Sinn und Zweck der Prügelstrafe nachzudenken . Und ich kam immer zum gleichen Ergebnis: Es hat nichts mit Recht oder Gerechtigkeit zu tun, wenn der Stärkere den Schwächeren schlägt. Prügel überzeugte mich nicht, lösten bei den anderen Kindern meist nur Angst und bei mir vor allen Dingen Haß und Entfremdung aus. Ich verachtete den Schlagenden. Ich billigte oder entschuldigte damals aber noch Prügel unter Gleichstarken oder Gleichschwachen - zum Bei- spiel unter Kindern. Das Problem der "gerech- ten" und der "Befreiungskriege" beschäftigte Mich erst viel später. Ich hatte zu der Zeit nur aus der Sicht des Schwächeren über die Prügel- strafe reflektiert und mir fest vorgenommen: Du schlägst als Erwachsene keine Kinder. Es kam leider anders. Gegen meine Überzeu- gung und meinen Willen schlug ich mein Kind zweimal. Das erste Mal war meine Tochter erst 3 1/2 (1) Jahre alt und hatte gar nichts "Böses" getan und das zweite Mal war sie bereits 14 Jah- re alt. Das erste Mal entschuldigte ich mich so- fort bei ihr und bat sie, mir auch eine Ohrfeige zu geben, damit wir "quitt'wären. Ganz ernst und sprachlos klebte sie mir dann auch eine. Als ich sie Jahre später daraufhin ansprach, konnte sie sich an nichts mehr erinnern. Die zweiten Ohrfeigen trafen meine Tochter zwar nicht aus heiterem Himmel, diesmal war ihr die Ursache der Bestrafung ganz klar, aber ich hatte in meiner Erziehungsaufgabe wiederum versagt. Beide Vorfälle stimmten mich traurig und nachdenklich. Ich begriff mehr und mehr, daß der k ö r p e rli c h Stärkere nicht mit Not- wendigkeit auch der g e istig oder seelisch bzw • gefühlsmäßig Stärkere sein mußte. 13enn ich hatte jedesmal geschlagen, weil ich in dem fraglichen Augenblick der Situation einfach nicht gewachsen war. Völlig überfordert und frustriert hatte ich das eine Mal ein mir hilflos ausgeliefertes schwaches Wesen und das andere Mal ein mir körperlich bereits "ebenbürtiges" geohrfeigt. Nach der Tathandlung, wenn ich wieder Kontrol- le tiber mein - wie ich behaupte: durchaus auch "kulturwüchsiges" - ES erlangte, mein ÜBER- ICH und mein ICH wieder die Oberhand ge- wannen, war mir nun endlich auch bewußt ge- worden, daß ich nicht nur den Schwächeren, sondern auch mich selbst, den Täter, geschla- gen, gedemütigt, nicht überzeugt hatte. Die Einsicht wuchs, daß Schlagen unter "Gleichen" wie unter "Ungleichen" jede humane Entwick- lung der Geschlagenen wie der Schlagenden blockiert. Deshalb kann es auch keine "ge- rechten" und keine "Befreiungs"-Kriege ge- ben. Humanität läßt sich nicht herbeischlagen oder reinbomben. Aber , wie ich bereits erwähnte, waren die Ohrfeigen nicht die einzigen Auslöser hinsicht- lich der Entstehung und Entwicklung meines politischen bzw. feministischen Bewußtseins. Da war auch noch mein Mädchenname - ich bin eine geborene "Katz" - zum Stein des Anstoßes geworden. Der Vorfall ereignete sich 1940. Also im Krieg. Aber der Krieg lief irgendwie unabhän- gig von mir ab. Er war einfach da. Ich hatte sogar schon fast vergessen, daß man vor ei- nem Jahr, am Tage der'Mobilmachung", mir nichts, dir nichts, unser schönes neues Auto kassiert hatte. Die Einschränkungen, die Ver- knappung der Lebensmittel, der Kohlen etc. vollzogen sich fast automatisch. Pausenlos brachte der Rundfunk und die Wochenschau Meldungen über den siegreichen Vormarsch unserer Truppen. Eine Stadt, ein Land nach dem anderen wurde erobert, der Feind an al- len Fronten vernichtend geschlagen. Wer war denn der Feind? Und warum war er unser Feind? Wem nützte der Krieg und warum gab es überhaupt einen Krieg nach dem anderen? All diese Fragen stellten sich für mich damals noch nicht. Auch über die Beziehung zwischen Krieg und Sprache dachte ich erst Jahre später nach. Als ich nach Kriegsende mein altes Poesie- album durchblätterte, stutze ich. Was stand da?Hinter dem Namen meiner besten Freun- din Erika, folgte noch ein Wort: Artillerie Und nun erinnerte ich mich. Richtig, wir hat- ten uns ja 1939 umgetauft - sie mich "Infan- terie" und ich sie "Artillerie". Was hatten wir uns dabei nur gedacht? Sicher sehr we- nig. Wir imitierten, gaben uns Namen, die "siegreichen Helden" und der "großen Zeit" entsprachen. Der Krieg war unser Alltag. Und sogar als das eigene Land mehr und mehr zum Kriegsschauplatz wurde, unsere Städte zerbombt und der Feind im Mai 1945 meine Heimatstadt Chemnitz, ein großes Trümmerfeld, eroberte, "übe rwältigterl'uns 21

die Ereignisse. Erst als 15-jährige kam die Reflexion in Gang, begann ich mit der Aufarbei- tung des Krieges, interessierte mich für Ge- schichte, Philosophie und Politik und erhielt endlich Antworten auf die Fragen, die die Er- wachsenen zwei, drei Jahre vorher nur mit Schweigen und "das verstehst Du noch nicht" beantwortet hatten. Denn, wirklich beunruhigt hatte mich im ersten Kriegsjahr eigentlich nur der Vorfall mit mei- nem Namen. Ich hatte die Aufnahmeprüfling in die "Karin-Göring-Schule" (Oberschule für Mädchen) bestanden. Im ersten Schuljahr kurz vor Unterrichtsbeginn - der Lehrer war noch nicht anwesend -, rannte plötzlich eine Mitschü- lerin zum Pult und schrie: "Die Katz ist ein Jude! Die Katz ist ein Jude !" Ich war die ein- zige der Klasse, die Katz hieß. Also mußte ich gemeint sein. Jetzt schwiegen alle und schau- ten zu mir hin. Was war denn mit mir nicht in Ordnung? Ich verstand nichts. Aber ich erin- nerte mich plötzlich an einen anderen ähnlich unbegreiflichen Vorfall. Da war schon was mit Juden gewesen. Ja richtig, da kam ich mit meiner Mutter in die Innenstadt und da waren die jüdischen Geschäfte (ich wußte gar nicht, daß sie Juden gehörten und was ein Jude war) geplündert, die Schaufenster eingeschlagen und die einzige jüdische Kirche zerstört wor- den. Aber man wich meinen Fragen damals aus. Einmal war mir eine Zeitschrift - "Das schwarze &hor" oder so ähnlich- in die Hand ge fallen,dawarenÜberschriften wie "Juden raus !" und " Juden und Kommunisten sind die schlimmsten Feinde des Deutschen Volkes" vorgekommen und waren Männerkarikaturen drin gewesen mit ganz großen krummen Na- sen. Aber ich las damals noch keine Artikel in Tageszeitschriften. Wir lasen nur die Über- schriften und beguckten die Bilder. Und als mir wenig später , ganz selten, Menschen mit so einem gelben Stern "Jude" begegneten, da blgann ich wieder zu fragen. Aber die Antwor- ten der Erwachsenen waren so ausweichend und unbefriedigend wie auf die Frage "Wie kommen die Kinder in den Bauch der Frauen?" Politik und Sexualität , das waren Tabu-Zonen. Da war die Reaktion auf meine Fragen immer Peinlichkeit und Schweigen - bestenfalls "das verstehst Du noch nicht", "das erfährst Du noch früh genug". Aber jetzt war es raus: ich war ein Jude! Ich gehörte zu denen, mit denen keiner was zu tun haben, die keiner kennen wollte. Vor dem Krieg gehörten 2 oder 3 jü- dische Familien zu unserem Bekanntenkreis, die waren Ins Ausland ausgewandert. Das hatte ich zuhause erfahren, als die Sache mit den Judensternen mich wieder fragen ließ. Als je- doch auch die Sterne aus dem Straßenbild ver- schwanden, vergaß ich die Judenfrage wieder. Aber jetzt konnte ich die Sache nicht mehr ver- drängen, denn "Die Katz ist ein Jude !" hatte die Sieglinde so laut und oft geschrien, daß es auch der Klassenlehrer, der nun ins Zimmer trat, bereits im Gang vernommen hatte. Er wollte wissen, wer das gerufen hat. Niemand meldete sich. Schließlich beendete er den pein- lichen Zwischenfall mit den Worten: "Die Katz ist keine Jüdin. Juden dürfen gar keine Höheren Schulen besuchen!" Damit war die Sache für Ihn erledigt. Auch zuhause fiel die Aufklärung wieder spärlich aus: Man beruhigte mich da- mit, daß ich nur einen jüdischen Namen hätte, aber keine Jüdin sei. Unsere Familie stamme aus dem Siegerland, da hätten viele Familien einen Tiernamen, seien aber arisch, also kei- ne Juden. Ja, aber was ist denn ein Jude, wa- rum muß der denn so einen gelben Stern tragen und darf nicht auf die Höhere Schule? Weil er einen anderen Glauben hat und einer anderen Rasse angehört. Aber was ist denn daran böse, warum ist das schlimm? Ich begriff die Sache mit den Juden wieder nicht und verdrängte sie schließlich. Und ich mußte ja auch Gott sei Dank nicht mit so einem Stern rumlaufen, hatte nur einen jüdischen Namen... Lieber Paul Schmarling, warum erzähle ich Dir das alles? Weil ich versuche, Dir auf eini- ge Deiner Fragen Antwort zu geben und neue Fragen an Dich richten möchte und unser Ge- spräch wichtig finde. Es fiel mir sehr schwer, das alles zu formulieren. Und dabei habe ich noch nicht einmal die Hälfte der Aspekte behan- delt, die mich in Deinem Brief irritierten. So muß ich Dir zum Beispiel ganz entschieden widersprechen, wenn Du behauptest, "eine der wesentlichsten - wenn nicht überhaupt die wesentlichste - Fragestellung von Marx" sei die gewesen, herauszufinden,"we 1 c h e Ind - v idue n (und warum...) die private Aneignung der gesellschaftlichen vorziehen und welche dazu aufgrund von biologischen und geographi- schen Abhängigkeiten weniger prä- disponiert sind". IRRTUM DEINERSEITS! Hätte sich nämlich Marx mit diesen Fragen be- schäftigt, dann wäre er auf die Frauenfrage, die Kinderfrage und die Bedeutung des subjek- tiven Faktors hinsichtlich der Entstehung von "Klassenbewußtsein" gestoßen. Dann wäre auch etwas anderes als eine rein ökonomische Klassenanalyse dabei herausgekommen. Und dann hätte Ich mich nicht seit 10 Jahren damit beschäftigt, seine Darstellung der Ausbeutung 22 X) zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA vive

des Menschen durch den Menschen - speziell seine Mehrwerttheorie - anzugreifen und eine neue (auch empirisch wesentlich leichter über- prüfbare) feministische Mehrwerttheorie zu er- arbeiten (Siehe DER FEMINIST, Nr. 1/ 77). Um die polit-ökonomische Analyse habe ich mich also keineswegs gedrückt und ich würde mich sehr freuen, wenn Du Dich mit dieser auch be- schäftigen würdest und zum Beispiel mal zu un- serer Forderung eines Welteinheitslohnes als Kommunist Stellung beziehst. Denn nach unse- rem anthropologischen Vorverständnis - und natürlich ist dies, wie der Name schon sagt, eine Spekulation - wird es ein"Feich der Frei- heit" (jedem nach seinen Bedürfnissen) nicht geben und es kommt ganz darauf an, die Ver- hältnisse im "Reich der Notwendigkeit" so zu bearbeiten und zu verändern, daß wenigstens die Kriege, die Konzentrationslager, Folter und Todesstrafe, Verhungern und Prostitution (um nur einige unserer feministischen Ziele zu nennen!) ein Ende nehmen und wir doch noch ein- mal die Phase der "Vorgeschichte der Mensch- heit" verlassen können. Und dazu eignet sich un- serer Ansicht nach ganz hervorragend der Welt- einheitslohn. Aber um diese vernünftige, ge- rechte und humane Weltwirtschaftsordnung zu erreichen, ja schon allein die Einigung auf die- se Forderung innerhalb des Proletariats (siehe meine Definition der "proletarischen Klasse" in DER FEMINIST, Nr. 2/ 7 7, S.27) voranzu- bringen!, bedarf es des jahrzehnte- , wenn nicht jahrhundertelangen Einsatzes aller Proletarier, Wie eng oder weit Du diesen Begriff auch faßt. Unser Proletariatsbegriff, der einerseits enger (weil an feministisches Klassenbewußtsein ge- bunden) andererseits weiter (da nicht auf das Industrieproletariat beschränkt) als der von Marx gefaßt ist, hat auch mit dem Behavioris- Inus nichts zu tun. Wenn Du ihn schon unbedingt irgendwie klassifizieren willst, dann gehört er noch am ehesten zu den "idealtypischen"Begrif- fen, für mich ist er ein politischer Klassenbe- griff und unser Proletariat zu erreichen ist auch kein theoretisches, sondern ein durch und durch praktisches! Denn vielleicht gibt es schon sehr viele Proletarier, sehr viele Feministen, die aber alle noch in Isolation herumwerkeln, Weil sie von der Existenz unserer Bewegung und unseren politischen Zielen bisher nichts ge- hört haben - zum Beispiel die Mehrheit der Frauen. Und das praktische Problem ist: wie sie erreichen ohne Kapital und ohne Gewalt? Ich sehe da nur einen endlosen Weg: Wir müs- Sen bis ans Ende unserer Tage weiter "senden", nach besten Kräften für den Feminismus arbei- ten und sie müssen uns mehr und mehr zu su- chen beginnen. Denn, nur wo Bedürfnisse auch im Subjekt befriedigt werden wollen und die Verdrängung dies nicht mehr zu leisten ver- mag oder/und neue Erfahrungen und Kenntnis- se neue Reflexionen auslösen, wird der Femi- nismus freundliche Aufnahme finden, ja sogar autonom zur Entfaltung dringen. Und ich bin da auch nicht pessimistisch - nur ab und an etwas frustiert -, was die emotiona- len Erfolgserlebnisse in der politischen Tätig- keit betrifft! Wenn man sich über kleine Er- folge auch freuen kann, ist man schon wieder einen Schritt weiter und wer weiß, bald geht es dann sogar auch ohne Krücken... Man trifft immer wieder wundervolle Men- schen, Lebende und Tote, wenn man sich nur politisch auf den Weg macht. Und wer weiß, vielleicht treffen sich noch zu unseren Lebzei- ten die Kommunisten und die Feministen an einer Kreuzung und kämpfen dann ohne Ge- walt und gemeinsam gegen das Patriarchat? In diesem Sinne Lorley Mabry P.S. Was die Strukturambivalenz bei Marx betrifft: die mag Ich gar nicht mehr missen, denn sie hat meine Analyse vorangetrieben. Du hast übersehen, daß "über ein erträgliches Aus- maß weit hinaus" sie für Herrn Thomas Meyer ging. Ja, und zu meinen angeblich "bürger- lich- Idealistischeri'Momenten dann ein ander mal die Fortsetzung... DIE KRÜCKEN Sieben Jahre wollt kein Schritt mir glücken. Als ich zu dem großen Arzte kam Fragte er: Wozu die Krücken? Und ich sagte: Ich bin lahm. Sagte er: Das ist kein Wunder. Sei so freundlich, zu probieren! Was dich lähmt, ist dieser Plunder. Geh, fall, kriech auf allen vierenl Lachend wie ein Ungeheuer Nahm er mir die schönen Krücken Brach sie durch auf meinem Rücken Warf sie lachend in das Feuer. Nun, ich bin kuriert: ich gehe. Mich kurierte ein Gelächter. Nur zuweilen, wenn ich Hölzer sehe Gehe ich für Stunden etwas schlechter. ( Aus: BERTOLT BRECHT "Hundert Gedichte': 1918-1950, Berlin u.Weimar 1966,S.37) 23

roe desi)alifiattais mik "Jotkitt flarcuse fugt 116.54leti Am 2 9. Juli 1 979 starb Herbert Marcuse. Fak- tisch und vordergründig ist unser Dialog mit ihm durch den Tod beendet worden. Wir fassen nun noch einmal zusammen, warum wir Marcuse zum Jahreswechsel 1978/79 nach Kalifornien schrieben und uns so sehr daran ge- legen war, gerade mit ihm die Diskussion zu führen. Jeder Versuch unsererseits mit der "Neuen Linken" zu einer theoretischen Ausein- andersetzung zu kommen, war in den letzten Jahren gescheitert. Nun wollten wir den heraus- fordern, der als einer der wenigen, wenn nicht überhaupt einziger prominenter Philosoph der Linken, sich zumindest einmal zum Thema "Marxismus und Feminismus" geäußert hatte. Wir wollten ihn herausfordern als Subj e kt , als Mann und Individuum Herbert Marcuse und als Obj e kt , als Institution, als vom gesamten Pa- triarchat anerkannter ordentl. Prof., Philosoph, Repräsentant der "Kritischen Theorie" ( Frank- furter Schule). Was war mit seiner Praxis? Denn seine theoretischen Verlautbarungen zur Frauenbefreiung hatten uns eher entsetzt und wenig hoffnungsvoll gestimmt. Sein Vortrag über "Marxismus und Feminismus", gehalten am 7. März 1 974 in der Stanford University, USA, wurde im "Jahrbuch für Politik;' Nr.6, Berlin 1 974 und in der Zeitschrift "Links" Okt.1 974 veröffent- licht. Aber bevor wir kurz auf ihn eingehen und daran anschließend nun doch noch seine Fragen zur Theorie des Patriarchats (Brief Marcuses vom 1 8.1 .1 979, FEMINIST Nr.1/ 79, S.3/4) be- antworten, die Information über den letzten Stand des Briefwechsels zwischen uns. Bis Anfang Juni warteten wir voll Ungeduld auf die Antwort Marcuses auf unser 2. Schreiben vom 23.2.79 sowie auf seine Stellungnahme zu der im FEMINIST vertretenen Theorie des Femi- nismus . Seit drei Monaten hatten wir nun nichts mehr von ihm gehört und konnten uns sein langes Schweigen nicht erklären. Am Abend des 2.6.79 überlegten wir, ob wir einen dritten Versuch un- ternehmen sollten. Wir be9clilossen den Brief gemeinsam und sofort zu formulieren. Es folgt das Gemeinschaftswerk der Aktivgruppe: 24 FFP Förderkreis zum Aufbau 8000 München 70 der Feministischen Partei Pössenbacherstr.3a München, den 2.6.79 Herrn Prof.Dr.Herbert Marcuse University of California San Diego Department of Philosophy La Jolla California 92 037, USA Betr.: 1. Mahnung Lieber Herbert Marcuse, wir sind sehr enttäuscht darüber, daß wir bis jetzt keine Antwort auf den letzten Brief von Hannelore Mabry an Sie vom 23.2.1979 erhiel- ten. Hoffentlich hat Sie nicht Krankheit am Schreiben gehindert. Ihr "erster Beitrag" hat nicht nur uns äußerst angeregt, sondern inzwischen die ganze Bundes- republik neugierig auf die Fortsetzung gemacht. Dieser Brief ist ein Gemeinschaftswerk des FFP. Wir wollten die kurzen Zeilen wie üblich mit "solidarischem" Gruß beenden, da kam von unserem Mitglied Günter der Einwand: Wir schließen mit kollegialem Gruß, da "a 11 e zur Philosophie berufen sind" und intellektuelle und sonstige Klassenunterschiede bei uns femini- stisch aufgehoben werden! Ihr Förderkreis zum Aufbau der Feministischen Partei Zur Information: Günter ist Facharbeiter und erzielte mit der Formulierung des letzten Sat- zes den höchsten Applaus. Das Schreiben wurde , allerdings nie abgesandt, da wir von einem Feril sehjournalisten am nächsten Morgen erfuhren, daß Herbert Marcuse In einem Frankfurter Kran kenhaus liege. Aus diesem Grunde ging dann der folgende Brief an das Markus- Kranken- haus in Frankfurt- Ginnheim am 5.Juni 1 979 ah:

Lieber Herbert Marcuse, ich war schon etwas beunruhigt und besorgt we- gen Ihres längeren Schweigens, da höre ich vor- gestern von Ihrem Besuch anläßlich der Römer- berg-Gespräche in Frankfurt und Ihrem derzei- tigen Krankenhausaufenthalt. Hoffentlich geht es Ihnen inzwischen wieder besser und können Sie bald das Krankenhaus verlassen. Auch im Namen des FFP möchte ich Ihnen von Herzen schnelle und völlige Genesung und an- schließend besonders schöne und angenehme Wo- chen in der Bundesrepublik wünschen. Wir hatten uns alle über Ihre Bereitschaft zur Aufnahme der Diskussion sehr gefreut und nach der nunmehrigen Veröffentlichung (siehe DER FEMINIST Nr.1/79) des "ersten Beitrags" war- ten nicht nur wir gespannt auf die Fortsetzung des Dialogs. Deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir anläßlich Ihres Besuches - in Starnberg oder in München oder wo immer es Ihnen recht wäre - ein persönliches Kennenlernen, ein ver- tiefendes Gespräch, gewähren könnten. Und auch die Gruppe würde sich natürlich sehr freuen, Wenn Sie Interesse und Zeit fänden, sich unsere Aktivitäten in München einmal anzuschauen und uns kennenzulernen, denn wir arbeiten hier nach wie vor auf einem äußerst unfruchtbaren, ganz Patriarchalischen politischen Boden. So wünschen wir Ihnen alles Gute, baldige Ge- sundheit und hoffen auf die Chance, die kritische Diskussion in den nächsten Wochen fortsetzen zu können - im direkten Gespräch. Mit herzlichen und solidarischen Grüßen Ihre Hannelore Mabry Und die Aktivengruppe des FFP Anlage: DER FEMINIST Nr.1/79 Wir hörten nur noch einmal von Marcuse aus Starnberg. Seine letzten Zeilen: Starnberg, 30. Juni Liebe Hannelore Mabry: • Zur Rückreise nach Kalifornien kam es nicht mehr. Der Tod beendete auch unsere Bemühung, sich über das, was "Patriarchat" war und ist, mit Marcuse auszutauschen. Es bleibt jetzt nur- mehr die Hoffnung, daß seine politisch-Ideolo- gischen Nachfolger, die junge patri archalische Linke, die Auseinandersetzung zum Thema "Marxismus- Feminismus" mit uns fortsetzt. Einmal also Im Hinblick auf die Zukunft und zum anderen um Herbert Marcuse für seine So- lidarität im Alltag - nämlich seine Bereitschaft zum Gespräch - unsere Achtung und Zuneigung zu bekunden, gehen wir heute doch noch auf sei- ne Thesen und seine Fragen zur Theorie des Patriarchats ein. Denn, wie gesagt, seine theo- retischen Ausführungen, speziell Im oben er- wähnten Vortrag 1974, aber auch in einigen Passagen seines Briefes vom 18.1.79, hatten bei uns sehr widersprüchliche Reaktionen aus- gelöst. Zu viel "Patriarchalisches" erschreckte uns da noch! Deshalb versuchten wir auch zu erreichen, daß er sich diesmal mit uns e r e n Theorien beschäftigen sollte. Denn, kaum zu glauben: auch Schülerinnen holen mitunter ihre Lehrkräfte ein... In Sachen Marxismus - Feminismus kritisieren bzw. lehnen wir aufgrund unserer Lebenserfah- rung und eigener theoretischer Analysen die spekulativen, ahistorischen, ja ausgesprochen reaktionären Ansichten Herbert Marcuses ab. Unsere Begründung: - Man (Marcuse) kann nicht willkürlich, in an- derem Zusammenhange entwickelte Begriffe wie "Realitätsprinzip, Leistungsprinzip, Le- bens- und Todestrieb etc." von außen an ein erst zu untersuchendes soziales Phänomen wie "Frauenunterdrückung" und "Patriarchat" he- rantragen. Welche Begriffe und warum zur Darstellung und Erklärung des zu untersuchen- den Phänomens verwendbar sind bzw. aufge- stellt, neu- oder umformuliert werden müssen, das ergibt sich im Prozeß der Untersuchung. Die Realität fügt sich nicht dem Begriff, son- dern der Gesellschaftsanalytiker muß die dem Sachverhalt entsprechenden, adäquaten Begrif- fe erarbeiten. (Der Begriff "patriarchalischer Mehrwert" war ein Produkt , ein Ergebnis mei- ner Untersuchung; denn die ökonomische Aus- beutung der Frau durch den Mann war noch nicht auf den Begriff "gebracht worden" - obwohl die Tatsache längst bekannt war!) - Man (Marcuse) kann nicht ohne eigene polit- ökonomische Analysen anzustellen bzw. eine kritische Überprüfung bisheriger theoretischer Quellen vorzunehmen (besonders wenn deren Mängel in Fachkreisen bereits diskutiert wer- 4 den - zum Beispiel die Marx' sche Mehrwert- 25 rst heute kann ich mich für die herrlichen Blu- men bedanken, die Ihr mir ins Krankenhaus ge- - schickt habt. Sie haben das scheussliche Hospi- de talZimmer erträglicher gemacht. a411' Ich bin immer noch in ärztlicher Behandlung - aber es scheint langsam besser zu gehen - zu langsam um eine Verabredung machen zu können. Ich muß schon nächste Woche wieder zurück. 2°, wie fast immer, bleibt nur die Hoffnung, daß es im nächsten Jahr klappt. Mit herzlichen Grüssen Herbert Marcuse

theorie hinsichtlich der Kategorien "produktive" und "unproduktive Arbeit") einfach behaupten, die Frauen seien eine "Kategorie" und keine "Klasse" . Eine "Kategorie" ist ein rein be- schreibender, formaler, "wertneutraler"leassi- fikationsbegriff, hingegen der "Klassen"begriff ein politisch wertender seit Marx. Deshalb ver- sucht ihn ja die "bürgerliche" Soziologie so sel- ten wie möglich zu gebrauchen und hat zur Be- schreibung der Gesellschaft den Begriff "Schicht" eingeführt, damit das Praxismoment, der Klas- senkampf, aus der Sprache, aus dem Bewußt- sein verdrängt wird. Das "Reizwort" mußte weg. Aber kein Wort ist "an sich" ein Reizwort - auch nicht Schwein, auch nicht Arschloch. Erst, wenn es in Beziehung zu einem Mensch, zu einer Gruppe, einer Institution ge- bracht wird, erst dann kann es zum Reizwort werden - zum Beispiel Jude, Kommunist, Fe- minist und auch "Klasse" . Denn spätestens seit Marx ist der Begriff "Klasse" mit dem Begriff "Ausbeutung" in Beziehung gebracht worden. Sicher, Ausbeutung gab es schon immer. Jede und j eder beobachtete und erlebte die Ausbeu- tung des Menschen durch den Menschen. Wie aber die Ausbeutung von Gruppen, von Lohnar- beitern etc. , nicht nur die eines Einzelnen funk- tioniert, das hat der gute Marx zumindest g e - s chle chts unspezifisch schon sehr an- schaulich auf den Begriff, eben den "Klassen"- begriff gebracht. Und da es sich bei der Frauenunterdrückung auch nicht um ein nur individuelles, sondern um ein Gruppenproblem - bekannt geworden als "Frauenfrage" - handelt, möchten wir diese Unterdrückung endlich auf den Begriff gebracht sehen . Wir wollen eine präzise Darstellung , und zwar den Nachweis, durch wen oder was, kurz wie diese "spezifische Repression" der Frauen wirklich vor sich geht. Hier hat Marcu- se nichts, aber auch gar nichts anzubieten! Denn die schwarze Box "Patriarchat" ließ sich beim besten Willen - und den wollen wir Ihm auch keineswegs absprechen - nicht mit den von einigen anderen Patriarchen entliehenen Begrif- fen knacken (leider viel zu vielen von Freud und zu wenigen von Marx, das außerdem!). - man (Marcuse) darf auch nicht die Geschich- te ,"den langen historischen Prozeß" oder "das kapitalistische System" oder die "sozialistischen Institutionen" zum Subjekt erheben (eine große Mode im wissenschaftlichen Patriarchat), nur damit die "Kategorie" Mann sich wieder aus dem Staube machen, aus dem Bewußtsein der Men- schen wieder "entfallen" kann. Dieser Verdrän- gungsmechanismus ist uns ja auch sehr verständ- lich, denn wer möchte wohl gern für sich und für andere zum "Reizwort" werden? Dennoch wird durch Verdrängung die Situation nicht besser und die "Kategorie" Männer sollte sich an die Aufarbeitung der eigenen Proble- me heranwagen. Und ihre Aussichten das Pa- triarchat zu stürzen, sind viel günstiger als die der Frauen - das müßte ihnen doch wieder Auftrieb geben? Sie könnten den Feminismus wesentlich leichter realisieren als die Frauen, da sie überwiegend die Schaltstellen der poli- tischen, ökonomischen , wissenschaftlichen etc. Macht besetzt halten und ohne Ge w a lt- a nw e n d u n g das inhaltliche Programm, die Struktur ändern könnten. Es wird viel viel länger dauern bis Unbewaffnete gewaltlos die Bewaffneten alle überzeugt haben... - man (Marcuse) und ganz besonders ein prominenter (weil einflußreicher!) Gesell- schaftskritiker und Sozialwissenschaftler soll- te im Jahre 1974 nicht mehr mit Kategorien wie "femininen Merkmalen oder Qualitäten" jonglieren- in eigenem wie im Interesse der davon Betroffenen! Der Stand der wissen- schaftlichen Forschung erlaubt heute etwas ge- nauere Aussagen über "erlernte"Verhaltens- weisen, aber kaum welche über "ererbte, an- geborene". Und auch der Begriff der "zweiten Natur"- weil diese angeblich "femininen Ver- haltensweisen" auch bei Marcuse "sozial de- terminiert" sind - stiftet hier nur Verwirrung' Wie gesagt, was "Natur" an den Verhaltens- weisen von Frauen und Männern ist, weiß kein Wissenschaftler heute zu sagen oder gar zu beweisen, da der Faktor "Kultur" spätestens mit dem Augenblick der Geburt des Individuuni° einsetzt. Seine "natürliche" Bestimmung ist und dies ist wahrlich meisterhaft von Marx in seinen Frühschriften formuliert worden - ein "gesellschaftliches" Wesen, ein Kulturwesen zu werden und zu sein. Und gerade weil jeder Sozialwissenschaftler und auch jeder reflektie- rende Laie weiß, daß die Verhaltensweisen v°1/ Frauen innerhalb des Patriarchats erlernt, WI/ nicht zu sagen mit Gewalt und Gewaltandrohung wette erpreßt wurden und werden, hätte er, um zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA terzukommen, die G e w a lt in den Mittelput‘' seiner Untersuchung stellen müssen. Denn, wenn man sich nur mit den Symptomen (wie "femininen Merkna.alen"bei. den Opfern und deny "Protzen mit Kraft und Männlichkeit" bei dell, Tätern, angeblichen "Todestrieben" etc.) und nicht mit der Sache selbst beschäftigt, dann kommt man leicht in Teufels Küche, ja direg Ins Lager der Reaktion, wo Marcuse, soviel steht fest, wahrlich nicht hin wollte! Das Pa- triarchat verdankt seine Beständigkeit weit eher den passiven(Bequemlichkeit) als zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA den 26

tiven bzw. voll bewußten Handlungen von Men- schen. Wer nicht ständig und immer wieder über das Patriarchat reflektiert, bleibt in ihm. Weil sie zu wenig - und nicht weil sie zu viel! - über das Patriarchat nachdachten, fanden Marx, Freud und Marcuse den Ausgang nicht. Sie spür- ten ein "Unbehagen" (Freud) und Marx und Mar- cuse litten sicher schon unter der patriarchali- schen Kultur, in die auch sie bereits hineingebo- ren wurden, deshalb begannen sie mit der Analy- se und deswegen wissen wir sie auch zu schätzen trotz ihrer patriarchalischen Fehler. Und wir hoffen,daß unsere Kritik an ihnen als eine kon- struktive verstanden wird, denn uns geht es wie ihnen um die Humanisierung gesellschaftlicher Beziehungen. Und deshalb lehnen wir auch Marcuses reaktionä- re und ahistorische Spekulationen über einen "fe- iflintstischen" bzw. "weiblichen" Sozialismus ab. Alle diese dubiosen "Merkmald' oder "Qualitäten", die den Frauen angeblich durch die patriarchali- sche Zivilisation "zur zweiten Natur" geworden sind, haben uns den Feminismus und auch den Sozialismus nicht gebracht, sondern im Gegen- teil, die Bewußtlosigkeit über dieses System er- höht. t'Rezeptivität'' (sinnliche Wahrnehmungs-, Aufnahmefähigkeit), "Sensitivität" ," Zärtlichkeit" und "Gewaltlosigkeit" sind genauso wie "Frustra- tion" und"Aggressivität" Verhaltensformen, die "an sich" geschlechtsunspezifisch sind - bis, wie gesagt, auf den Faktor körperlich e Gewaltan- wendung. Marcuse spricht zwar einmal kurz das Phänomen an, daß "die Verteidigung der jeweils bestehenden Gesellschaft und deren Hierarchie ursprünglich von physischer Kraft abhing", aber Inzwischen von der technischen Entwicklung ab- gelöst wurde. Wir sind da nicht so sicher. Wir werden bei unserer Patriarchatsanalyse genau untersuchen, ob die physische Kraft sich nicht nur technisch ausdrückt - eben von der Faust zur Keule, zur Pistole, zur Rakete ver- längert, körperlich fortsetzt. Für uns ist auch die Atombombe nur eine potenzierte physische kraft, die Körper tötet. Man (Marcuse) kann mit einem derart phan- tastischen und an allen Ecken und Enden notwen- digerweise völlig widersprüchlichen Begriffsappa- rat ( der dumme "Todestrieb" bringt am End den Marx noch um!) weder den Kapitalismus noch das Patriarchat analysieren, geschweige denn Ihre /3eziehung zueinander. Und warum Kapitalismus 1111c1 Sozialismus den Feminismus nötig haben, (las kann man schon gar nicht verstehen, ge- ehweige denn, was überhaupt Feminismus inhalt- lich undstrategisch uns bringen soll. Denn, zum etnen sollen wir "aggressiv" werden (wo das un- sere "zweite Natur" doch eigentlich gar nicht zu- läßt!), "um die Gleichberechtigung zu errei- chen, die eine absolute Voraussetzung für die Befreiung ist" und dann anschließend sollen wir "als Frau" (welches Verhalten müssen wir dann wohl nach Marcuse realisieren?) sowohl den Kapitalismus wie die "sozialistischen Insti- tutionen" endgültig humanisieren: "Als ein gleichberechtigtes, ökonomisches und politi- sches Subjekt kann die Frau als Frau (Her- vorhebung im Original) eine führende Rolle in einer radikalen Rekonstruktion der Gesellschaft übernehmen." Nachdem ist die "Aggressivität" wohl auch unsere "erste Natur", denn die müs- sen wir ja in entscheidenden Momenten für un- sere Befreiung wieder in Einsatz bringen oder liefert sie uns das Patriarchat noch als unsere "dritte Natur"? Und was machen wir bloß,wenn unsere kulturell erworbene oder in der Urhorde noch "natürliche" Agg ressivität, die es wieder zu mobilisieren gilt, dann immer noch hinter der der "Kategorie" Männer zurückbleibt, weil die ja auch trainieren, um Ihr System, ihre Hierarchie, nach außen und innen zu erhalten, zu verteidigen? Wieviel Aggressivität räumt man (Marcuse) den Frauen denn ein - so viel wie Männerr 9 Lieber Herbert Marcuse, wir wußten schon, warum wir auf Deine Thesen 1975 und 1979 nicht weiter eingehen wollten : Denn, auch wenn Du mit einigen Studentinnen - aber waren das schon Feministinnen? - darüber diskutiert hast, für uns war es ein Monolog. An keiner Stelle gehst Du auf die Analysen der Theoreti- kerinnen der neuen Frauenbewegung (Millett, Firestone, Chesler, Mariarosa Dalla Costa u. Selma James oder Hodee Edwards etc.) nur mit einer Silbe ein. Selbstherrlich, über die Köpfe und Stimmen der Betroffenen hinweg, er- zählst Du uns wieder, wie wir angeblich sind und was wir in Zukunft tun sollen und wie. Daß einige Studentinnen (denn mit Hausfrauen, Müt- tern, Friseusen und Rentnerinnen etc. hast Du wohl kaum über den Zusammenhang von Femi- nismus und Marxismus diskutiert? Wir seit 10 Jahren!) Dir dennoch widersprochen haben, glauben wir Dir gern; aber nirgends findet sich ein Hinweis darauf, in welchen Punkten und mit welchen Argumenten dies geschah bzw. ob diese Diskussionen evtl. zu einer Änderung der "theoretischen" Konzeption führten. Wir finden jedoch nicht eine einzige Aussage in dem Artikel, den eine Feministin eingebracht haben könnte - wir haben ihn daraufhin direkt abge- sucht! Im Brief vom 18.1.79 hieß es dann einmal: "Feminism begins at home". Wir haben nichts dagegen, wenn mit "home" auch Marcuse, die 27

eigene Person, man selbst in seiner Beziehung zum Anderen, zu jedem Anderen, zur Umwelt zur Arbeit etc. gemeint ist. Herbert Marcuse und der Feminismus - wir wollten wissen, wieweit das stimmt, wieweit das trägt, wieweit das zusammengeht. Der Tod kam dazwischen. Aber wir sind sehr froh, daß er und wir wenigstens den Anfang noch schaff- ten. Das Gespräch wird weitergehen. Wir neh- men Abschied von Herbert Marcuse mit der Be- antwortung der Fragen zur Theorie des Patri- archats .Die folgenden Ausführungen zur Theorie des Patriarchats bieten wir als Diskussions- grundlage an. Sie entsprechen unserer Lebens- erfahrung und unseren theoretischen und histo- rischen Untersuchungen der letzten 10 Jahre. Unsere erste Definition und Arbeitshypothese lautete 1972/ 73: Das PATRIARCHAT ist das System der GEWALT, in dem das Recht des STÄRKEREN (körperlich - geistig - ökonomisch) Gesetz ist. Wir möchten nun begründen, wie wir zu dieser Definition gelangten und warum und in welcher Weise sie sich als äußerst brauchbar zur Ana- lyse der Beziehungen zwischen Männern und Frauen, zwischen vom Tage der Geburt an bis zu ihrem Tode bereits durch ihren Kör- p e r (ihre materielle "natürliche" Beschaffen- heit, ihr biologisches Erbe) U ngle i che n er- wies und bewährte. Unsere besondere Abhebung auf die materiellen, die körperlichen Ungleichheiten der Menschen, die nicht nur zwischen Frauen und Männern, son- dern auch innerhalb jedes Geschlechts bereits mit bloßem Auge und durch wissenschaft- liche Untersuchung sehr exakt anhand von Größe, Gewicht, Hautfarbe, Fingerabdrücken, Organ-, Blut-, Hormon- und Genbeschaffenheit, Erb- krankheiten, Geburtsschäden etc. festzustellen ist, hat uns bei oberflächlichen und/oder dogma- tischen Kritikern (z.B.Vulgärmarxisten) den Vorwurf eingebracht, unsere Theorie sei bi o - logis ti s c h. Großer Irrtum! Wahr ist: Wir sind eindeutig Materialisten, weil wir von der Materie, dem Körper, der individuellen Be- schaffenheit des zu untersuchenden Gegenstandes in Raum und Zeit und nicht von einer fixen Idee, einer Ideologie, einem "Weltgeist" oder einem Abstraktum z.B. dem "Kapital" ausgehen . Auch die Definition unseres Gesellschaftssystem eben des Patriarchats, war bereits ein Ergebnis, ein Produkt erster Untersuchungen. Wir sind al- 28 lerdings nicht bloß Faktensammler ("Positivi- sten"), sondern unsere Theorie ist gesell- schaftskritisch, aufklärerisch und eindeutig auf das Moment der Praxis, auf das politische Handeln der Menschen gerichtet. Da wir unse- re "Natur" wie unsere "Kultur" bewußt bewer- ten und zwar zu unserem anthropologischen feministischen Vorverständnis (siehe "Alle sind zur Philosophie berufen" ...FEMINIST, Nr.1/79) in Beziehung setzen, bleiben wir nicht bei der Darstellung unseres sozialen Systems, unserer patriarchalischen Kultur stehen, sondern drängen auf die Gesellschafts- veränderung. Aber, wie gesagt, ausgehen tun wir von den Fakten: den Menschen ihren beobachtbaren Handlungen (ihrer Praxis) ihren Geschichte gewordenen Handlungen, d.h. ihren Institutionen wie Familie, Staat, Wirtschaft, Militär, Recht - kurz ihrer ge- samten Kultur. Unsere Untersuchung verläuft auf drei Ebenen: a) historisch b) empirisch (Beobachtung, Experiment, Stati- stik, etc. ) c) theoretisch. Historische Ebene: Zumindest für die Zeitepoche,für die eine ge- schriebene Geschichte vorliegt, läßt sich das Patriarchat einwandfrei nachweisen. Und zwar Patriarchat sowohl nach unserer Definition wie nach der allgemein üblichen, d.h. im Sin- ne von Männerherrschaft bzw. Väterherr - schaft. Die Vorherrschaft des Mannes - offenkundig oder / und verschleiert - wird nicht nur durch Mythen und Märchen, künstlerische und religi- öse Manifestationen der Frühgeschichte belegt' sie wird auch durch wissenschaftliche Untersu" chungen und vergleichende ethnologische Studie/1 für die Mehrzahl der Stämme, Völker und Na' tionen der Neuzeit bestätigt. Und selbst die nicht eindeutig patriarchalischeili Beziehungen lassen sich nicht als "Matriarchat - im Sinne von Frauenherrschaft bzw. Mütterherrschaft - klassifizieren. Es handelt sich hier entweder um mutterre chtur che Kulturen, in denen die Frau als "Gebären/ de" , "Lebenschenkende"geehrt und geachtet wurde oder um Phänomene wie den Marienkult und in jüngster Vergangenheit den faschisti- schen Mutte rkult. Auch die sogenannte "Rotlig° tische Liebe" war nur eine spezifische AusPr3- gun.g des Patriarchats. Untersuchen wir alle diese, die Frau und eit-

ter angeblich nicht diskriminierenden Gesell- schaftsordnungen jedoch genauer, so steht die verbale Ehrung der Frau dann meist in beson- ders krassem Widerspruch zur Realität. Hand- kuß und Mutterkreuz sind die intellektuellen Waffen des Patriarchats. Mit ihnen besiegt man den Schwächeren ohne sich körperlich oder öko- nomisch anstrengen zu müssen. Diese Form der Unterdrückung erscheint galant und ist noch da- zu besonders billig und effektiv. Sie entwaffnet durch ihr Gewand. Der Ausbeuter schlüpft in das Kostüm des Anbeters, des großzügigen Spen- ders, des Arbeit"gebers" und derart beschämt, sprachlos und dumm gemacht (Eitelkeit ist ein eindeutig kulturelles, gesellschaftliches Phäno- men. Niemand kommt auf die Idee, einen Säug- ling mit dem Prädikat dumm und eitel zu bele- gen!), verzichtet der körperlich oder/und intel- lektuell Schwächere dann "freiwillig"auf eine ge- rechte, d.h. seinem Wert, seinem Arbeitsein- satz entsprechende Belohnung. Wir lehnen nach wie vor - auch für die Zeit der "ungeschriebenen Geschichte", der "Urhorden" - sowohl als Spekulation wie als Arbeitshypothese den Terminus "Matriarchat" ab. Alles deutet daraufhin, daß das Patriarchat zwar in äußerst Primitiver, archaischer Form, aber überall ver- breitet war. In der Urhorde hatte die Frau dem Vergewaltiger noch weniger entgegenzusetzen als heute. Sie vermochte ihre körperliche Ab- hängigkeit (Schwäche) damals noch so gut wie gar nicht durch ihre intellektuellen und ökonomi- schen Potenzen (Kräfte) zu kompensieren. Sie war ihrer Biologie ungleich mehr ausgeliefert als heute. Die Frau wurde vom Mann geraubt und untereinander (!) getauscht, als Sexualobjekt und Arbeitskraft benutzt und ausgebeutet. Die romantische Unterdrückung"(Shulamith Fire- stone) gab es noch gar nicht . Und weil in diesen archaischen Zeiten noch so gut wie keine Mehr- wertproduktion (d.h.über das Existenzminimum hinaus) stattfand, stahl der Stärkere dem Schwä- eheren das Tagesminimum. Um also als "Patri- arch" zu überleben , benötigte man damals wie heute schon mehr als eine Frau, mehr als ei- nen Sklaven. Denn die Überausbeutung eines In- dividuums beschleunigt sein Ende. Wer die Na- Urgesetze mißachtet ,beschleunigt die Rückver- Wandlung von belebter in unbelebte Natur. Die 1\latur ist immer noch stärker als das Patriar- chat. Denn, obwohl Patriarchen heute nicht nur ein Leben, nicht nur ein Volk, sondern bereits die ge- saMte belebte Erde vernichten können: Unbeleb- te in belebte Natur, ausbeuterische in humane Be- bziehungen zu verwandeln, das gelingt Ihnen nicht. v zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA Stärke (die Gewalt) dieses Systems ist die de es Todes. Einzelne Individuen (männlich wie weiblich) haben das mörderische dieses Sys- tems schon sehr früh erkannt. Aber als Einzel- ne bleiben sie immer Schwächer als die Mehr- heit. Deshalb wird die Menschheit nur überle- ben, wenn die Mehrheit die Naturgesetze zu er- kennen und zu achten vermag. Um es auch für Professoren, Ökonomen und Philosophen des Patriarchats einmal ganz klar auszudrücken: zuerst kam die Gewalt, der Raub, die Vergewaltigung des Schwächeren, bevor an Teilung und Tausch - gar gerechten (im Sinne von human) Tausch!- überhaupt nur gedacht wurde. Die Anfänge der menschli- chen Kultur mit Begriffen wie "paradiesisch", "urkommunistisch" oder "matriarchalisch" be- schreiben, darstellen zu wollen, sagt nur et- was über den psychischen und intellektuellen Zustand des Gesellschaftsanalytikers aus, je- doch nichts über die Realität. Diese Analyti- ker denken zwar schon über das Patriarchat hinaus, sie leiden bereits an der Gegenwart, aber sie verwechseln die Vergangenheit mit der Zukunft. So idealistisch und ideologisch Marx' Spekulationen über die ungeschriebene Geschichte ausfielen, so treffend und plastisch, so materialistisch und gesellschaftskritisch schildert er die Anfänge der bereits überprüf- baren Geschichte der Menschheit in "Die Früh- schriften" (Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1 971 , S.359/60): Mit der Teilung der Arbeit, in welcher alle diese Wider- sprüche gegeben sind und welche ihrerseits wieder auf der naturwüchsigen Teilung der Arbeit in der Familie und der Trennung der Gesellschaft in einzelne, einander entgegen- gesetzte Familien beruht, ist zu gleicher Zeit auch die /er- teilung, und zwar die ungleiche sowohl quantitative wie qualitative Verteilung der Arbeit und ihrer Produkte gege- ben, also das Eigentum, das in der Familie, wo die Frau und die Kinder die Sklaven des Mannes sind, schon seinen Kern, seine erste Form hat. Die freilich noch sehr rohe und la- tente Sklaverei in der Familie ist das erste Eigentum, das übrigens hier schon vollkommen der Definition der moder- nen Ökonomen entspricht. nach der es die Verfügung über fremde Arbeitskraft ist. Übrigens sind Teilung der Arbeit und Privateigentum identische Ausdrücke — in dem einen wird in Beziehung auf die Tätigkeit dasselbe ausgesagt, was in dem andern in Beziehung auf das Produkt der Tätigkeit ausgesagt wird. — Ferner ist mit der Teilung der Arbeit zu- gleich der Widerspruch zwischen dein Interesse des einzel- nen Individuums oder der einzelnen Familie und dem ge- meinschaftlichen Interesse aller Individuen, die miteinander verkehren, gegeben; und zwar existiert dies gemeinschaft- liche Interesse nicht etwa bloß in der Vorstellung, als „All- gemeines", sondern zuerst in der \Virklichkeit als gegen- seitige Abhängigkeit der Individuen, unter denen die Ar- beit geteilt ist. Die humanistische Utopie (Kommunismus, Fe- minismus) - eine Zeit ohne brutale Gewaltan- wendung, Unterdrückung und Ausbeutung - hat Marx - wie ein gläubiger Christ den Garten Eden- in eine für lebende Menschen niemals er- reichbare, d.h. In eine raum- und zeitlose , 29

beziehungs- und strukturlose Abstraktion, die "Heile Welt" verbannt. Nach Marx praktizieren den Urkommunismus ausgerechnet die ersten Menschen, über deren soziale und sexuelle Be- ziehungen wir nie mehr genaue Auskunft erhal- ten werden. Und um diese angeblich paradiesi- schen Zustände wieder zu erreichen, empfiehlt Marx uns, die Arbeitsteilung (ja sogar die Ar- beit) wieder aufzuheben. Da angeblich mit der A r b e i t s t e ilung das ganze Übel, der unglei- che Tausch, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen begonnen hätte. Beide Spekulatio- nen (die über unsere Vergangenheit wie die über unsere Zukunft) überzeugen uns nicht. Sie ste- hen in krassem Widerspruch zu unserer ge- schriebenen Geschichte und zur Struktur gesell- schaftlicher Beziehungen. Marx irrte. Die Arbeitsteilung muß nicht zu Privateigentum, zu Patriarchat und Kapitalis- mus führen. Sie ist nicht "an sichuausbeuterisch und inhuman. Ganz im Gegenteil: von einer Neu- bewertung und Neuordnung des Phänomens "Ar- beitskraft" hängt die Humanisierung all unserer Beziehungen ab! Ausbeutung und Unterdrückung beginnt bereits vor aller Teilung, vor allem Tausch. Sie beginnt in dem Augenblick, wo Gewalt zur Befriedigung der eigenen Interessen und Bedürf- nisse eingesetzt wird. Teilen die Menschen ihre Zeit, ihre Arbeitskraft "gerecht", d.h. mit dem Willen die "Ungerechtigkeiten" der Natur auszu- gleichen, so kann durch die Arbeitsteilung - und das hat die Geschichte längst bewiesen - sogar eine enorme Steigerung des allgemeinen bzw. des Wohlstands für alle erreicht werden. Nicht die Teilung, nicht der Tausch "an sich" sind von Übel, sondern die bis zum heutigen Tage (bis auf verschwindende Ausnahmen!) g e w a lt s a m e, archaische Form des Tauschs. Die Teilung und die Tauschbedingungen werden erzwungen, dem Schwächeren aufgenötigt. Wo sind meine Alternativen, meine Freiheiten, wenn ich als Negermädchen in den Slums das "Licht" der Welt erblicke? Die Möglichkeiten, die Einsatz- bedingungen sind bereits beim Start durch die Natur - individuelle wie generelle - im Raum und in der Zeit begrenzt. Nicht "Freiheit" und "Gleichheit" scheinen die Strukturprinzipien der Natur zu sein, sondern Sinnerfassung, und Ord- nung. Ein Prinzip der Ergänzung, der Befruch- tung, des Ausgleichs scheint hier am Werk zu sein. Die natürlichen und die kulturellen Gren- zen nimmt jedes Individuum bereits in seiner Kindheit war. Und viele Menschen wollen die Grenzen, so wie sie sie vorfinden, nicht akzep- tieren. Mit Recht lehnen sie sich gegen sie auf. Denn nicht nur die natürlichen, sondern ganz be- 30 . sonders die vom Mensch gemachten, die kultu- rellen Grenzen sind Immer noch roh und priral- tiv, archaisch, unbearbeitet , sinnwidrig und unmenschlich. Marx kennzeichnet diese Phase als die Vorgeschichte der Menschheit. Wir de- finieren sie als Patriarchat. Empirische Ebene: Wir wollen hier nur kurz die wichtigsten Kenn- zeichen und Fakten auflisten, an denen sich die patriarchalische Kultur erkennen und empirisch nachweisen läßt. Wir differenzieren wie üblich - körperliche Gewalt und Ausbeutung: - Schlagen, Foltern, Töten; Sexuelle Vergewaltigung, Nötigung in der Ehe, Klitorisbeschneidung, Abtreibung, Zuhälterei; Kindesmißhandlung, aggressives Sexualver- halten Kindern und Abhängigen gegenüber etc. inte 1 le ktue 1 le Gewalt und Ausbeutung: List, Täuschung und Manipulation des gei- stig Minderbemittelten (aufgrund von Natur oder/und Kultur) durch den Stärkeren; Elitäre Sprache In den Massenmedien und 10 der Gesetzgebung; Forschung und Wissenschaft für eine Minder- heit auf Kosten der Mehrheit; Belohnung formaler, inhaltsloser Technika und Fähigkeiten, Verherrlichung von Gewalt' Einschränkung der Melnungs-, Presse - und Versammlungsfreiheit sowie des Demonstra" tionsrechts; 5% Klausel bei Wahlen etc.; Monopolbildung In der Presse und im Ver- lagswesen; Geschlechtsspezifische Erziehung, Ausbil- dung und Arbeitsteilung; Besetzung aller Schaltstellen der Macht in Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft, Massenmedien und Kunst etc. zu 95% mit Männern; - ökono mis che Gewalt und Ausbeutung: Ungleiche Entlohnung (Differenz von Männer und Frauenlöhnen/-gehältern bis zu 30-35%); Nichtentlohnung der Haus- und Erzieherar" , des Eh e' beit, keine oder minimale Mitarbeit zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA oder "Partners"bei der Haus-und E rzieherarbeit der berufstätigen Frauen (ei° seitige Doppel- bzw. Dreifachbelastung) Ungleiche Renten; Steuervorteile (Subventionen, Abschreibuir gen etc.) für die Starken, insgesamt höhere Ausbeutung der ökonomisch Schwachen der, Lohn- u. Gehaltsempfänger, der ledigen, ge a schiedenen u. verwitweten Mütter etc • ); A überausbeutung durch Monopolbildung tirtuz politische Diktatur (Privat- und StaatsleP:i talismus, Multis etc.), durch Erbrechtol- Ansicht und Behandlung der Kinder 9.10 b

vateigentum und Privatbelastung der biolo- gischen Eltern (Kinder sollten endlich wie die Rentner und die Kranken von allen Er- wachsenen, d.h. der Gesamtgesellschaft ökonomisch und sozial b e w u ßt-und nicht indirekt, undurchsichtig und ungerecht über Steuerumverteilung - angenommen und ge- tragen werden); Ausbeutung der Schwächeren zur gewaltsa- men Aufrechterhaltung und Verteidigung der lebensfeindlichen patriarchalischen Kultur, zur Finanzierung autoritärer Staatsapparate, deren Polizei-, Militär- und Rüstungsausga- ben bis zu 35% des gesamten Volkseinkom- mens verschlingen und die keinen anderen Sinn, keine andere Funktion haben als anders denkende, anders teilen- und tauschen wol- lende Menschen mit dem Tode zu bedrohen und zu töten. Solange das patriarchalische System existierte und existiert,hat es sich durch Gewaltanwendung und Ausplünderung des Schwächeren an der Macht erhalten. Die Strukturbildung dieses Sys- tems beruht auf legaler und illegaler Gewaltan- wendung. Theoretische Ebene: Wir haben nicht nur in der Praxis den Mecha- Esmus des Patriarchats genau untersucht. Wir haben uns in den letzten Jahren auch immer in- tensiver mit den Theorien, den Gesellschafts- analytikern des Patriarchats beschäftigt und da- bei festgestellt, daß für die patriarchalische Wissenschaft im allgemeinen und für Marx, Marcuse und Freud im besonderen das Patriar- chat eine schwarze Box (ein Zauberkasten) ge- blieben ist. Wie die meisten starren sie auf die SYmptome, auf "weibliche Merkmale", ge- schlechtsspezifische Rollen, auf die geschlechts- spezifische Arbeitsteilung und Entlohnung und nicht zuletzt auch auf den "Frieden" (die gesell- schaftliche Beziehung ohne Androhung und An- wendung von Gewalt) wie auf eine weiße Taube. Sie wissen nicht, wie die weißen Tauben in den schwarzen Kasten rein und wann sie wieder rauskommen. Sie wissen nur, daß hier mensch- liche undnicht göttliche Zauberer die Karten 13atschen und die Unwissenden angeschmiert wer- len. Die "Bank', das "Kapital" gewinnt, sie Zahlen meistens drauf. Die Zauberer, • ellats - und sogar jeder kleine Hauspatriarch °der Hausdrachen - wissen allerdings sehr ge- tinall, Wie ihr Herrschaftssystem wirklich funk- k.;°111ert. Sie bringen den bzw. die Faktoren , ihre ,!Perliche, Intellektuelle oder ökonomische itxtz;eaft, ins Spiel, In denen sie ihrem "Partner" die Fülrungskräfte des Patriar- rlegen sind. Mittuter versuchen sie sich je- doch auch selbst zu täuschen, gestehen sich selbst nicht ein, wodurch und woher sie ihre Überlegenheit, ihre Macht jeweils bezogen und beziehen. Niemand verrät gern die Quelle, wenn sie so primitiv und inhuman ist wie im Patriarchat,und das Verschweigen einem noch dazu einen Vorteil (Profit) - und sei er noch so klein - gegenüber dem Mitspieler, dem Mit- menschen verschafft. Da spielt man/frau lie- ber mit weißer Weste und schwarzer Box wei- ter, anstatt die gezinkten Karten auf den Tisch zu legen. Denn wer garantiert einem,wie die Zusammensetzung der Spieler das nächste Mal Ist - vielleicht hat man dann stärkere, ge- waltigere "Partner" ? Ja, wer hält denn über- haupt noch etwas von humanen Spielregeln? Jede/r will nur vorsorgen, damit er nicht plötzlich ohne Hemd dasteht. Auch Feministen wollen das. Aber die Vorsor- ge soll und darf nicht darin bestehen, daß ich dem Schwächeren das Hemd einfach klaue .Wir wollen Teilung und Tausch, aber keine Erpres- sung und brutale Ausbeutung. Marx untersuchte die Ausbeutung anhand des Faktors "Arbeit", anhand der Arbeitsteilung. Er analysierte wie das Tauschverhältnis zwischen "Kapital" und "Arbeit" sich tatsächlich abspielt und die Ab- schöpfung des "Mehrwerts" durch den Stärke- ren gelingt. Wir dagegen analysieren ein Ge- waltverhältnis zwischen Mann und Frau, zwi- schen biologisch Ungleichen, und wir zeigen auf, wie bereits vor allem Tausch die Abschöpfung des "Mehrwerts" anhand des Fak- tors "Gewalt" gelang und bis zum heutigen Ta- ge gelingt. Dreh- und Angelpunkt unserer Theorie des Patriarchats ist seine d r e i d i me n s io na 1 e Gestalt: Die Sache begann (und beginnt für Frauen auch heute noch) mit der Möglichkeit von Ausbeutung und Unterdrückung aufgrund von - körperlicher Gewalt (physischer Stärke). Unmittelbar anschließend, sobald der Mensch zu denken, seine Verstandeskräfte zu nutzen beginnt (Siehe in diesem Zusammenhange auch ...Oder wie werde ich ein Mensch?",S.16f.), tritt die Möglichkeit von Ausbeutung und Un- terdrückung aufgrund von - intellektueller Gewalt (geistiger und psy- chischer Stärke) hinzu. Die Reflexion erlaubt bereits ein Abwägen, ob das Individuum die eine oder die andere Kraft in einer bestimm- ten Situation, in einer bestimmten Beziehung einsetzt. Alternatives Handeln wird möglich: anstatt Gewalt - Gespräch, anstatt Mord - Leben lassen, anstatt Raub - Arbeitsteilung und Tausch 31

anstatt Vergewaltigung - Liebe anstatt Ich - Wir. Die Fähigkeit seine Umwelt nicht nur wahrneh- men, sondern über sie nachdenken, Sprachen erlernen und als Möglichkeit des Austauschs mit anderen Lebewesen einsetzen zu können, be- stimmt den Mensch zum Kulturwesen. Diese seine humane P o t e n z kann im Patriarchat nicht zu voller Entfaltung kommen, da über die Gewaltanwendung nicht mehr oder noch nicht re- flektiert wird. Und solange die Menschheit das Phänomen der Gewalt nicht in den Griff, nicht unter ihre humane Kontrolle bekommt, sie sich nicht von ihren archaischen Umgangsformen emanzipiert, ist ihr Überleben als Gattung von Jahrhundert zu Jahrhundert mehr gefährdet. So lange steht die gesamte Menschheit ohne Hemd da. Denn das individuelle Streben , zum Beispiel für ein Morgen, für Krankheit und Alter vorzu- sorgen, vorzuarbeiten, ein Mehrprodukt zu er- stellen, führt nur dann zu einem Erfolg, wenn die Vorsorge nicht auf Kosten des anderen Men- schen, nicht auf Kosten der Umwelt, der Natur, in Angriff genommen wird. Und damit kommen wir zur dritten Möglichkeit von Ausbeutung und Unterdrückung, der aufgrund von ökonomischer Gewalt (wirtschaftlicher Stärke, "geronnener Arbeitskraft" bzw. Kapital). Erst durch die Anwendung des 1. und /oder des 2. Faktors wird die dritte, jetzt eindeutig ku 1. - tu r e 1 le Kraft geschaffen. Sie ist das gesell- schaftliche Produkt der vom Individuum in Ein- satz gebrachten naturgegebenen körperlichen und intellektuellen Potenzen. Die folgende Gra- fik versucht den Prozeßcharakter und die histo- rische Entwicklung dieser Kräfte zu veranschau- lichen: der Mensch entfaltet durch das dialektische Wirken seiner Naturkräfte ein dreidimensionals Kräftepotential 2. intellektuelle 3. ökonomi- ) Kraft sehe Kraft z .L i Körperkraft dezyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA - sowohl historisch wie individuell - die Schwä" che eines Faktors durch die besondere Aktivie' rung der beiden anderen Faktoren ausgeglichen werden kann. Deshalb kann es einer einzelnen Frau und auch einem körperlich äußerst ge- schwächten Mann durch überhöhte Anspannung ihrer intellektuellen und ökonomischen Poten- zen durchaus gelingen, ihre biologisch größere Abhängigkeit (Ausbeutungsmöglichkeit) voll zu. kompensieren. Anerkennen undpraktizieren sie noch dazu das patriarchalische Prinzip, sich Recht und Macht mit Gewalt zu nehmen, dann werden sie heute ihnen lediglich körperlich überlegene Individuen leicht besiegen. ett Was jedoch die Frauen insgesamt - algt laars- - betrifft , so haben sie gegenüber den sie als "Klasse" ausbeutenden Männern nur eine Car ce: Männer müßten intellektuell und psychiscb so degenerieren, daß sie unfähig werden, ihre, n körperliche und ökonomische Überlegenheit Frauengegenüber noch auszuspielen oder ;je das wäre Feministen wahrlich angenehmer! Männer müßten ihre seelisch-geistigen P°teil; i so steigern und emanzipieren können, daß s ci auf Gewaltanwendung freiwillig verzichten 11,13 n en humane Beziehungsformen gemeinsam rillt d Frauen verwirklichen. 1W e Obwohl wir die sich (für die einzelne Frau für den einzelnen Mann) immer ganz Spe fisch - eben aufgrund ihrer Individualität • et - gebende Kombination der drei Kraftfaktoren nicht abstreiten, bleibt die Tatsache doch be it stehen, daß dieMänner die Vorherrschaft seil, Urzeiten gewaltsam an sich rissen und bis he te behaupten konnten. Weshalb erschien uns dennoch eine Definition des Patriarchats 5.11111' voll und angemessen, dIe Im Grunde an kein Geschlecht gebunden ist? Wir versuchen mit unserer Theorie des Patrl' archats folgenden Sachverhalt aufzudecken und zu erklären: 1.) Alle drei Möglichkeiten der Gewaltanwen- dung (körperlich, intellektuell, ökonomisch) sind nicht gleichgewichtig und sind auch nicht beliebig austauschbar. Poten- tiell stehen aber alle 3 Faktoren, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß jeder' Individuum und jeder Klasse zur Verfügungs 2.) Der Faktor "Körperliche Gewalt", d.h. von der Natur zur ---> Kultur Alle 3 Faktoren können sich gegenseitig beein- flussen und das konzentrierte Zusammenarbeiten von 2 oder gar 3 Faktoren führt zu einer Poten- zierung der Gewaltmöglichkeiten, sodaß mitunter 32 die stärkere Muskelkraft des Mannes und die stärkere Abhängigkeit der Frau von ihrer Biologie, ermöglicht generell die Unterdrückung der "Klasse" Frau.Die Möglichkeit unserer Unterdrückung und f, Ausbeutung ist also naturgegeben. Die All hebung oder auch Verstärkung dieser Gie: walt ist demnach ein rein kultureller Akt'

Die "Klasse" Mann hat aufgrund des biologi- Sehen Unterschieds ohne allen Zweifel und für alle Zelt ein höheres Gewaltpotential zur Verfü- g und hat dieses bis zum heutigen Tage auch gegen die "Klasse" Frau ausgespielt. Wenn wir [14 folgenden "der Mann" schreiben, meinen wir Ilhnier die "Masse", nie den Einzelnen.Der Ein- Zeire kann sich klassenunspezifisch verhalten, er 2t niemals der Durchschnitt, das Allgemeine. uer Mann kann vor aller Arbeitsteilung, vor al- l% Tausch die Frau zwingen, nicht nur die ei- !elle, sondern auch die männliche Arbeitskraft 4litzuerhalten. Er kann die Frau zum Sexual- vi erkehr - wenn sie nicht"freiwilligt dazu bereit Bt - zwingen. Er kann das alles, aberzyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA eg echt: KRAFT GEWALT ! er Mann kann seine Kräfte auch für, er muß 'sie nicht gegen den Schwächeren, den Abhängi- geren (Frauen, Kinder, Alte etc.) einsetzen. Er kann auf Gewaltanwendung und Ausbeutung verzichten. Mahatma Gandhi ("Nach meiner Auffassung hat Gewaltlosigkeit mit Passivität nicht das geringste zu tun. Gewaltlosigkeit, wie ich sie verstehe, ist die aktivste Kraft der Welt"), Martin Luther King, Carl von Ossietzky, viele e inze 1 ne Männer und die Mehrheit aller Frauen (innerhalb wie außerhalb der Frauenbe- wegung) entschieden sich für andere, für huma- ne Formen des Kampfes, um sich von Unter- drückung oder/und vom Patriarchat zu befreien. Kein Naturgesetz zwingt den Mann seine Kräfte in Form von Gewalttätigkeiten und Unterdrük- kung zu realisieren. Kein Naturgesetz zwingt Männer, Frauen gegen ihren Wunsch und Willen 33 er muß

zu schwängern - "sich zu vermehren (weit düm- mer) wie das liebe Vieh"! Nun ist selbstverständlich auch anderen Theore- tikern aufgefallen, daß die Unterdrückung der Frau in erster Linie mit ihren biologischen Funktionen zusammenhängt. Dieseri`Natui4tver- suchten sich einige Patriarchalinnen und Patri- archen gleich radikal zu entledigen. Das wäre ja gelacht, wenn man der im 20. Jahrhundert noch immer nicht gewachsen wäre. Es begann damit, daß Simone de Beauvoir in ihrem "Das andere Geschlecht" die Dinge einfach auf den Kopf stellte durch ihren klassisch gewordenen Ausspruch:"Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird dazu gemacht" . Da aber keine Formulierung - so sehr sie einem selbst auch gefallen mag - Naturtatsachen aus den Angeln zu heben vermag, empfahl sie zusätzlich die Sterilisation und künstliche Fortpflanzung. In diese echt patriarchalische Sackgasse folgten ihr dann noch einige andere vermeintliche Frau- enbefreiungskämpferinnen und -kämpfer. Der Kinderfrage versuchte man technologisch beizu- kommen. Frau wird allerdings den Verdacht nicht los, daß dieser "revolutionäre" Stil etwas damit zu tun hat, daß alle diese Theoretiker so- wohl biologisch wie sozial Kinder aus ihrem in- dividuellen Leben verbannten (soweit wir richtig Informiert sind). Beginnen wir mit den Visionen der Shulamlth Firestone:"Wir nähern uns ...einer kulturellen Revolution ebenso wie einer sexuellen und ökonomischen Revolution. Die kulturelle Re- volution muß genauso wie die ökonomische Revo- lution Aussagen über die Abschaffung des (sexu- ellen) Dualismus treffen, denn er ist die Ursache nicht nur der Klassengegensätze, sondern auch des kulturellen Antagonismus ...Was wir in der nächsten Kulturrevolution erreichen werden, ist die Wieder-Vereinigung des Männlichen (techno- logischer Ansatz) mit dem Weiblichen (ästheti- scher Ansatz) zur Schaffung einer androgynen Kultur, die die Höhen jeder getrennten kulturel- len Entwicklung übertreffen wird oder sogar die Summe beider. Das ist mehr als eine Vermäh- lung, eher eine Abschaffung der kulturellen Ka- tegorien selbst, eine gegenseitige Aufhebung, ei- ne Explosion von Materie und Antimaterie - ein lauter Knall wird das Ende der Kultur anzeigen." Wir haben bereits unsere Zweifel gegenüber der Marx' schen Zukunftsvision vom"Urkommunismud' bekundet, aber noch unwohler wird uns bei dem "kybernetischen Kommunismus", den uns Shula- mith Firestone schmackhaft zu machen versucht! ("Frauenbefreiung und sexuelle Revolution", Fi- scher Taschenbuch Verlag, S. 178 ff.) Auch wenn wir die Arbeit und die Fortpflanzung unserer Gattung Maschinen übertragen (könnten), die Fa- milien zerstören, weil sie angeblich "die zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA Psy- chologie der Macht erzeugen", sind wir huma- nen und feministischen Beziehungen noch um keinen Schritt näher gekommen. Im Gegenteil., wir haben das Kind nur - in echt patriarchali- scher Weise - mit dem Bade ausgeschüttet. Die Art der Arbeitsteilung im Patriarchat (geschlechtsspezifisch und in manuelle und in- tellektuelle) hat eine sinnvolle politische Ent- wicklung der Menschheit jedenfalls derart be- hindert, daß man nur staunen kann, was einem auf dem Sektor von Männlein wie Weiblein alles angeboten wird. Denn auch die dritte Ausarbei" tung zur Abschaffung des Patriarchats von Ernest Borneman, in der die Stillegung der Gebärmutter, die Abschaffung der Menstrua- tion etc. gefordert wird, hat uns weder poli- tisch noch intellektuell überzeugt. Wir haben eher den Kopf geschüttelt, wie weit es mit deril akademischen Patriarchat inzwischen gekom- men ist: "Wir können uns heute ein Leben auf dem Meeresboden oder im Weltraum vorstel- len. Die technischen Schwierigkeiten sind nicht unüberwindbar. Wir werden Menschen mit Kie- men statt Lungen entwickeln, und wir werden Menschen entwickeln, deren Organismus nietet mehr von der Schwerkraft abhängig ist. Der Schritt von hier zur Abschaffung der Menstrur tion ist nicht groß, und die Erforschung einer Alternative zum Austragen des Kindes im Mut' terleib sollte kaum überwältigende Schwierig' keiten bereiten...Die Überzeugung von der Veränderlichkeit aller Dinge ist der Maßstab' mit dem man mißt, ob eine Ansicht fortschritt- lich ist oder nicht (Nun, wenn dies für Borne",_ man das einzige Kriterium für FortschrittlicP- keit ist, dann muß er auch in der Neutronen- bombe gegenüber einem Karabiner einen F°144,v- schritt sehen. Wir legen da doch ein bißchen einen anderen Maßstab anl - Einf.H.M• )• • '„ die endgültige Befreiung der Frau kann nur der Befreiung von der Geschlechtlichkeit liet gen. Die klassenlose Gesellschaft der Zukunft kann nur eine geschlechtslose Gesellschaft sdrio ... Sie muß polymorph sein, oder sie führt Ate Prinzip der Herrschaft, das wir eben durel:-W soziologische Tür(wo die wohl ist? - hinausbefördert haben, durch die Hintertür " es Sexualität wieder ein." ("Das Patriarchat" ,S' 534) Wer die Literatur zum Patriarchat grclitcb studiert hat, dem bot sich zwar eine Menge Stoff zum Lachen und zum Weinen, allerdi„.5 auch so gut wie nichts, was man - und sei es alle nur im Ansatz - mit "Theorie des Patrial chats" kennzeichnen könnte. Auch Marcti- fahl' blieb bei den Symptomen stehen und erliP'

- Streitkräfte, waffen- Armee, Bundeswehr, Polizei tragende Menschen Massenmedien - private, parteipoliti- sche, staatliche etc. Sendeanstalten und Verlage Kirche, Gemeinschaft - Herrschaft des Ober- der Gläubigen hirten, des Konzils, der Synode etc. Kindergarten - Kinderaufbewä.hrungs- und Disziplinierun.gs- anstalten Wissenschaft - private, parteipoliti- sche, staatliche etc. Zweckforschung und Lehre Verfassungsschutz, - Geheim- und Spitzel- Nachrichtendienst dienste. Die Frage der Gewalt und der Gewaltanwendung ist der Dreh- und Angelpunkt unserer Theorie des Patriarchats. Gälte es die Gretchenfrage 1980 zu formulieren, so müßte sie lauten : Wie hälst Du es mit der Gewalt, Heinrich? Nur, wenn der potentiell Stärkere bewußt , frei - w 1 11 i g auf Gewaltanwendung dem Schwächeren, dem Abhängt geren,gegenüber verzichtet, hat die Menschheit eine Überlebenschance. Das Patriarchat ist nur durch eine Revolutionierung des Bewußtseins zu besiegen. im Kielwasser der oben zitierten Richtung schwimmend, eine ähnlich irrationale und wi- dersprüchliche politische Strategie zur Über- windung der patriarchalischen Kultur. Das "wahre Wesen", Fundament und Struktur- prinzip des Patriarchats: d i e G e w a lt , wird von all diesen Autoren höchstens einmal bei- läufig und zufällig erwähnt. Ja schlimmer noch, die Gewalt wird nicht dem Menschen, sondern der Natur, der "Tyrannei der Fortpflanzung" (Firestone) oder einer Abstraktion, dem "Ka- pitalismus", der "Arbeit", den "sozialisti- schen Institutionen", dem "System" etc. ange- lastet. Die Täter verschwinden klamm-heim- lich. Nicht mehr sie üben die Gewalt aus, son- dern angeblich die Sachen. Ihre Gedanken, ihr Diebstahl, ihre Gewaltanwendung, waren an- geblich gar nicht die ihren. Fremdd'Mächte" haben sie behext, führten ihre Feder, lenkten ihre Geschosse. Sie haben sich hinter ihren Institutionen, ihren Theorien, ihren Worten verschanzt und es bereitet große Mühe, sie hinter ihren intellektuellen Zwingburgen zu identifizieren. Feminismus, wie wir ihn zur Bekämpfung des Patriarchats verstehen, muß derzeit vor allen Dingen Entschleierungs-, Aufklärungs- und In- formationsarbeit leisten: Den Schwachen und Ausgebeuteten die "Waffen" in die Hand geben, die sie zu ihrer Befreiung unbedingt nötig ha- ben. Die Waffe der Kritik - im Unterschied zur Kritik der Waffen, die Marx noch billigt -, d Ist die einzige Waffe, die wir außer Streik unzyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA zivilem Ungehorsam und Pro- test als Kampfmethoden zulassen: "Die Waffe der Kritik kann allerdings die Kritik der Waf- fen nicht ersetzen, die materielle Gewalt muß gestürzt werden durch materielle Gewalt, al- lein auch die Theorie (und eine solche Theorie des Patriarchats werden wir erarbeiten- Einf. li • M• ) wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad h o m - kne in demonstriert, und sie demonstriert ad 11,13111 Inem , sobald sie radikal wird. Radi- kal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. 132e Wurzel für den Menschen ist aber der wienschselbst."(Karl Marx:"Die Frühschrif - ten", S.216) t'ker FEMINIST spricht eine deutlichere Spra- ecr, er formuliert und präzisiert, was hinter zen Worten des Patriarchats verborgen liegt. kur Veranschaulichung folgende Beispiele: ,-,:nzentrationslager - Vernichtungslager h,nttäuschun.gsfest" - für eigenes und frem- Zetert Leid unempfindlich, un- \"tklasLemann) sensibel machen "Aus den Bücherhallen Treten die Schlächter. Die Kinder an sich drückend Stehen die Mütter und durchforschen entgeistert den Himmel nach den Erfindungen der Gelehrten." Hannelore Mabry (Bertolt Brecht) 35

neteamen‘ewslostaitit&iii "Frauen gemeinsam sind stark", heißt das Motto der Frau- enbewegung. Doch war es bislang noch nirgendwo gelungen, Frauen dergestalt wirksam zu organisieren, daß sie ihre zahlenmäßige Stärke in politische Macht für Fraueninteres- sen und gesellschaftsverändernde Reformen hätten umsetzen können. Frauen waren bislang nie gemeinsam stark, weil ihre Differenzen ihre Gemeinsamkeiten bei weitem über- trafen. Inzwischen hat es den Anschein, als solle dies anders wer- den, als würde - allen widrigen Prognosen über die Unor- ganisierbarkeit der heterogenen Masse "Frau" zum Trotz - der Gedanke an eine autonome Feministinenpartei hierzu- lande nicht mehr als ein politisches Hirngespinst abgetan oder als ein Rückfall in verabscheuungswürdige patriarcha- lische Organisations. und Machtstrukturen abgelehnt. Da hat zum Beispiel jüngst die Gründungsinitiative von Ex- SPD-Mitglied Eva.Rath in Schleswig-Holstein von sich re- den gemacht. Im Prinzip ist ihr Unternehmen zu begrüßen. Ihr Grundgedanke, daß nur eine autonome Frauenpartei Fraueninteressen wahrhaft befördern kann, ist gut und richtig. Aber ihre Absicht, die Partei in Kürze gründen zu wollen - ohne sich über die Geschichte der bisherigen Gründungs- versuche und die theoretischen Vorarbeiten auf diesem Gebiet zu informieren, - ohne den derzeitigen Bewußtseinsstand der neuen Frau- enbewegung sowie den der weiblichen Bevölkerung ins- gesamt in Rechnung zu. stellen, - ohne die gerinste Koordinations- und Integrationsbereit- schaft den bereits vorhandenen Bestrebungen in Sachen Feministische Partei gegenüber zu zeigen, - ohne grundsätzliche Analyse des Patriarchats ein «Par- teiprogramm" zu konzipieren kann nur in einem Fiasko enden. Persönliche Gekränktheit und Frustrierung durch das SPD- Patriarchat sind zwar dem Voranschreiten des Erkenntnis- standes förderlich. Doch was Eva Rath noch not tut, ist nicht nur eine gründlichere Aufarbeitung ihrer SPD-Erfah- rungen , sondern vor allem auch die der 1. und 2. Frauen- bewegung. Erst dann wird ihr aufgehen, welche Hürden für eine Frauenpartei da zu nehmen sind, und wie es da mit der Solidarität unter Frauen bestellt war. Zum ersten Mal berichten nun auch Zeitschriften der neuen Frauenbewegung (EMMA, COURAGE, u.a.) informativ und sachlich über das Thema. Sogar die PROTOKOLLE, Infor- mationen für Frauen, Nr. 26, Münster, erwähnen in ihrer Juni Ausgabe Hannelore Mabry's Initiative: Die Gründung des FRAUENFORUM e.V . und ihre zweite Gründung des FFP ( Förderkreis zum Aufbau der Ferniristischen Partei), die beide das Ziel verfolgen eine politische Großorganisa- tion zu gründen. Es wird auch aus Mabry' s wichtiger Ar- beit UNKRAUT INS PARLAMENT (Die Bedeutung weibli- cher, parlamentarischer Arbeit für die Emanzipation der Frau) zitiert, wonach bereits nach dem 1. Weltkrieg Be- mühungen zur Konstituierung einer Frauenpartei bei "ge- schlechtsspeziefisch orientierten" Frauenführerinnen vor- handen waren - diese Bemühungen jedoch mangels eines einigenden weiblichen politischen Selbstbewußtseins geschei- tert sind. Mabry' s theoretische Aussagen und die praktisch- politischen Forderungen des FFP werden in den PROTO- KOLLEN als sehr umstritten bezeichnet. Für die"Bewe- gune stimmt diese Feststellung leider. Für die gesamte weibliche Bevölkerung ist die Frage überhaupt noch nicht auf der Tagesordnung. Resignation ist noch gar nicht am Platze! Immerhin zeigen sich nun schon zumindest in an- deren Ländern erfreuliche Ansätze in unserer Richtung. Noch etwas zögernd, dennoch unserer Meinung nach durch- 36 aus auf dem richtigen Weg, präsentiert sich der vorbe- reitende Ausschuß der FEMINIST PARTY OF CANADA, der im April 79 mit dem nachfolgenden (von uns aus der "Dokumentation feministischer Forschung" - Resources for Feminist Research - , Ausgabe VIII, Nr. 2, Juli 1979, übersetzten) Gründungsbericht: D le A nfänge de r FEMINIST PARTY OF CANADA Februar - April 1 979 Das Gründungstreffen im "Hirschhaus" fand am Sonntag, den 11. Februar 1979 mit dem Ziel statt, eine politische Frauenpartei zu gründen. Bei unserer Zusammenkunft herrschte keine Einigkeit darüber, ob dies der beste Weg sei, den wir einschlagen sollten. Zwar waren wir mit der gegenwärtigen Lage in der Regierung unzufrieden, aber wir konnten uns nicht auf den wirksamsten Ansatz eini- gen: Sollten wir eine politische Partei gründen oder ein "feminist caucus"(wahrscheinlich ist die Aufstellung ei- ner Frauenwahlliste gemeint)?Eine beunruhigende Fra- ge stand im Raum: Wie konnten wir erwarten, daß Frau- en, die nichts miteinander gemein haben als ihr Ge- schlecht, vereint handeln und die Vergangenheit und ihre Bindung an unterschiedliche Ideologien überwinden? Wir bildeten einen vorbereitenden Ausschuß, der sowohl die philosophischen wie die praktischen Alternativen erfor- schen sollte. Seit dieser ersten Zusammenkunft haben wir uns als Ge- samtgruppe jeden Sonntag Nachmittag und außerdem ein- mal in der Woche in bestimmten Unterausschüssen ge- troffen. Bei unserem ersten Treffen am Sonntag,den 4. März, sprachen wir über die Hauptaufgabe, die vor uns lag: Wie verstärkt man die weibliche Beteiligung am politischen Leben. Erneut waren wir uns über den besten Weg uneinig; einige hielten an der Parteiidee fest, ande- re meinten, daß dabei nichts herauskäme. Wir waren an einem toten Punkt angelangt. Bei dem Versuch ein wei- teres Blickfeld zu bekommen, gingen wir die Laufbahn von Frauen durch, die bereits in der Politik tätig und dort Führungspositionen errungen hatten. Dabei entdeck- ten wir, daß die meisten Politikerinnen, ungeachtet ihrer Herkunft oder Parteizugehörigkeit, ihre Beziehungen zu den Frauenorganisationen auf ein Minimum beschränken, sobald sie ein Amt übernehmen. Wahrscheinlich rührt das daher, daß sie befürchten, sonst aus den männerbe- herrschten Machtgremien ausgeschlossen zu werden, was einige Frauen bewogen hat, die Wurzeln, aus denen sie gekommen sind, zu verleugnen. So, als wenn diese Beziehungen ihre politische Karriere schwächeakönnten, Das ist also das Problem: Ganz gleich wieviele Frauen gewählt werden, nach ihrer Wahl wenden sie sich nicht wie uns der Augenschein beweist, den für Frauen rele- vanten Fragen zu, die bislang von allen vernachlässigt wurden. Erst arbeiten Frauen zusammen, um qualifi- zierte Kandidatinnen zu wählen, mit ihrem Sieg aber schütteln diese Frauen ihre politischen Verpflichtungen ab und marschieren alleine weiter. Nun begriffen einige von uns, die bislang gegen die Grün' dung einer Feministischen Partei waren, daß durch ei- nen "feminist causus"(Frauenwahlliste) nichts zu errei- chen ist, da nichts hinter Ihr stünde, daß sie zu stützen imstande wäre. Und an diesem Punkt hatte dann die Un- entschlossenheit des vorbereitenden Ausschusses ein Ende. Wir begriffen die Notwendigkeit einer politischen Frauenpartei. Denn nur dann, wenn die potentielle Kan- didatin einen Rückhalt in der Partei bzw. durch die Par- teistruktur abgesichert sein würde, wäre sie in der La- ge, feministische Überzeugungen auch während ihrer

Amtszeit zu vertreten. Sobald wir erkannt hatten, daß eine Feministische Partei das einzige Mittel ist, um die Bedürf- nisse der Frauen und ihren Wunsch nach Veränderung über- haupt artikulieren zu können, war die Sache entschieden. Wir bitten Euch nun, zu uns zu stoßen, um dies Ziel zu ver- wirklichen. Nachdem wir die Verpflichtung übernommen haben, sind wir mit der ungeheuren Aufgabe konfrontiert, eine Vision in Politik, und Politik in Strategie zu verwan- deln. Die Wochen nach dem Treffen vom 4. März waren mit ähn- lichen Untersuchungen angefüllt. Wir prüften die Modalitä- ten, um als. politische Partei eingetragen zu werden und stu- dierten die Satzungen der etablierten Parteien. Als wir un- sere erste Verlautbarung verfaßten, kamen viele Ideen zur Sprache, die eine weitere und gründlichere Bearbeitung verlangen. Name und Funktion derjenigen Rahmenausschüs- se, die wir für nötig hielten, wurden lose umrissen, jedoch mit Betonung auf ihre Veränderbarkeit. Wir haben unseren Auftrag erfüllt, Euch, der Gesamtgruppe, Bericht zu er- statten. Die zentrale Frage ist also: Wenn es eine politische Frau- enpartei gäbe, würdest Du sie unterstützen? Wir haben nur den Keim gelegt, jetzt müssen wir alle helfen, die Idee zu verwirklichen. Dafür brauchen wir Unterstützung, Hingabe, Phantasie und nicht zuletzt Verpflichtung auf unser Ziel. FEMINIST PARTY OF CANADA, Vorbereitungsausschuß. Weitere Auskünfte über (416) 487-9427 Und nicht mir in Canada gärt es. In ihrer September-Aus- gabe packte auch COURAGE das Thema Frauenpartei zum ersten Male an. Es findet sich dort ein ausgezeichneter Be- richt über die am 31. Mai in Spanien (Barcelona) gegründete PARTIDO FEMINCSTA. - Es wird drei Seiten lang aus dem 220 Seiten starken Partei- Programm der spanischen Feministischen Partei zitiert. Dort heißt es unter anderem: "Warum eine Parteigründung? 'Weil die Partei die organissierte Kraft einer sozialen Klasse ist. Weil Frauen eine ausgebeutete Klasse sind und tun gegen diese Ausbeutung zu kämpfen, brauchen wir unse- re Klassenorganisation, die wir selbst führen.' 'Weil das Klassenbewußtsein der Frauen noch immer sehr gering ist, sich ausschließlich auf die Selbstverantwortung der Frauen zu verlassen, um den Kampf ohne Organisation, Leitung und Hierarchie zu führen. Es wäre falsch, uns des- halb zu kritisieren, da doch keine einzige revolutionäre Bewegung Erfolg gehabt hat ohne die Vermittlung einer Par- tei.' • ..stumm, vereinzelt, ohne Strategie und Taktik, die Wirklich revolutionär ist, glauben wir nicht, daß wir voran- kommen auf dem endgültigen Weg, der uns alle interessiert und der uns trotz allem vereint: die Befreiung der Frau.' Die Betrachtung des Feminismus als politische Wahl für die Frau bedeutet, der Gesellschaft eine globale Alternative zu geben, von der Agrarreform bis zur Staatsform, aber immer vom Gesichtspunkt der Interessen der Frau aus. Der Feminismus ist nicht eine psychotherapeutische Gruppe, nicht ein Freundinnenclub, nicht eine kulturelle Vereinigung, auch ist er nicht mit einer Gruppe von Lesbierinnen zu iden- tifizieren, auch wenn all dies in ihn einbezogen sein kann, As des Kampfes einer unterdrückten und ausgebeu- 4_41s zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA ten 'ien Klasse die viele verschiedene Ausdrücke von Rebel- lion hat. Der Feminismus als politische Wahl verändert den Kampf der Frau in einen politischen Kampf und wird so Teil der Geschichte des Klassenkampfes und der Geschichte der Re- volutionen.'" Das vollständige Programm ist unter dem Titel "Partici() Penlinista, Tests" für 350 Pesetas + Porto zu bezishej : 4evtar la NOTE DE PEDIDO a: Roger de Flor 96,2 , 2 , Barcelona (13) oder über Llibreria de les Dones, siehe S.42 ! Voll Freude stellten wir fest, daß sich die theoretischen Aussagen und praktischen politischen Forderungen der spanischen Feministinnen weitgehend mit den Forderun- gen des FFP decken. Vermutlich sind auch sie noch eine kleine Gruppe, die sich aber durch analytische Prägnanz und Denkschärfe auszeichnet. Hoffen wir, daß all diese Kräfte eines Tages in einer INTERNATIONALEN FEMI- NISTISCHEN PARTEI zusammengefaßt werden können, denn nur gemeinsam werden wir stark! In der Bundesrepublik halten wir allerdings den Zeitpunkt zur Gründung der FEMINISTISCHEN PARTEI noch nicht für gekommen. Alle Versuche in den letzten Jahren gin- gen hier von Einzelkämpferinnen aus. Sie wurden noch dilletantischer in Angriff genommen als die Gründungen von Feministischen Parteien in Norwegen, Frankreich und Belgien, denen bis heute auch kein Erfolg beschie- den war. Politischer Feminismus, der sich als Partei konstituieren wird und muß, kann nur als Langzeitpro- gramm gesehen und realisiert werden. Denn solange die Benachteiligung der Frau und ihre daraus erwachsenden gemeinsamen Interessen an der Veränderung der beste- henden Verhältnisse nicht auf ihre politischen Einstellun- gen und Verhaltensmuster abfärben, solange das politi- sche Verhalten von Frauen nicht durch ihre geschlechts- spezifische Position bestimmt wird, sie stattdessen pri- mär auf Familie und Sicherheit, Ruhe und Ordnung be- dacht bleiben, solange sind die Erfolgsaussichten für ei- ne Feministische Partei noch mehr als bescheiden. Dennoch, es mehren sich die Anzeichen, daß sich eine Bewußtseinsveränderung unmerklich anbahnt, daß auch die neue Frauenbewegung ihre Desorganisation und Theo- rielosigkeit nicht mehr wie ein Banner vor sich herträgt, sondern daran geht, konkrete politische Strategien vor- sichtig und von fern ins Auge zu fassen. Gründliche Vorarbeiten sind nötig, damit Frauen aller ideologischen Richtungen ihren bisherigen politischen Standort infrage stellen lernen , sich auseinandersetzen mit den Zielvorstellungen der Feministinnen, damit alle Frauen als eine ausgebeutete Klasse sich begreifen ler- nen. Gegenüber der Klasse Mann befinden sich alle auf- grund ihrer biologischen Funktionen in einer viel abhän- gigeren Ausgangslage. Mögen einige sich durch individu- elle besondere Fähigkeiten und Begünstigungen in inter- essantere Berufe und wirtschaftlich gute Verhältnisse emporgearbeitet oder "verehelicht" haben, wenn sie sich für die Lage ihres Geschlechts insgesamt zu interessie- ren beginnen, müßten sie zur Solidarität finden können. Sie leben zum Teil auf Kosten ihrer härter betroffenen Geschlechtsgenossinnen hier und ganz besonders in der sog. Dritten Welt. Nur Isolation und/oder Ignoranz kann da die Augen verschließen. Um denen zu helfen, die noch allein und völlig überfordert sind, brauchen wir eine übergreifende Verbindung und politische Organisation. Und es ist wahrlich an der Zeit, daß die Parteifrage eine andere Beachtung und Behandlung erfährt als in den letz- ten 10 Jahren. Anläßlich der diesjährigen Frauen- Sommer - Uni wird Hannelore Mabry am Mittwoch, den 3. und Freitag, den 5. Okt.1975 (das einemal um 11 Uhr, das andere mal um 15 Uhr über das ThemaPDie neue Frauenbewegung und die Partei- und Gewerkschaftsfrage" referieren. Sie wird außerdem der Podiumsdiskussion am Donnerstag um 19 Uhr zum Thema "Feministische Partei" unsere Posi- tion vertreten und erläutern. Soweit wir erfahren haben, wird außerdem Alice Schwarzer und Heidi Pataki (NEUES FORUM, Wien) u.a. an der Podiumsdiskussion mitwirken. Zum selben Thema sprach Hannelore Mabry auch am 1. August im "Podium" in Wuppertal und im Morgen-Maga- zin des WDR (Köln). Wir hoffen, daß viele, viele Frauen nach Berlin kommen werden und die Parteifrage zum zentralen Anliegen der "Klasse" Frau wird . Unterstützt unsere Arbeit - werdet Mitglied im FFP! Christie Warnke 37

Elisabeth Gerter: SCHWESTER LISA, Unionsverlag, Zürich 1979, 256 S., DM 14,80 Elisabeth Gerters Erstlingswerk "Schwester Lisa" war bei seinem Erscheinen 1 934 in Zürich eines der meist disku- tierten Bücher des Schweizer Gutenbergverlags. Lange Zeit in Vergessenheit geraten, wurde es nun vom Schweizer Unionsverlag wiederentdeckt und mit einem ausführlichen Nachwort von Gustav Huonker (Literaturkritiker und Heraus- geber der späten Tagebücher und Briefe Tucholskys) ver- sehen. Der Roman ist in jeder Hinsicht bemerkenswert. Davon abgesehen, daß "Schwester Lisa" als ein Pionierwerk des Frauenromans anzusehen ist, stellt Gerter mit ihrer offenen direkten Art der Darstellung von Konflikten einer Frau mit ihrer Umwelt, manchen Frauenroman der neueren Zeit weit in den Schatten. Obgleich ihr Stil an einigen Stel- len den Forderungen der literarischen Sprache nicht gerecht wird, läßt sich das Buch durchgehend flüssig lesen und ist vor allem nie langweilig. Ihre eigene Aussage: "Ich habe mich nicht einfach an den Tisch gesetzt und zu schreiben be- gonnen, sondern zuerst hat das Leben mich in die Lehre ge- nommen", untermauert den Kontext in den Gerter das Frau- enproblem einbettet. Denn für die Autorin sind die Konflikte der Frauen keine losgelösten eigenständigen Probleme, son- dern sind vielmehr voll integriert in die sozioökonomischen und politischen Bedingungen ihrer Zeit. Das soll nicht heis- sen, daß das Buch für uns nicht mehr relevant ist, ganz im Gegenteil! Elisabeth Gerter stellt die Rolle der Frau in der Gesellschaft in ihrer ganzen Komplexität dar. So spricht sie nicht nur von den besonderen Problemen des Krankenpflege- berufs, der damals ungemein kräfteverzehrend und depri- mierend gewesen sein muß und dessen grundlegende Züge man auch heute noch im Schwesternberuf vorfinden kann, sondern sie gewährt auch tiefen Einblick in das Elend und die Unterdrückung der Arbeiterklasse. Auch für heutige Verhältnisse unerhört mutig greift die Autorin Tabu um Ta- bu an. Da werden die "Götter in Weif3" ebenso entlarvt wie die großen Künstler. Da werden auch ganz intime Konflikte wie Sexualität und ihre Folgen und nicht zuletzt - immer wieder im Vordergrund - die Ausbeutung der Frau in die Kritik einbezogen. Der Lebensweg der Autorin war, obwohl niemals geradlinig, so doch in jeder Hinsicht konsequent. Nach langen Jahren als treu ergebene Ehegattin trat sie in die Kommunistische Partei in Basel ein, nahm später eine Tätigkeit als Journa- listin beim "Berner Tagblatt" auf, und engagierte sich als Vorstandsmitglied im Basler Frauenstimmrechtsverein. Die mannigfaltigen Erfahrungen und ihre sensible, undogma- tische Betrachtungsweise bilden ein reales Fundament für ihren Roman und einen erfreulichen und gleichzeitig ver- blüffenden Gegensatz zu dem politischen Bewußtseinsstand heutiger DKP- und K - Gruppen- Frauen! Schon Ende der Zwanziger Jahre war Elisabeth Gerter Feministin. Ingrid Schölch Herderbücherei: ...BESONDERS FÜR LESERINNEN, Taschenbuchreihe, Verlag Herder, Freiburg 1978/79, 128 bzw.144 S., DM 5,90 je Ex. Seit Herbst 1 978 erscheint diese Serie zum Thema Frauen- emanzipation. Laut Börsenblatt v. 17.5.78 war es das er- klärte Ziel der Herausgeber, "die Frauenfrage aus dem Ghetto der Feministinnen zu lösen", was sich in der Formu- lierung von Christa Meves, Hausautorin des Herder Verlags und einer von 16 Briefschreiberinnen des ersten program- matischen Bändchens dieser Reihe "Mut zur Öffentlichkeit' folgendermaßen anhört: "Zum Wesen der Frau gehört mehr die Welt des Gefühls, der Innerlichkeit, der Schönheit, des 38 will, den Hegens, Pflegens und Bergens. Das Denken ist nun eben nicht die Hauptfunktion ihres Wesens." Dies Frauenbild wird nun zwar von den übrigen Autorin- nen nicht mehr durchgängig gepriesen, aber nicht einmal das kämpferische Niveau der ersten Frauenbewegung wird auch nur von einer unter ihnen erreicht. Wir hätten uns schon gefreut, wenn wenigstens einige der sechzehn prominenten Briefeschreiberinnen aus "Mut zur Öffent- lichkeit", die sich ja meist nur unter Aufbietung all ihrer physischen und psychischen Kräfte gegen den Konkurrenz- druck der Männerwelt nach oben durchgekämpft haben, eine Analyse und handfeste Kritik des patriarchalischen Systems angeboten hätten. Stattdessen finden sich Rat- schläge solcher Art: "Grundsätzlich sind mir diese Wor- te (Emanzipation und Fortschritt) im Zusammenhang mit Frauenfragen unsympathisch, weil sie zu leicht an die Suffragettenzeiten erinnern. Und damit sind wir gleich beim Thema: Wenn eine Frau es schaffen zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA Schritt aus der privaten Sphäre in die Öffentlichkeit zu wagen, dann kann es tödlich sein, als ' Frauenrechtlerin' aufzutreten. Das gilt nicht nur für ihr Verhalten, das gilt auch für ihr Auftreten und Aussehen."(Hildegard Hoff- mann - Vogels, Unternehmerin, Prof.an der FH Nieder- rhein), S.73 f. Oder aber noch ein Zitat aus dem Brief von Frau Meves:"Schlimm scheint es mir auch zu sein, wenn wir meinen, Wirksamkeit bedürfe immer möglichst weitgespannter Machtpositionen...Es ist ja nicht wahr, daß unsre freie demokratische Welt nur aus Machthabern und Ausgebeuteten besteht." (S.104) Verglichen mit diesen Briefeschreiberinnen muten die vorsichtigen Formulierungen der MP-Politikerin Frau Funke fast radikal feministisch an:"Stcherlich haben Wirtschaft und Technik ihre eigenen Folgerichtigkeiten; aber sie dürfen sich nicht selbständig machen und das Leben der Menschen in ihre Gesetzlichkeit zwingen. Ge" rade manche Entwicklung in Naturwissenschaft, Technik und Medizin machen uns deutlich, daß es Grenzen des Machbaren geben muß, daß die Erkenntnisse nicht ohne Prüfung auf ihre ethische Norm angewandt werden dürfen. Aber haben wir solche Maßstäbe für unsere Zeit und ihre Bedingungen entwickelt? Ich meine, diese ernste Frage richtet sich in besonderem Maße an die Frauen. Noch immer haben Frauen ihr Handeln mehr auf das menschli" che Leben als auf Dinge, Gesetze, Utopien ausgerichtet. Könnte es nicht sein, daß das Fehlen dieses unmittelba- ren Lebensbezuges entscheidend zu Krieg, Naturzerstö- rung, Rationalität und Anonymität beigetragen hat?" (S.63) Oder auch bei Maria Weber (DGB und CDU), die für eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit plädiert und dazu meint: "Wir können die ungleiche Rollenvertei- lung von Vätern und Müttern beklagen, neues Verhalten erreichen wir nur, wenn wir die Bedingungen unserer Gesellschaft verändern." (S.135) Alle diese Gedanken entwendete man aus dem "Ghetto det Feministinnen", denn bereits 1 972 forderten wir die Ar- beitszeitverkürzung auf 4-5 Stunden für alle etc. Schlimm, daß auch Marlies Kutsch (DGB uns SPD) uns in dem Bändchen "Die Frau im Erwerbsleben" nichts ande- res anzubieten hat als die Aufforderung, Frauen sollten sich verstärkt den Gewerkschaften anschließen, da diese die Interessen der erwerbstätigen Frau vertreten, denn: "Diese Aufgabe wird in der Regel gut wahrgenommen." (S.140) So bleibt auch Beatrix Kempf' s Versuch, die Lebensge- schichte Bertha von Suttners "Eine Frau käm ft für den Frieden", Friedensnobelpreisträgerin und Gründerin der deutschen und österreichischen Friedensgesellschaft,

einem breiten Publikum bekannt zu machen, ohne jeglichen Bezug zur Gegenwart. Zwar erwähnt Kempf Völkerbund und Vereinte Nationen als "Frucht des Pazifismus", doch bleibt sie uns jegliche Stellungnahme schuldig, warum die pazifi- stische Bewegung bisher politisch ohnmächtig blieb und zwei Weltkriege nicht verhindern konnte. Von der feministischen Analyse des Patriarchats als des Systems der individuellen und strukturellen Gewalt und damit letztlich des Verursa- chers von Kriegen, hat Kempf noch nichts gehört. Sie be- gnügt sich mit unkritischer Denkmalspflege und nimmt die Zeit seit B.von Suttners Tod - 1914 - nicht zur Kenntnis. Sie fordert sogar den Leser auf "vertrauensvoll in die Zu- kunft zu sehen!' , eine Zukunft, die laut Langzeitprogramm der NATO bis 1995 eine ständige Steigerung der Rüstungs- ausgaben vorsieht. Inzwischen hat auch der Pahl-Rugen,stein-Verlag die Origi- naltexte v.Suttners wieder herausgebracht ("Die Waffen nie- der I", Ausgewählte Texte). Das Studium der Originalschrif- ten sowie die Aufarbeitung des politischen Gehalts und der Lebensgeschichte v.Suttners durch die neue Frauenbewegung ist nach allem mehr als überfällig. Nicht viel besser erging es uns bei der Lektüre von Ingeborg Rocholl- Gärtners: "Mutterschaft - eine Zumutung?" Hier berichtet eine gescheite Frau mit großer Lebenserfahrung aus ihrer Praxis als beratende Psychologin, reflektiert über die Schwierigkeiten der Mutterschaft heute, analysiert nüch- tern die Gründe für Annahme oder Verweigerung der Mutter- schaft, doch sobald es darum geht, die von ihr angeschnitte- nen Problemkreise konsequent bis zum Ende durchzudenken, hängt der Autorin ihre katholisch-patriarchalische Erziehung wie ein bleierner Klotz am Bein und hindert sie, aus ihren Praktischen Einsichten die notwendigen Folgerungen für po- litisches Handeln zu ziehen. So heißt es bei ihr: "Die Frau, die Mutter wird, spürt, daß sie, ob sie will oder nicht, dem weiblich-menschlichen Pol zugeordnet ist. Dagegen lehnen Sich viele Frauen innerlich auf. Wollen sie Männer sein? Wenn man bedenkt, wie einseitig unser Bildungs- und Be- rufsleben auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der männli- chen Konstitution ausgerichtet ist, wird das verständlich... Sie füllen sich mit Recht dem Mann gegenüber vielfach be- nachteiligt. Am meisten aber sind sie es, wenn sie Mutter werden." Und weiter: "Der Aufstand' einer neuen Frauenbe- wegung ist daher nicht unbegründet und vielfach verständlich, wenn man die ungleich konfliktreicheren Bedingungen unter- eicht, unter denen Frauen heute zu leben haben." Was aber hat die Autorin als Ausweg aus diesem Dilemma für Frauen anzubieten? Es soll, ihrer Meinung nach, wieder So werden, wie es einst war, als nämlich die Gesellschaft (sprich: Patriarchat) der Mutter zu Hilfe kam, indem es ihr Soziale Anerkennung erwies durch Idealisierung der Mutter- liebe, denn "in ihrem Status als Mutter ist die Frau auch im Abendland viele Jahrhunderte lang nicht alleingelassen wor- „den” • • ."Das Ethos selbstloser Mutterliebe", so fährt sie 2rt, "war von dem polar gegenübergesetzten Ethos des 'flichtenkatalogs für den Mann als Familienvater ergänzt." An diesem Ethos aber mangelt es nach Meinung der Autorin hzyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA eute eu 80 bedenklich und auch das neue Scheidungsrecht habe das Seine dazu getan, den Mann aus seiner Verantwortung und Vater zu entlassen. So heißt es denn zum Gatte ala Schluß: "Ohne neue Leitbilder des Mannes als Vater, der Seinen echten Anteil an Verantwortung für die Familie trägt td dies aus einer männlichen Rolle (wie sieht diese aus?) vollzieht, ist Mutterschaft nur unter Konflikten und Ängsten Zalisierbar ." (S .140) uch bei Rocholl- Gärtner steht noch immer die biologische Eltern Schaft imVordergrund und dies, obwohl sie sicher `44r allzugut um deren Schwäche und Unzuverlässigkeit weiß. Kein Al- über soziale Elternschaft als einer möglichen Al- tu ne sozialen Lernvorgangs und tu rnative: Elternschaft als ei fl e .,ocilitttisaelhsebiologische Begebenheit. Soziale Elter n schaft aus r und humaner Einsicht ist ein Programmps der 8:Eiltstischen Gesellschaftsordnung. Aber in dad'ideologi- e Ghetto der Feministen" hat sich leider auch Rocholl- Gärtner nicht "verirrt" ! Nur bei Gisela Oestreich klingt dieser Gedanke sympa- tisch an in ihrem Buch: "Ab morgen ist alles ganz anders! Kinder schreiben über den Rollentausch in der Familie": "Aber das biologische Geschlecht ist als Modell für so- ziales Verhalten unbrauchbar." (S.117) Und ferner: "Die Mutter , die wärmt, der Vater, der uns beschützt, 'das wollen uns die Emanzen nehmen' - wollen sie das wirk- lich? Wollen sie nicht viel eher Schutz und Wärme dop- pelt sichern, indem beide, Vater und Mutter, gleicher- weise dazu befähigt werden?" (S.115) Sympathisch auch ihr Eintreten für die Verfechter dieser Gedanken: "Daß Menschen, die den Mut haben, solche Probleme zu beschreiben und in Aktionen umzusetzen, nicht geliebt werden, wird täglich nicht nur in öffentli- chen Diskussionen deutlich. Daß sie jedoch auch nicht da- zu 'verferen' , sie als Modelle unseres Umlernens zu wählen, ist gefährlich. Sie werden isoliert, wecken Wi- derspruch, vielleicht Nachdenklichkeit; oftmals aber auch Auflehnung ohne Fähigkeit zur Realitätsprüfung. Selten ermutigen sie, die Einseitigkeit unseres Alltags in Ver- haltensformen umzusetzen, die unsere festgefahrenen Klischees auflösen könnten, unter deren Einfluß wir im- mer noch biologisches Geschlecht als soziales Schicksal mißverstehen." (S.116) Etwas aus der Reihe fällt Lotte Paepke mit ihrem "Ich wurde vergessen - Bericht einer Jüdin, die das 3.Reich tlerlebte". Mit einem Arier verheiratet und also in ei- ner Mischehe lebend, schildert Paepke ihre leidvollen Erfahrungen während der Hitlerzeit. Obwohl sie der Ver- nichtung entkam, überwindet sie auch später die furcht- baren Erlebnisse der Verfolgung und Entwürdigungnicht. Sie findet nach 1945 den Weg nicht mehr zurück in die Gemeinschaft derer, die Werkzeug oder Zuschauer ihrer Demütigung waren. Es finden sich bei Paepke Ansätze zu einer kritischen Durchleuchtung des Geschehens, nicht aus kühler theore- tischer Analyse heraus, sondern als Folge ihrer Sensibi- lisierung durch ihr Schicksal. Schade, daß sie das Juden- problem nicht bis hin zum Patriarchat (der Faschismus ist ja die schärfste Ausprägung davon!) durchdacht hat. Von all den wirklichen Problemen - ökonomischen, histo- rischen, psychologischen - spürt sie vieles, bleibt aber noch vor dem Eigentlichen stehen. Leider wird der vom Inhalt her ergreifende Bericht oftmals schwer lesbar durch den schwülstig-poetisierenden Stil, der häufig nah den Kitsch streift. Alles in allem: Wirklich praktikable feministische Alter- nativen zur patriarchalischen Sozialstruktur werden in den bislang erschienenen Bändchen der Reihe noch von keiner Autorin entwickelt. Das lag ja auch nicht im In- teresse der Herausgeber! Allerdings irrt sich der Infor- mationsdienst des Verlags : Wir haben "keine Flucht in das feministische Abseits" praktiziert. Das Gegenteil ist der Fall. Das Patriarchat schätzt den Feminismus nicht und politischen Feminismus schon gar nicht. Deshalb kommen in diesem System auch nur die Stimmen zu Wort, die an eine Feministische Partei oder Gewerkschaft gar nicht zu denken wagen. Falls der Herder-Verlag uns aus- nahmsweise nicht ins Abseits drängen will, dann hätten wir ein interessantes Angebot an ihn: Die Aufsätze und Reden Hannelore Mabry's unter dem Titel VOM MARXIS- MUS ZUM FEMINISMUS herauszubringen. Diese Samm- lung bietet eine hervorragende Einführung in die Theorie und Praxis der neuen Frauenbewegung und wäre mehr auf der "Höhe der Zeit" als die Hofberichterstattung, die uns hier zur "Frauenemanzipation" vorgelegt wurde .Denn wie tief die patriarchalische Sozialisation auch oder gera- de den Erfolreichen und Gebildeten unter den Frauen in den Knochen steckt, in wie hohem Maße sie verinnerlicht wurde und wie schier unüberwindlich die Angst ist, sich aus überkommenen Denkschemata zu lösen, oder wenn doch, die Konsequenzen zu ziehen und auf die individuelle 39

Karriere der Frauensache zuliebe zu verzichten, das wird in dieser Frauenbuchreihe wieder einmal - wenn auch un- beabsichtigt - demonstriert. Ingrid Braun und Christie Warnke Angelika C. Wagner : MANN - FRAU, Rollenklischees im. Heidi Frasch Unterricht, Verlag Urban & Schwar- Elke Lambarti zenberg, München,Wien, Baltimore, 1978, 232 S., DM 18, -- Bekanntlich sind Schulbücher und Unterrichtsmaterialien, besonders bayerischer Provenienz, Tummelplätze für zäh- lebige geschlechtsspezifische Rollenklischees. Die drei Au- torinnen - eine Psychologieprofessorin, eine Klinische Psy- chologin und eine Studienrätin - untersuchen in ihrem Buch eine Vielzahl verschiedenster Unterrichtsmaterialien, nicht nur Schulbücher, sondern auch andere, im Deutschunter- richt und anderen Fächern gelegentlich herangezogene Gat- tungen wie Kriminalromane, Witze, Werbetexte sowie Bei- spiele aus Filmen und Fernsehsendungen, auf geschlechts- spezifische Tendenzen. Die Untersuchungen sind sachlich und gründlich, die Erge1D- nisse erschütternd, zuweilen erschütternd komisch. Über- haupt zeichnet sich das Buch durch Humor aus (vgl.S.14 f.), wodurch die Botschaft, "geschlechtsspezifische Rollenkli- schees bewußt zu machen, um sie zu verändern"(S.9), be- sonders wirkungsvoll ankommt. Dies allein macht jedoch nicht den Wert dieses sehr empfehlenswerten Buches aus, sondern die Fülle von Vorschlägen dazu, wie Unterrichts- einheiten in den verschiedenen Fächern aussehen können, durch die man Rollenklischees abbauen kann. Alle diejenigen, die in einem pädagogischen Beruf stehen, seien es Lehrer aller Schularten, Studenten und Dozenten oder in der Erwachsenenbildung Tätige, werden aus dieser Arbeit Nutzen ziehen. Da sie klar und verständlich geschrie- ben ist und daher gut lesbar, eignet sie sich auch für Nicht- Studierte. Jede Mutter eines schulpflichtigen Kindes wird von der Lektüre profitieren! Christie Warnke s Notzen • Intonation« Das FRAUENZENTRUM NÜRNBERG veranstaltet vom 16. - 18. November 1979 die "Nürnberger Frauentage" im Kommunikationszen- trum. Folgende Themen für Diskussionsgruppen werden vorgeschlagen und vorbereitet: Frauenprojekte Frauen und Faschismus Frauenbewegungslosigkeit (Verrottung der Frauen in sozialen Berufen Frauen und Wissenschaft Frauenbewegung) Anmeldetermin für Schlafplätze etc. bis 15. Okt.79 beim Frauenbuchladen Kleinreuther Weg 28 8500 Nürnberg, Tel.o911/352403 Das FRAUENZENTRUM INNSBRUCK veranstaltet vom 22. - 25. November 1979 die "Innsbrucker Frauentage" . Ort: "KOMM", Josef- Hirn-Str. 7 (unter der neuen Mensa, Seeufer zwischen Markthalle und Universitätsbrücke) Abends sind ein Theaterabend der Wiener Frauentheater- gruppe, ein Frauenfest und am letzten Tag ein Film ge- plant. Kontaktadresse: Evi Mader, A 6020 Innsbruck, Hofgasse 1 Es wird u.a. einen Arbeitskreis "Frau und Politik' ge- ben, wo wir vom FFP über unsere Arbeit und unsere Ziele berichten werden. Es wird derzeit eine kleine Bro- schüre mit dem genauen Programm erstellt. Für die Ar- beitsgruppen steht jeweils ein halber Tag zur Verfügung. Unsere Zeitschrift DER FEMINIST erhalten Sie in München in folgenden Geschäften, Kiosken: Zentrum: Buchhandlg. Grau, Augustenstr.3 Buchmarkt im Zentrum, Fürstenfelder Str.7 Buchhandlg. Hugendubel , Salvatorplatz 2 Gaststätte Fraunhofer, Fraunhoferstr.9 Joh. Palm' s Hofbuchhandlg., Sendlinger Str. 37 Kiosk am Hauptbahnhof , Sußmann Kiosk Dietlinger, U- Bahn-Bahnhof Sendlinger Tor Kiosk Hubert, U- Bahn- Bahnhof Goetheplatz-Süd Kiosk Cermak, Sendlinger Str. 46 Trinkhalle Piller, Baldestr .1 Theatiner Filmkunst, Theatinerstr. 32 Zeitschriften Berger, Thierschstr. 5 Zeitschriften Hahn, Reichenbachstr.16 Zeitschriften Hoffmann, Kazmalrstr. 17 Zeitschriften Knobloch, Sternstr. 18 Zeitschriften Lang, Müllerstr.53 Zeitschriften Plabst, Rothmundstr .6 Zeitschriften Molaschi, Emil-Riedl-Str.7 Haidhausen:_ Zeitschriften Dimpflmaier, Kellerstr. 15 Zeitschriften Franzmaier, Einsteinstr. 133 Zeitschriften Hartmann, Simon- Knoll-Platz 2 Zeitschriften Klein, Wörthstr.9 Ansbacher Schlößl, Kellerstr.21 Nirmphenbu rz / Neuhausen: Buchhandlg. Hugendubel, Nymphenburgerstr .188 Kiosk Berie, Dantestr.2 Buchhandlg. Düring, Tizlanstr.28 Tantra Vertriebsgesellschaft, Frundsbergstr.34 Zeitschriften Grad, Lothstr.15 40 , Ttirkenatr. 91 Schwabing: Akademische Buchhandlg., Veterinärstr. 1 Autorenbuchhandlg., Wilhelmstr .1 Basis, Adalbertstr. 41 Arrt- KinozyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA Buchhandlg. Bernsdorf, Amal[enstr. 67 Buchhandlg. Lehmkuhl, Leopoldstr. 45 Galerie Hollerbach, Görresstr. 23 Internationale, Adalbertstr. 14 Melody Maker, Adalbertstr. 25 Kiosk im Citta 2000, Leopoldstr. 28 Off-Off- Theater, Potsdamer Str. Zeitschriften Kertecz, Occamstr.13 Zeitschriften Konzog, Adalbertstr. 6 Zeitschriften Reiche, Winzerersrt. 43 Zeitschriften Schwinghamer, Ungererstr. 104 Zeitschriften Sauermann, Hiltenspergerstr.15 Zeitschriften Willing Schreibwaren Stempel Herbst, Hohenzollernstr. 21 Kioske U- Bahn-Bahnhof Münchner Freiheit Sendli3g1 Großhadern/ Thalkirchen: Der Laden Fraunbergstr.24 Kiosk Adler, Thalkirchner Platz 12 Kiosk Gautsch, U- Bahn - Bahnhof Harras Ost Buchhandlg. Dr. Bergt, Gräfelfingerstr. 59 Kiosk Leicht', Würmtalstr. 94 Kiosk Diehl im Großklinikum (Großhadern) Zeitschriften Zehentbauer, Boschetsriederstr. 130 Solln /Stockdorf: Buchhandlg. Boll, Schmid & Co., Wolfratshauserstr .20 Buchhandlg. Schwabiyaldstr. . 3 Zeitschr. Groll, Ba te rpl

In der BRD erhalten Sie unsere Zeitschrift in folgenden Geschäften: ASCHAFFENBURG Buchhandlg. Diekmann, Herstallstr . KARLSRUHE Uni-Buchhandlg. Kellner+Moessner, Buchhandig. Pattloch, Herstallstr. Kaiserstr. 18 AUGSBURG Brigittes Bücherladen , Heiligkreuzstr. 18 Zeitschriften Förther-Barth, Kaiserstr. 105 Bücher Seitz, Karlstr. 2 Probuch, Göggingerstr. 38 Schlossersche Buchhandlung, Annastr. 2o BENSHEIM Buchhandlg. Böhler, Am Marktplatz 6 BERLIN Buchhandig. Kiepert, Hardenbergstr. 4 Buchladenkollektiv, Savignyplatz 5 Bücherstube Marga Schoeller, Knesebeckstr. 33 Das Politische Buch, Lietzenburger Str. 99 Frauenbuchladen Labrys, Yorkstr. 22 Frauenbuchladen Miranda, Fennstr. 34 Jürgens Buchladen, Königin-Luise-Str. 40 Lilith-Frauenbuchladen, Knesebeckstr. 86/87 literatur-kunst camilla speth, Kurfürstendamm Wohlthatsche Buchhandig., Rheinstr. 11 BIELEFELD Buchhandlg. in der Uni, Luce, Hauptgebäude Buchhandig. Scharf, Stapenhorststr. 13 Buchladen Eulenspiegel, Niederwall 46 frauenbuchladen, friedrichstr. 31 BOCHUM Buchhandig. Brockmeyer, Filiale Uni-Laden Buchhandlg. Janssen, Brüderstr. 3 Buchhandlg. Schaten, Uni-Buchladen 1 BONN Buchladen 46, Kaiserstr. 46 Das Tabakstübchen, im Stadthaus Der kleine Laden, Sternstr. 95 Universitätsbuchhandlg. Bouvier & Co. , Am Hof 32 Zeitschriften Müller,Bahnhofsvorplatz DARMSTADT Bessunger Buchladen , Bessunger Str. 96 Buchhandig. Schlapp, Schulstr. 5 Darmstädter Bücherstube, Friedensplatz 4 Georg Büchner Buchhandlg., Lautenschlägerstr.18 Gutenberg-Buchhandlg., Luisenplatz 4 DORTMUND Buchhandlg. Krüger, Westenhellweg 9 Dortmunder Uni-Buchhandlg. , Vogelpothsweg DÜSSELDORF BiBaBuze Konkordiastr. 81 Buchhandljgc Stern-Verlag, Friedrichstr. 24 Schrobsdorff' sche Buchhandlg., Königsallee 22 DUISBURG Braunsche Uni-Buchhandlg. Lotharstr. 8o Buchhandig. Hermann, Mercatorstr. 10-12 buchladen, oststrasse 194 ERLANGEN Uni-Buchhandlg. Mencke-Blaesing, Universi- tätsstr. 16 Uni-Buchhandig. Merkei, Untere Karlstr. 9-11 Saftladen, Altstädter KIrchplatz 1 ESSEN Buchhandig. G.D.Baedeker, Gladbecker Str. 7 polst. Buchladen Bundschuh, Tiegelstr. . 39 Internationale Presse, Büchermarkt, Rathenaustr.2 ETTLINGEN Zeitschr.E .v. d .Heuvel,Badener Tor Str. FRANKFURT Bockenheimer Bücherwarte,B. -Landstr .142a Buchhandig. Ladengalerie, BfG-Hochhaus a.Theater- Fachbuchhandlg. Klotz, Kiesstr. 26 platz FREIBURG Buchhandlg. W. Mersch, Talstr. 9 a Walthari, Buchhandig. i.d.Uni, Bertoldstr. 26 GIESSEN Ferbersche Uni-Buchhandlg., Seltersweg 83 Kleine Freiheit, Bismarckstr. 9 J. Ricker' sehe Uni-Buchhandlg., Ludwigsplatz 12 Uni-Buchhandlg, Holderer, Neuenweg 4 GÖTTINGEN Buchladen Rote Straße, Rote Strasse 10 Laura, Frauen-u. Kinderbuchladen, Burgstr. 3 HAGEN Buchhandlg. Götz, Kampstr. 3 Buchhandig. Zuelch, Heidenstrasse 12 HANNOVER Internationalismus, Königswörtherstr. 19 HEIDE LBERG Buchhandlg. Jörg Burkhard, Ma rstallstr .11a HEPPENHEIM Bücherstube May, Wilhelmstr. 43 INGOLSTADT Bahnhofsbuchhandlg. Menig Buchhandlg. Schönhuber, Theresienstr. 6 KAISERS LAUTERN Buchladen"Blaue Blume", Hackstr. 10 KARLSRUHE Buch Kaiser, Kaiserstr. 199 Bücherladen Tscheliesnig, Kaiserstr. 65 KÖLN Bahnhofsbuchhandlung Ludwig, Bahnhof Der andere Buchladen, Zülpicherstr. 194 Frauenbuchladen, Moltkestr. 66 Internationale Presse am Funkhaus,AmHof 52 Neuer Kurs, Zülpicherstr. 39 Uni-Buchhandlg. Dr. Witsch Nachf. ,Universitätss 1tr8. Uni-Center Buchhandig. Matheis,Luxemb.Str. Zweitausendeins, Ehrenstrasse 45 KONSTANZ Buchladen Zur schwarzen Geiss, Inselgasse 2o LAHNSTEIN Unser Laden, Bahnhofstr. 1 LANDSHUT Buchhandig. Paul Dietl, Grasgasse 32o Uni-Buchhandlg. Ph. Krüll, Theaterstr. 62 LEVERKUSEN Buchhandig. Dr. F. Middelhauve, Wies- dorfer Platz 56 LÜDENSCHEID Bücher u. Kunst Dalichow, Schemperstr.12 MAINZ Buchhandlg. Ch. Jung, Gärtnergasse 7 Buchladen am Kirchgarten, Kirschgarten 28 MANNHEIM Buchhandlg. Behage', Ml, 10 Buchhandig. Laemmel, P 6, 12 Buchhandlg. Leydorf, L 3, 1 Frauenbuchladen Xanthippe, T 3, 4 MARBURG Altstadtbuchhandlg. Flemming, Barfüßerstr.12 Roter SternzyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA , Am Grün 28 MINDE LHEIM Zeitschr. Rittinghaus, Steinstr. 4 MOERS Aragon-Buchladen, Starenweg 1 Spaethe, Haus d. Bücher, Pfefferstr. 18 MÜNSTER Alternativ-Zeitsch. -Laden, v.Esmarch-Str.32 Buchhandig. Schöningh, Salzstr. 61 Rosta, Königstr. 17 NÜRNBERG Die Bücherkiste, Jakobstr. 26 Frauenbuchladen, Kleinreuther Weg 28 Sterntor-Buchhandlung, Kornmarkt 6 OLDENBURG Carl v. Ossietzky Buchhandlg. , Bergstr. 1 OSNABRÜCK Autonomie Buchladen, Martinistr. 101 Buchhandlung zur Heide, Neuer Graben 24 PFORZHEIM Buch Kaiser, Westliche 1 SAARBRÜCKEN Görres-Buchhandlg., Kaiserstr. 16 Akadem. Buchhandlg, Köhler, Kaiserstr. 21 Polit. Buchladen Beth/Paul, Johannesstr. 3 SIEGEN Buchhandlg. Nohl Kölner Str.44 bzw. FilialePH STUTTGART Das Buch, Lange Str. 11 Buchhandig. Niedlich, Schmale Str. 14 Lavender Frauenbuchladen, Seyfferstr. 94 Fortsetzung nächste Seite! WICHTIG • WICHTIG • WICHTIG • Diese Zeitschrift wird durch den För de r kr e i s zum Aufbau der Feministischen Partei 2:FP) personell und materiell getragen. Besonders viel Arbeit fällt natürlich in München an, aber für die Verbreitung unserer Richtung sind Mitglieder überall wichtig und nötig. Wir nehmen Mitglieder aus der BRD und dem Ausland auf und freuen uns über jede und jeden, der mitarbeiten will oder uns wenigstens passiv durch seinen Beitrag unter- stützt. Unsere Vereinsanschrift: F FP , z.Hd. der 1 .Vors . Ursula Sattler, Pössenbacherstr. 3 a , 8000 München 71, Tel. 089 - 7916689, Postscheckkonto des FFP, München Konto Nr. 170484 - 807 Wir treffen uns • eden 1. und 'eden 3. Monta im Monat zum Informations-u.Arbeitsabend und jeden 4. Montag im Monat zum Theorieabend - jeweils um 18 Uhr. Im Au- genblick sind wir ohne Vereinslokal (bei Drucklegung) und bitten deshalb sich telefonisch bei der Redaktion 7149187 zu erkundigen, wo der Treffort ist oder in die SZ unter "Wohin heute" zu schauen! ACHTUNG! Abonnenten und Interessierte! Ab der Nr.1/ 1980 (erscheint im Mai) müssen wir den Preis der Zeit- schrift leider auf DM 4 -- anheben we n der Teueru 41

Die Zeitschrift DER FEMINIST erhalten Sie in de TÜBINGEN Bücherstube Hohnerlein, Hirschgasse 2 ULM Aegis-Buchhandlg., Hafengasse/ Breite Gasse Fachbuchhandlg. Hofman & Co., Hirschstr. 4 r BRD und im Ausland in folgenden Geschäften: (Forts.) 4( ' Schweiz: • AFFOLTERN Versandbuchhandlg."Buch 2000", Postf.36 BASEL buechlade gnosseschaft , Theaterpassage WETZLAR Buchhandlg. am Dom, Entengasse 2 WORMS Buchhandlg. Bessler, Hafergasse 11 Wormser Büchereck, Zornstr.1 WUPPERTAL - BARMEN Buchhandlg. Röder, Werth 62 WUPPERTAL - ELBERFELD Buchhandlg. Nettesheim, Herzogstr. /Ecke Bankstr. der andere buchladen, Luisenstr. 20 Bücher zyxwvutsrqponmlkjihgfedcbaZYXWVUTSRQPONMLKJIHGFEDCBA Buchhandlg. Tanner Books, Streitgasse 5 & Antiquariat Pfister, Petersgraben 18 BERN Frauenbuchladen, Münstergasse 41 ST . GALLEN Buchhandlg. am Rösslitor, Webergasse 5 Buchhandlg. Kaktus , Löwengasse 4 Fehr' sche Buchhandlg., Schmiedgasse 16 Ribaux Buchhandlung, Bahnhofstr.2 WÜRZBURG Akademische Buchhandlg. Knodt, Textorstr.4 ZÜRICH Bücher Bazar , Mühlegasse 13 Buchhandlg. am Helvetiaplatz t Stauffacherstr. 60 Buchhandlg. am Kunsthaus, 0.Brückelt,Rämistr. Buchhandlung Beer, St. Peterhofstatt 10 45 Humana-Buchhandlg., Rämistr.37 Frauenbuchladen, Stockerstr.37 Genossenschaft Literaturbetrieb, Cramerstr.2 Orell Füssli Buchhandlg. Pelikanstr.10 Pinkus, Froschaugasse 7 Spanien: • BARCELONA Llibreria de les dones, carrer Llad6 10 Wir suchen ständig neue Buchhandlungen, die unsere Zeitschrift in Kommission nehmen! Bedingungen siehe unten! als Strategie des Feminismus" ist das Protokoll abge- druckt. Außerdem eine Kritik der Zeitschrift EULE. Buchhandlg. F. Schöningh, Franziskanerplatz Buchladen "Neuer Weg" , Peterstr. 8 Bücherstube Hübner, Eichhornstr.1 Frankreich: 0 METZ Geronimo Livres, 31 rue Pont des Morts PARIS Calligrammes,Librairie Allemande,15 rue du Dra- Holland: • gon AMSTERDAM Uitgeverij en boekhandel Van Gennep, Nes 128 Österreich: • WIEN Frauenzimmer Buchcafe, Lange Gasse 11 INNSBRUCK Buchhandlg. Grabner u.Co.,Salurner Str. 2 Schweden: • STOCKHOLM The Women's Bookstore Kvinnfolk, Heleneborgsgatan 46 Folgende Schwerpunkte wurden in den bis jetzt erschienenen Ausgaben behandelt: DER FEMINIST Nr.1/76 (I) * berichtet über die Spaltung des FRAUENFORUM e.V. und über die Neugründung des FFP. Der Hauptartikel "Wer oder was ist ein Feminist?" beginnt mit einer feministischen Klassenanalyse u. erklärt, warum die Zeitschrift "der" Fe- minist heißt. Außerdem ist die Satzung des FFP enthalten. DER FEMINIST Nr. 2/76 (11) beschäftigt sich im Aufsatz "Waium die Männer wirklich herrschen" mit dem A na rchis mu s aus der Sicht der Frauenfrage und mit der Parteifeindlichkeit der neuen Frate• enbewegung, mit "Feminismus und Krieg" und V. E. Pligrinfe "Untergang des Mannes". DER FEMINIST Nr. 1/77 (III) 41 stellt eine Kritik der Marx' schen Theorie aus der Sicht des Feminismus dar u. untersucht, inwieweit der Marx' sehe Entfremdungsbegriff auf die Haus- und Erzieherarbeit an- wendbar ist und begründet die Forderung "Lohn für Hausar- beit". Entwurf einer feministischen "Mehrwerttheorie" . DER FEMINIST Nr. 2/77 (IV) * In "Viele, aber nicht alle Wege führen zum Feminismus" setzen wir uns mit den Zielen und Methoden auseinander, die die FEMINISTISCHE PARTEI von patriarchalischen Par- teien u.Ideologien unterschieden würde. Außerdem wird un- ser 5-Stunden-Modell für Frau und Mann für die BRD kon- kretisiert u. unsere feministische Klassenanalyse diskutiert. DER FEMINIST Nr.1/78 (V) versucht anhand von H.Beecher-Stowe (Onkel Tom' s Hütte), Angela Davis und H.Mabry die Unterschiede zwischen christ- lichen, marxistischen u. feministischen Wertvorstellungen aufzuzeigen; außerdem beschäftigen wir uns mit Bahro' s "Alternative"und U. Leue mit:"Vom Märchen, daß ein Mann seine Frau ernähre..." DER FEMINIST Nr. 2/78 (VI) * berichtet über die Frauenbewegung in Spanien (Interviews) und über die Parteiensituation in der BRD-einschließlich der "Grünen". Es wird ein Kommentar zum "Stern-Prozefrge- geben:"Frauen sind keine beleidigungsfähige Gruppe-wirk- lich?" und in allen Ausgaben findet sich die "Feministische Literaturkritik" (hier z.B über die "Schwarze Botin"). DER FEMINIST Nr.1/79 (VII) * kritisiert die Philosophie und das anthropologische Vorver- ständnis von Marx in dem Artikel "Alle sind zur Philosophie berufen oder:Das Proletariat heute" und über unseren Bei- trag bei der Frauen-Sommer-Uni 78 "Lohn für Hausarbeit 1 Über unseren Verlag kann ferner bezogen werden: FRAUENFORUM - Stimme der Feministen , Nr. 2/75: Muttermilch reicht nur für Kriege al Der Seperatismus der Männer • Das Urteil von Karlsruhe • FRAUENFORUM - Stimme der Feministen , Nr. 3/75: Rein ins Geschäft • Unsere Schwestern in Indien • Theorie und Praxis des Frauenforum • Besprechung von Borneman' s "Patriarchat" • Zusätzlich zum Preis der Zeitschrift ten ieweitErTrIVI-;50 Versandkosten im Vo raus zu entrichten auf das Post- scheckkonto DER FEMINIST, München Nr. 28035-804 Außerdem sind noch wenige Exemplare des Buches von Hannelore Mabry: UNKRAUT INS PARLAMENT • über uns zu beziehen, einschl. DM 2, -- Versandkosten. Bitte hier den Bestellzettel abtrennen und an den Verlag DER FEMINIST, Christrosenweg 5, 8000 München senden 293 S. ,DM 15, -- ..• • • • • • Ich bestelle ein Einzelexemplar Nr. Ich abonniere den FEMINIST ab Nr. / Ich bestelle zum Weiterverkauf auf Kommissionsbasis (ab 10 Ex. Einkaufspreis DM 25, -- + DM 2,30 Porto) Ex. Nr. 2/76 Ex. Nr.1/78 Ex. Ex. Nr. 2/78 Ex. Nr.1/79 Nr. 2/79 Name/Firma (Anschrift) (Unterschrift) Telefon Datum Zusätzlich zum Einzelpreis von DM 3,50 sind DM -, 50 Versandkosten Im Inland und DM -, 75 im Ausland mit der Bestellung zu überweisen. Wir liefern postwendend! ------------------------ ------- >4. Ich erkläre meinen Eintritt in den FÖRDERKREIS ZUM AUFBAU DER FEMINISTISCHEN PARTEI (FFP) und er- kenne die Satzung an: Name: Beruf: Anschrift: Datum: Telefon: Unterschrift:

Personenregister „Der Feminist“ Heft 1979, IV-8 Heftseite Name 17, 18, 20 Adorno, Theodor W. 20 Bargenda, Udo 34 Beauvoir, Simone de Inhalt Behagel, Helga 17 Bloch, Ernst 8 Böhm, Roswitha M. 10, 34 Bornemann, Ernst Inhalt, 40 Braun, Ingrid 23, 35 Brecht, Bertolt 20 Callmann, Rosemary 27 Chesler, Phyllis 10, 27 Dalla Costa, Mariarosa 27 Edwards, Hodee 2, 17 Engels, Friedrich 27, 29, 34, 35 Firestone, Shulamith 37 Flor, Roger de 26, 27, 31 Freud, Siegmund 38 Funcke, Liselotte 33 Gandhi, Mahatma 38 Gerter, Elisabeth 20 Goebbels, Josef Inhalt Grimm, Monika 2 Guillaume-Schack, Gertrud 3 Hamm-Brücher, Hildegard Haselberg, Peter von 20 Hoffmann-Vogels, Hildegard 38 Horkheimer, Max Huonker, Gustav Isaia, Enzo James, Selma Katz, Lorley [s. Mabry, Hannelore] Kemper, Anneliese Kempf, Beatrix King, Martin Luther Kirchhoff, Brigitte Lassek, ? Luhmann, Niklas Luxemburg, Rosa 20 38 33 8 Inhalt, 7 35 2 17, 18 38 Inhalt 27 Inhalt Name Mabry, Hannelore Marcuse, Herbert Marx, Karl Mayer, Waltraud Meibom, Irmgard von Meves, Christa Meyer, Thomas Millet, Kate Nenning, Günther Oestreich, Gisela Ossietzky, Carl von Otto Peters, Luise Paepcke, Lotte Pataki, Heidi Rath, Eva Rocholl-Gärtner, Ingeborg Sattler, Ursula Schmarling, Paul Schmidt, Alfred Schmidt, Helmut Schölch, Ingrid Schwarzer, Alice Siebrecht, Helmut Siegert, Michael Strauß, Franz Josef Strobl, Ingrid Suttner, Bertha von Tucholsky, Kurt Ullrich, Gisela Wagner, Angelika Warnke, Christie Weber, Maria Heftseite Inhalt, 1-3, 5, 6, 8-12, 23-25, 27, 34-37, 39, 42 Inhalt, 6, 17, 18, 24-28, 31 6, 10, 11, 13- 15, 17, 18, 22, 23, 25, 26, 29-31, 34, 35, 42 8 9 38 23 27 Titel, 1-6, 8, 9 39 33 2 39 5, 37 36 39 Inhalt Inhalt, 11, 12, 16, 22 18 3 Inhalt, 38 6, 8, 37 20 8 3 6 38, 39 38 10 40 Inhalt, 37, 40 38

Schlagwortliste „Der Feminist“ Heft 1979, IV-8 Antisemitismus Autonome Frauenbewegung Emanzipation Empowerment Erziehung Familienarbeit Feminismus Feministische Partei Feministische Politökonomie Feministische Zeitschriften FGM (Female Genital Mutilation [s. Gewalt, tätliche]) Frauenpartei Frauen-Sommer-Universität Gewalt (systemische, Ausbeutung, Unterdrückung) Gewalt (tätliche, Missbrauch, häusliche, Vergewaltigung, Genitalbeschneidung, Folter) Hausfrau Herrschaftsverhältnisse Internationale Frauenbewegung Kanada, Frauenbewegung Kapitalismuskritik Kinder Lohn für Hausarbeit Männer Marxismus Mütter Patriarchat, Patriarchatskritik, Patriarchatsanalyse Philosophie Politische Bildung Spanien, Frauenbewegung Todesstrafe Väter

Titelseite

Inhalt / Impressum

Wir Männer sind Schweine

Nicht alle Feministinnen schicken die Männer vor die Tür

Warum gibt es nicht mehr Proletarier?

...oder wie werde ich Mensch?

Zur Theorie des Patriarchats - Herbert Marcuse zum Abschied

Die neue Frauenbewegung und die Parteifrage

Feministische Literaturkritik

Notizen und Informationen

Personenregister

Schlagwortliste