Neues Forschungsprojekt

Das IfZ erforscht die Geschichte des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes

Von unzähligen Menschen fehlte nach dem Zweiten Weltkrieg jede Spur: Verlorene Familienangehörige, verschollene Soldaten, Kriegsgefangene und Kinder, die keine Angaben zu ihrem Namen oder ihrer Herkunft machen konnten. Eines hatten sie gemeinsam: Sie alle waren auf der Suche, und sie wurden gesucht. Ein neues Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin betrachtet die Geschichte dieser Personen und der Organisation, die sich seit Kriegsende die Klärung des Schicksals der Vermissten zur Aufgabe gemacht hat: Der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Das Projekt wird vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) finanziert. Magnus Brechtken stellte das neue Forschungsvorhaben heute bei einer Pressekonferenz in Berlin gemeinsam mit DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt und Staatssekretär Markus Kerber vor.

 

Die Ungewissheit über den Verbleib von Angehörigen hielt den Zweiten Weltkrieg noch Jahrzehnte nach Kriegsende in vielen Familien erfahrbar und präsent. Für die deutschen Kriegs- und Zivilopfer war der DRK-Suchdienst der erste Ansprechpartner: Bis in die 1950er Jahre half er bei der Aufklärung von 8,8 Millionen Vermisstenschicksalen und trug in vielen Familien zur individuellen Verarbeitung des Krieges bei. Welchen Einfluss hatte die Vermisstensuche auf die innerdeutsche und innerfamiliäre Kriegsfolgenbewältigung? Wie veränderte sich diese mit zunehmendem Abstand zum Kriegsende und durch den Generationenwechsel? Das Projekt nimmt die Organisation des DRK-Suchdienstes wie auch Biografien von Suchenden in den Fokus.

Der Suchdienst als Akteur im Kalten Krieg
 

Die Mehrzahl der Gesuchten war in Gebieten Osteuropas und Ostdeutschlands verloren gegangen – in Ländern, zu denen die Bundesrepublik zunächst keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Die Suchdienste der jeweiligen Länder mussten also eigenständig Wege der Zusammenarbeit finden, und ihre Kooperation war stets von den politischen Verhältnissen im Kalten Krieg bestimmt. Das neue Projekt untersucht auch, wie der DRK-Suchdienst als nichtstaatlicher Akteur transnationale, blockübergreifende Netzwerke aufbaute, um die Vermisstensuche voranzutreiben – und wie diese auf die politische und gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik rückwirkten. Das Forschungsvorhaben verortet den DRK-Suchdienst als Akteur zwischen (internationaler) Politik, Gesellschaft und Familie und leistet damit einen Beitrag zum differenzierten Verständnis der individuellen Kriegsfolgenbewältigung in der Bundesrepublik vor dem Hintergrund des Kalten Krieges.

Bearbeitet wird das Projekt von der IfZ-Historikerin Nadine Recktenwald. Sie studierte Geschichte und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und wurde dort mit einer Arbeit zu Obdachlosen im 20. Jahrhundert promoviert.

Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums zum Download



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