Braune Paten
Otto Palandt, Heinrich Schönfelder und der Nationalsozialismus: Das Gutachten des IfZ in Kurzfassung
Otto Palandt und Heinrich Schönfelder fungierten für Jahrzehnte als Namensgeber von zwei juristischen Standardwerken: des bekannten juristischen Kurzkommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem erstmals 1939 erschienenen „Palandt“, und einer der wichtigsten deutschen Gesetzessammlungen, dem ab 1931 publizierten „Schönfelder“. Wie tief waren die beiden Juristen in das NS-Unrechtsregime involviert? Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz hat das Institut für Zeitgeschichte die Rolle Palandts und Schönfelders in der Zeit des Nationalsozialismus untersucht.
„Sowohl für Palandt als auch für Schönfelder lässt sich eindeutig eine substanzielle Identifikation mit der nationalsozialistischen Ideologie belegen“, so das Fazit von Lutz Kreller, der die Studie des IfZ erarbeitet hat. So hat Otto Palandt (1877-1951) als Beamter und Richter nach 1933 dem Nationalsozialismus rückhaltlos gedient und als langjähriger Präsident des Reichsjustizprüfungsamts von 1933 bis 1943 maßgeblich daran mitgewirkt, den Weimarer Rechtsstaat abzuschaffen. Lutz Kreller: „Otto Palandt war ein wichtiger Dozent und Lehrer des NS-Unrechtsstaats, der mit großer Eigeninitiative und viel Engagement ganz maßgeblich zur Um- und Durchsetzung der politisch-ideologischen Vorgaben hinsichtlich der juristischen Ausbildung und des Prüfungswesens beitrug."
Vorbehaltlos mit dem Nationalsozialismus indentifiziert
Ähnliches gilt für Heinrich Schönfelder (1902-1944), der schon in der Weimarer Republik zu den rechtsextremistischen Demokratiefeinden gehörte. In seiner 1926 erschienenen Dissertation hat Schönfelder für die Einführung einer faschistischen Diktatur in Deutschland plädiert. Seine antisemitische und antisozialistische bzw. antikommunistische Haltung hat insbesondere Niederschlag in einer von ihm ab 1929 verlegten Heftreihe mit Prüfungsfällen gefunden. In diesen Bänden, die für die Vorbereitung von Studentinnen und Studenten auf die juristischen Staatsexamina konzipiert waren, hat Schönfelder die Fallbeispiele vielfach suggestiv und manipulativ entlang antisemitischer und antisozialistischer Stereotype konstruiert. Wie die Studie des IfZ nachweist, hat sich Schönfelder während des „Dritten Reichs" vorbehaltlos mit den Zielen des Nationalsozialismus identifiziert und als Beamter und Richter zu deren Umsetzung beigetragen.
Standardwerke heißen jetzt "Grüneberg" und "Habersack"
Die Standardwerke "Palandt" und "Schönfelder" gehörten jahrzehntelang zur Grundausstattung von Juristinnen und Juristen – bei Gerichten und Staatsanwaltschaften, in Rechtsanwaltskanzleien, bei Behörden und Unternehmen. Der Verlag C.H.BECK hat bereits im Juli die Umbenennung der Werke bekanntgegeben. Der "Palandt" heißt inzwischen "Grüneberg", benannt nach dem BGH-Richter Dr. Christian Grüneberg. Aus "Schönfelder" wurde "Habersack", benannt nach dem früheren Präsidenten des Deutschen Juristentages, Prof. Dr. Mathias Habersack.
Kurzfassung des IfZ-Gutachtens zum Download
Das vollständige Gutachten wird voraussichtlich noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.
Präsentation der Studie im Justizpalast
Im Rahmen einer Abendveranstaltung im Justizpalast wurden die Ergebnisse des Gutachtens am 28. Juni 2023 vorgestellt. Nach einem Vortrag von Lutz Kreller diskutierte der Autor der Studie mit Pascale Cancik (Universität Osnabrück) und Klaus Weber (Verlag C.H.Beck) über die Bedeutung des Gutachtens für Justiz und Rechtswissenschaft. Die Moderation übernahm IfZ-Direktor Andreas Wirsching; der Bayerische Staatsminister der Justiz Georg Eisenreich sprach zu Beginn ein Grußwort.